Paper Sorcerer: Im Bann des Buches
Es war einmal ein böser Zauberer, der lebte in einem großen Turm und vertrieb sich die Zeit damit, das Land mit Angst und Schrecken zu überziehen. Eines Tages beschloss der König, vier tapfere Helden auszusenden, dem Magier das Fürchten zu lehren. Sie machten sich auf den Weg durch tausend dunkle Höhlen, giftige Sümpfe und alte Ruinen und stiegen die tausend Stockwerke des Turmes empor, in dem der Zauberer hauste. Als sie an ihrem Ziel ankamen, verbannten sie ihn mit einem geheimnisumwitterten Artefakt in ein magisches Buch und brachten dem Land so Frieden und Wohlstand. An dieser Stelle beginnt Paper Sorcerer.
Vom Schock des Bannspruchs überrumpelt wache ich als böser Zauberer im Inneren des magischen Buchs auf. Fortan soll mein Handeln allein dem Zweck dienen, diesem Gefängnis zu entfliehen. Dazu muss ich mich Level für Level, also gewissermaßen Seite für Seite, Kapitel für Kapitel, aus dem Buch herauskämpfen. Um das nunmehr schwächliche Wesen des bösen Zauberers zu unterstützen, stellen mir die Entwickler von Ultra Runaway Games nach kurzer Spielzeit drei weitere Antihelden an die Seite, mir bleibt dabei die Wahl zwischen zahlreichen Charakterklassen, darunter Minotauren, Goblins und durchtriebene Kultisten – all die Figuren eben, die in Rollenspielen für gewöhnlich als Gegner auftauchen.
So bewege ich also meine Party aus vier Charakteren durch die monochrome Welt des Buches. Vom hübschen Grafikstil und der interessanten Vorgeschichte abgesehen, ist Paper Sorcerer dabei ein äußerst altmodisches Rollenspiel. Gegner werden in der Spielwelt lediglich durch eine Rauchwolke markiert. Nach Berührung wechselt das Spiel in einen rundenbasierten Kampfmodus, in dem ich meinen durch Porträts dargestellten Figuren befehle geben kann: angreifen, verteidigen, zaubern, heilen, Gegenstand einsetzen. Danach ist der Gegner an der Reihe. Selbiger greift nicht unbedingt immer in der selben Reihenfolge an und sorgt so für eine gewisse Unberechenbarkeit der Kämpfe, was bisweilen frustrierend werden kann – auch deshalb, weil ein Kampf schon mal fünf bis zehn Minuten dauern kann, ohne eine Möglichkeit, dazwischen zu speichern.
Im weiteren Spielverlauf entdecke ich eine Stadt, in die ich jederzeit zurückkehren kann, um meine Vorräte aufzustocken – abwechslungsreicher wird der Spielablauf dadurch leider nicht unbedingt. Die Dialoge sind zwar gut geschrieben und kommen teilweise mit selbstreferenziellem Humor daher, insgesamt besteht das Spiel dennoch hauptsächlich daraus, Gegner zu besiegen, Gegenstände mitzunehmen, den Ausgang zu suchen und ins nächste Level zu kommen.
Das soll nicht heißen, dass Paper Sorcerer überhaupt keinen Spaß macht. Es hat durchaus seinen Reiz, eine Party auf- und umzubauen, die Entwickler erlauben dem Spieler hier größtmögliche Flexibilität. Benutzerfreundlichkeit oder große Überraschungen gibt es allerdings nicht, die Kämpfe sind langatmig und repetetiv, das Verwalten von Fähigkeiten und Items gleicht der Bearbeitung einer Excel-Tabelle. Paper Sorcerer ist ein Spiel für Puristen, die Rollenspiele vom alten Schlag schätzen, Komfortfunktionen verabscheuen und den Großteil des Abenteuers ohnehin lieber in ihrem Kopf stattfinden lassen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.