Reprisal Universe: Vom Glauben abgefallen
Das Allmächtige in einem Videospiel abzubilden, also in einem Korsett aus auferlegten Regeln und technischen Limitationen, das wirkte seit jeher ein wenig hölzern und unbeholfen. Gut möglich, dass dieser Umstand dazu beigetragen hat, dass seit der Etablierung dieser Spielart durch Populous, dem ersten und für manch einen auch letzten großen Wurf des Games-Münchhausen Peter Molyneux, nur wenige weitere nennenswerte Vertreter das Licht unserer irdischen Welt erblickten. Vielleicht macht sich Reprisal Universe deshalb auch gar nicht erst die Mühe, sich großartig von diesen Wurzeln zu entfernen. Vielmehr ist es eine sehr originalgetreue Coverversion geworden, die hier und da leider auch den ein oder anderen schiefen Ton beinhaltet. Dabei klangen die Chorproben doch eigentlich sehr vielversprechend.
Reprisal ohne Universe gab es nämlich schon vor mehr als zwei Jahren in einer Browservariante und war dank seines hübsch gepixelten Designs und der fröhlich-verschrobenen Chiptunesbegleitung eine angenehm simple und luftige Adaption des Populous-Prinzips. Man versucht seine Anhängerschaft auf einer überschaubaren Insel auszubauen, indem man per Terraforming die Landschaft ebnet und hierdurch den Bau immer größerer Siedlungen ermöglicht. Angetrieben wird die Ausübung der eigenen göttlichen Macht von Mana, dessen Generierung sich mit wachsender Gefolgschaft beschleunigt und nach dem Einsammeln verschiedener Totems auch das Vernichten von Un- und Andersgläubigen per verheerender Naturkatastrophe ermöglicht. Während komplexere Gesellschaftssimulationen sich gerne über viele Stunden hinziehen, benötigt das Einnehmen einer Insel in Reprisal (Universe) selten mehr als zehn Minuten, so dass man auch in der Mittagspause den eigenen Allmachtsfantasien nachgehen kann, die im Büroalltag sonst oftmals zu kurz kommen.
Zwar bietet die jüngst erschienene erweiterte Auflage neben der altbekannten Erschließung neuer Inseln auch die namensgebende Eroberung des Universums, dessen zahlreiche Planeten nur darauf warten, von fanatischen Gotteskriegern überrannt zu werden, doch müssen auch Abstriche zur immer noch sehr charmanten Browserausgabe hingenommen werden. So fehlt etwa die Musik. Komplett. Außer einigen biederen Soundeffekten bleibt das Spiel stumm, so dass man auch getrost etwas Passendes aus der eigenen Songsammlung im Hintergrund laufen lassen kann. Zudem hat mit der Kindle-Funktion eine neue Mechanik Einzug gehalten, die das eigentlich recht entspannende Spielprinzip in ein hektisches Klickfest verwandelt. Die Siedlungsbewohner verlassen nun nicht mehr selbstständig ihre Häuser, um das Land an sich zu reißen, sondern müssen mittels Anklopfen an jeder Hütte erst höflich darum gebeten werden. Ein Kritikpunkt, dem sich der Entwickler, neben einigen anderen Ärgernissen, lobenswerterweise bereits nach kurzer Zeit annahm, so dass mit dem letzten Patch die Kindle-Funktion nun optional ist und auch die zunächst sehr fordernden Computergegner besser an das eigene Spieltempo angepasst werden können.
Geblieben ist aber die aufgrund des kleinen Bildausschnitts fehlende Übersicht, das sehr umständliche und hakelige Scrollen mit den Pfeiltasten, das mit der Maus sicher wesentlich flüssiger ginge und die zahlreichen Fehlklicks, welche zumindest mir durch die fehlende Kartenrotation und die sehr grobe Darstellung des Terrains unterliefen. So wirklich mächtig fühle ich mich jedenfalls nicht, wenn ich den Anhängern auf meinem Bildschirm ständig ein dickes “Sorry!” entgegen brülle, nachdem ich versehentlich ihr frisch errichtetes Eigenheim in einen ordinären Erdhügel verwandelt habe. Das kann man aber zum Glück ganz einfach rückgängig machen, was leider nicht für die vergangene Zeit seit Populous und die entsprechend gestiegene Erwartungshaltung gegenüber Spielen mit solch hochtrabender Prämisse gilt. Reprisal Universe bietet leider nicht mehr als einen verklärt-nostalgischen Rückblick auf ein antiquiertes Spielprinzip, das nach 1989 nie wieder so richtig zum Scheinen gebracht werden konnte. Zwischen all den Glaubenskriegen, die während der letzten Jahre in der Videospielwelt ausgefochten wurden, ist es wohl Ironie des Schicksals, das ausgerechnet die Anhänger von Göttersimulationen aufgrund zahlloser enttäuschter Erwartungen längst vom Glauben abgefallen sind. Auch dieses kleine Spiel wird sie kaum in den Schoß der Glaubensfamilie zurückholen können, ist dabei aber eine schöne Erinnerung an die Bibelkreis-Tage, an denen man gemeinsam am Lagerfeuer “Kumbaya My Lord” sang.