Roundabout: Roadmovie in rotierender Stretch-Limo
Einst dienten Stretch-Limousinen Big Bands oder Staatsoberhäuptern als Transportmittel, sie riefen auf den Straßen Ehrfurcht und Beachtung hervor. Sie waren ein seltener Anblick, nur wenigen war die Fahrt in einem der nachträglich verlängerten Vehikel vorbehalten. Heute gibt es in jeder Kleinstadt Verleihdienste, die Stretch-Limousinen schon für ein paar Euro mitsamt chronisch genervtem Fahrer an unwürdige Junggesellenabschiedsgesellschaften vermieten. No Goblin versprechen Rettung mit Roundabout: ein Spiel um eine sich stets um die eigene Achse drehende Limousine und ihre furchtlose Fahrerin Georgio Manos.
Laut elaborater Hintergrundgeschichte ist Georgio Manos die weltberühmte und gleichzeitig auch erste Fahrerin einer rotierenden Limousine. Eigentlich müsste sie das zu etwas Besonderem machen. Aufgabe des Spieler ist es aber bloß, mit dem unkontrolliert herumwirbelnden Fahrzeug Bürger einer Kleinstadt von A nach B zu bringen. Dabei gilt es, die Drehbewegung der Limousine so auszunutzen, dass sie möglichst selten an Hindernisse schrammt und möglichst viele Punktmultiplikatoren mitnimmt. Am Schluss gibts dafür eine Bewertung. Ein wirkliches Scheitern ist in Roundabout nicht vorgesehen. Explodiert die Limousine, gehts in unmittelbarer Nähe weiter. Nur die Wertung leidet.
Die bizarre Geschichte von Roundabout wird über kurze Filmsequenzen erzählt, die immer dann eingespielt werden, wenn der Spieler einen neuen Fahrgast aufnimmt, absetzt oder einen wichtigen Checkpoint erreicht. Georgio, dargestellt von Kate Welch, schweigt die ganze Fahrt über und reagiert auf die eigenartigen Anwandlungen ihrer Kunden stets mit einem verwunderten, aber abgeklärten Schulterblick. Mal muss eine militante Tierschützerin durch die Stadt transportiert werden, die verlangt, dass unterwegs ein paar Vogeljäger über den Haufen gefahren werden, an anderer Stelle gilt es mit der Limousine gezielt Briefkästen abzufahren. Präsentiert werden die Filmsequenzen im Stil eines 70er-Jahre-Films mit höchstens vierstelligem Budget – das allerdings mit großer Hingabe. Jede Szene scheint, als hätten die Darsteller beim Dreh einen Heidenspaß gehabt.
Die Entwickler hätten vermutlich mit Erfolg nur auf die Absurdität der gefilmten Zwischensequenzen setzen können. Tatsächlich ist aber auch das eigentliche Spiel unterhaltsam. Dass jede Mission immer noch besser bewältigt werden kann, motiviert. Es gibt zahlreiche Bonusziele: komplett fehlerfrei zu fahren etwa oder einen Punktemultiplikator die ganze Zeit über aufrecht zu halten. Angenehm auch, dass das großflächige Zermatschen unschuldiger Fußgänger völlig sanktionslos bleibt. Fortgeschrittene Spieler greifen auf Spezialfähigkeiten zurück: eine verlangsamt die Zeit und erlaubt so genaueres Manövrieren, eine andere zeigt versteckte Goodies in der Spielwelt. Wer genug Geld verdient hat, darf selbiges in Immobilien investieren, die Limousine pimpen oder umspritzen.
Zweifellos handelt es sich bei Roundabout um eines der groteskesten Spiele des Jahres 2014. Schön, dass sich die Entwickler auf dieser Errungenschaft nicht ausgeruht und stattdessen ein Spielerlebnis geschaffen haben, das als Gesamtkunstwerk überzeugt, unterhält und entspannt. Neben Casual-Gameplay und trashigen Filmsequenzen hält Roundabout auch eine Geschichte bereit, die es wert ist, erlebt zu werden: eine Erzählung über den amerikanischen Traum, Verrat und lesbische Liebe. Roundabout ist für mich ein wahrer Quell von Lebensfreude. Zu fetziger Fahrstuhlmusik bringe ich Exzentriker von A nach B, überfahre unterwegs ein paar arme Seelen, sehe zu, wie Georgio ihre Umwelt wahrnimmt wie ein zivilisiertes Alien die barbarische Menschheit: mit großer Verwunderung, aber einer Engelsgeduld.