Saturday Morning RPG
Viele Rollenspiele leiden an ihrer Ernsthaftigkeit. Manchmal scheint es, als seien sie nie losgekommen von der Mär vom stolzen Ritter, der auszieht, um Drachen zu erschlagen und in ihrem Blut zu baden. Noch schlimmer als stolze Ritter sind die Magier, die stets so mächtig sind, dass sie mit ihrem Zauberstab ganze Universen zum Einsturz bringen könnten. Erfrischend wirkt da Marty, der unfreiwillige Held aus Saturday Morning RPG. Er, ein Teenager, der in den popkulturellen Untiefen der 80er Jahre aufwächst, hat die geheimnisvolle Kraft, Alltagsgegenstände mit Magie aufzuladen. Marty bekämpft seine Gegner mit Basketbällen, CDs und magischen Kaugummis.
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Dass dieser Blödsinn Spaß macht, liegt nicht zuletzt daran, dass Saturday Morning RPG ein Konglomerat dessen ist, was US-amerikanische Kinder und Jugendliche vor etwa 25 Jahren jeden Samstagmorgen taten: Ungestört sein. Mit Action-Figuren spielen. Vor dem Fernseher sitzen und Cartoons kucken: Die He-Man-Serie beispielsweise oder später G.I. Joe. Während ihre Eltern sich traditionsgemäß von einer anstrengenden Arbeitswoche erholten, erlaubte der ungestörte Samstagmorgen das Abtauchen in eine Fantasiewelt aus Zeichentrick, Action-Figuren und Sticker-Alben. Marty lebt in dieser Welt – nur ist sein Samstagmorgen ein Rollenspiel.
Als Spieler prügle ich mich mit Marty durch eine seltsam dreckig wirkende Grafik. Die Mischung aus rudimentär texturierten Polygonen und viel zu grob aufgelösten Sprites schmerzt erst in den Augen, entfaltet aber kurze Zeit später den trashigen Charme eben jener kindlichen Qualitätszeit, die das Spiel einzufangen versucht. Martys Gegner sind die zu Söldnern verzerrten Lehrer seiner Schule, als einer der Hauptbösewichte dient ein rattengesichtiger Skeletor-Verschnitt. Vor jedem Kampf kann ich mir verschiedene Buffs zusammenstellen: In Form von Rubbel-Geruchsstickern. Eine Spezialattacke erinnert entfernt an die erste Transformers-Zeichentrickserie, eine andere an die Glücksbärchis. Eine dritte beinhaltet eine mir gänzlich unbekannte Referenz: Bunte Pferde fahren auf Skateboards auf den Gegner zu.
Ansonsten erinnert das Kampfsystem des per Kickstarter finanzierten Spiels wage an frühe Final Fantasy-Spiele, wobei sich die Entwickler von Mighty Rabbit Studios sichtlich Mühe gegeben haben, es mit eigenen Ideen anzureichern. So lösen einige der magischen Spezialfähigkeiten Quicktime-Events aus. Dazwischen kann Marty außerdem seine (AA-)Batterien aufladen und so Schadensmultiplikatoren aktivieren. Neu ist das aber in der Tat alles nicht. Saturday Morning RPG setzt hauptsächlich auf seinen verschrobenen Retro-Humor, der so sehr Geschmackssache ist wie sonst kaum etwas auf der Welt. Das Spiel ist nicht poliert, die Dialoge wirken bisweilen eindimensional, die Story will erst gar nicht verstanden werden. Alles wirkt irgendwie wirr, teilweise sogar billig. Wie die 80er Jahre eben. Wer sich an diese Ära wohlwollend zurückerinnert, wird auch mit Saturday Morning RPG warm werden. Alle anderen erleben einen Infarkt des guten Geschmacks.