Seedling

So zeldaesk dieses Spiel auch auf den ersten Blick erscheinen mag: Es handelt sich dabei nicht einfach um die billige Kopie eines altbewährten Erfolgrezepts. Seedling ist intelligent gemacht, spart sich ausufernde Erklärungen und regt die SpielerInnen zu Nachdenken an. Man spielt eine namenlose Kreatur, die für ihren Erschaffer ‘The Oracle’ einen Riesenbaum-Samen finden soll. Was sich nach einer kurzen Quest anhören mag, ist in Wirklichkeit ein etwa drei- bis vierstündiges Abenteuer der Extraklasse. Über die ganze Welt wurden die Samenteile verstreut, teils an schier unerreichbar scheinenden Stellen, zu denen wir uns nur über den Einsatz spezieller Gegenstände und Raffinesse Zugang verschaffen können.

Dabei werden wir dazu gezwungen, besondere Wesen, die ‘Creatures of the Relic’, umzubringen. Dies lässt sich nicht vermeiden, doch unsere Welle der Gewalt bleibt kein Geheimnis. Ein stummes Wesen — genannt ‘The Watcher’ — beobachtet uns ständig. Ein mulmiges Gefühl stellt sich in der Magengegend ein. Irgendwann gerät man an einen Punkt, an dem einige Fragen durch die Schädeldecke sausen. Seedling ist damit eine grandiose Perle mit einem Feingefühl für Retroästhetik.

Wie vor ein paar Tagen schon Nathan Grayson von Rock Paper Shotgun korrekt feststellte, gibt es zwischen Seedling und frühen Teilen der The Legend of Zelda-Reihe unverkennbare Parallelen. Die Pixelgrafik erinnert mich schnell wieder an Tage, die ich gebannt mit dem SNES-Controller in den Händen vor dem Fernseher saß. Aber auch der ‘Held’ von Seedling ähnelt Link: Schon nach kurzer Zeit streift er zumeist mit Schwert und Schild bewaffnet durch die Gefilde, gelangt aber im späteren Verlauf auch an andere Waffen wie einer wändedurchdringenden Lanze. Monster schlachten, Schlüssel und Truhen auffinden, in Dungeons überriesige Bosse besiegen. Also doch nur eine gut gelungene Zelda-Kopie?

Mitnichten, denn dazu ist die Heranführung zu unterschiedlich. Seedling bleibt ein ziemlich ruhiges und subtiles Spiel. Es gibt keine großangelegte Erzählung bezüglich der Mythologie über die ‘Creatures of the Relic’ oder ‘The Oracle’. Die meist kryptisch gehaltenen Informationen fordern SpielerInnen dazu auf, sich selbst eine Motivation zu schaffen. Man tötet die Kreaturen, weil es jemand befohlen hat, damit er seinen geliebten Baum reproduzieren kann. Eine moralische Selbstverordnung zwischen einem klar eingegrenzten Gut oder Böse wird damit unmöglich. Es gibt keine Möglichkeit sich diesem merkwürdigen Treiben zu widersetzen. Diese Orientierungslosigkeit findet sich auch räumlich wieder, da nie erläutert wird, wo man nun überhaupt den nächsten Boss findet. Seedling ist damit für mich mehr eine gelungene Entdeckungsreise mit einem fordernden Rätseldesign — irgendwas zwischen der Spielmechanik und der Ästhetik von The Legend of Zelda: A Link to the Past und der subtil anprangernden, düsteren Atmosphäre, die Shadow of the Colossus kreieren konnte.

…Nur eben als Flash-Spiel mit einem äußerst guten Soundtrack.

(via)