Samurai Gunn: Off with their heads!

Samurai Gunn

Langsam sinkt sie hinab, die glühende Sonne, und taucht alles in ein blutiges Rot. Das kalte Metall wiegt schwer in meinen Händen. Mein Kontrahent verzieht keine Miene, auch er umklammert den Griff seines Schwertes und harrt geduldig aus. Seit Stunden schon, so scheint es. Das Zirpen der Zikaden wird beständig lauter, hallt durch meinen Kopf, gerät mehr und mehr zu einem treibenden Rhythmus. Dann, plötzlich: Ein Zucken, ein Rascheln – und mein Widersacher nur noch eine Armlänge entfernt. Noch im gleichen Augenblick ziehe ich mein Schwert, hole aus und… tränke das Feld mit dem roten Blut meines nunmehr kopflosen Gegenübers, während die Sonne und mit ihr das gleißende Licht hinter dem Horizont verschwindet.

Samurai Gunn weckt Erinnerungen an meine frühe Jugend, in der ich etwa 87,5 Prozent meiner Freizeit vor einem großen, schwarzen Röhrenfernseher vebrachte. Dessen Besitzer erkannte in meiner Begeisterung für japanische Animationsserien wohl ein gewisses Potenzial für innerfamiliäre Interessensüberschneidungen, und zückte eine VHS-Kassette: „Okami – Das Schwert der Rache“. Neben fliegenden Köpfen und meiner tobenden Mutter brauchte es nicht viel mehr, um mich von den Vorzügen der Samurai-Filme zu überzeugen, also schaute ich mit meinem Vater mehr als nur einmal dem Protagonisten dabei zu, wie er dank der Hilfe seines kleinen Sohnes und eines waffengespickten Kinderwagens im Laufe seines Rachefeldzugs so manchen Gegner kunstvoll enthauptete.

Beau Blyth, der auch unter dem Namen Teknopants firmiert, scheint sich ähnlicher Inspirationsquellen bedient zu haben. In Samurai Gunn gilt es gleichsam, möglichst viele Kontrahenten der überflüssigen Last ihrer Köpfe zu berauben, sei es auf klassischem Wege mit gezielten Schwerthieben oder auch wohlplatzierten Schüssen aus Pistolen, deren Kugeln allerdings ein rares Gut sind. So arbeite auch ich mich durch die Reihen meiner Widersacher, deren kleinteilige Überreste nach und nach den gesamten Boden bedecken und zu einer blutigen Pixelmasse verschmelzen, in der sich Feinde geschickt verstecken können, sodass sie von ihren toten Kameraden oder Kontrahenten kaum mehr zu unterscheiden sind. Was sich schon im Falle KI-gesteuerter Gegner als feinstes Anger Management herausstellt, gerät im Mehrspielermodus meist schon nach Sekunden zu einem donnernden Fäkalsprech-Feuerwerk – gebündelt in einem Raum, denn Samurai Gunn verfügt über keinen Online-Modus.

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So einfach die Spielmechanik dabei zunächst erscheint, so schwierig ist es, sie zu meistern. Wildes Gesäbel ist selten zielführend, sondern muss zu perfekt sitzenden Schwerthieben verfeinert werden. Elegante Wandsprünge, im richtigen Moment reflektierten Projektile aus den Schusswaffen Anderer und Schleichangriffe sind Komponenten für vielfältige Taktiken, die aber wiederum ohne ständige Variationsversuche schnell durchschaut werden. Auch, wer sich der Gewaltorgien entzieht und das wilde Treiben aus sicherer Distanz betrachtet, wird zwar nicht als Samuraigeschnetzeltes enden, aber ebenso wenig als Gewinner aus dem Geschehen hervorgehen, denn entscheidend für den Sieg ist nur die Zahl der getöteten Gegner. Fällt der Punktvorsprung am Ende der Runde nicht groß genug aus, müssen sich die skrupellosesten Spieler_innen abschließend in einem dramatisch Showdown beweisen, der jenen klassischer Samurai-Geschichten in nichts nachsteht.


Dennoch erinnert Samurai Gunn eher an Nakano als an Kurosawa, nicht zuletzt wegen Doseones fantastischem Hip-Hop-Soundtrack. Der wird zwar durch die schallende Dissonanz ghettoesker Beschimpfungsorgien während der Duelle meist in den Hintergrund verbannt, trägt aber nichtsdestoweniger zu deren Dynamik wie auch zum eigentümlichen Stil des Spiels bei. Und erweist sich als perfekte Begleitung für rasante Tennisduelle.