The Inner World: Interview mit Studio FizBin
Indie-Adventures aus Deutschland? Klar, Daedalic. Das neue Indie-Studio FizBin kann aber bereits mit ihrem ersten Spiel, The Inner World, Paroli bieten. Es steckt voll mit eigensinnigen Charakteren, Dialogen, die mich regelmäßig zum Lachen gebracht haben und Rätsel- und Leveldesign, das mich zum Weiterspielen motivierte. Ich habe mit dem Technical Director des jungen Studios, Alexander Pieper, gesprochen.
Worum geht’s in The Inner World
Alexander PieperDie Geschichte von Inner World dreht sich um Robert, den kleinen, naiven Hofmusiker von Conroy, den letzten Windmönch in Asposien. Man muss wissen, dass in Asposien das ganze Universum aus Erde besteht und in diesem Universum gibt es eine Blase und in diesem Hohlraum leben die Asposer. Dieser Hohlraum wurde beatmet von Windbrunnen. Jetzt gibt es aber nur noch einen und über diesen Brunnen wacht Conroy. Eines Tages kommt eine Taube reingeflogen, klaut ihm sein Amulett und plötzlich befindet man sich in einer Achterbahnfahrt, in der man am Ende des Tages Asposien rettet.
Du hast das Studio mitbegründet. Wie kam es dazu?
AlexanderIch habe zusammen mit Sebastian und Mareike vor zwei Jahren das Studio gegründet. Nach meinem Abitur habe ich lange überlegt, was ich machen soll. Ich bewarb mich zuerst als Designstudent, weil ich hobbymäßig ein bisschen Photoshop gemacht habe und dachte, das wär doch toll, so was zu studieren. Ich wurde dann krass abgeschmettert von den ganzen Kunst-Unis als die meine Mappen gesehen haben. Am Ende habe ich mich an einer Informatik-Uni in Ravensburg beworben. Das Ding ist halt, ich habe mir immer gedacht: Spiele machen ist was tolles. Ich habe mir dann aber immer überlegt, dass das illusorisch ist, so etwas als Job zu machen. Als ich dann aber die ersten Bewerbungsgespräche hatte mit Automatisierungsfirmen und Datenbankfirmen und Schießmichtot habe ich gemerkt: Sollte ich das machen, ich würde mir nach dem ersten Jahr einen Strick holen. Deshalb bin ich auf die Filmakademie gestoßen. Da habe ich dann auch Sebastian und Mareike kennengelernt und in einem Workshop haben wir dann zusammen die Idee für The Inner World ausgearbeitet. Mein Praxissemester habe ich dann an der Filmakademie gemacht, damit ich weiter an dem Projekt mitarbeiten kann. Und nach meinem Abschluss haben wir uns gedacht: Ey, wir können super zu dritt arbeiten. So ist Studio FizBin geboren und seitdem schimpfe ich mich Technical Director von dem Laden.
Habt ihr euch da beeinflussen lassen davon, dass Indie als Label so beliebt ist?
Alexander Es war nicht so, dass wir uns gesagt haben: Wir gründen FizBin nur, um direkt Indie zu sein. Schlussendlich hat sich das so ergeben. Wir möchten Spiele eigenständig machen, wir möchten nicht, dass uns da irgendjemand reinredet und anscheinend heißt das wohl “Indie sein”.
Was ist denn so die spezifische Herausforderung, die ihr habt, in Deutschland als ein Indie-Studio?
Alexander Es gibt oder es gab in Deutschland in der Allgemeinheit noch nicht so die “Awareness” für Indie-Entwickler. Die Leute kennen Super Meat Boy und die Games von Vlambeer, aber dieses “Okay, das sind kleine Studios, die sich als Indies bezeichnen”, das ist in der breiten Masse gar nicht da. Wenn wir jetzt an die Öffentlichkeit gehen und sagen “Ey, wir machen ein Spiel!”, dann hört uns erstmal keiner. Weil wir nicht die finanziellen Mittel eines Cryteks oder, in unserem Genre, eines Daedalics haben, um aufmerksam auf uns zu machen. Wenn wir mit Leuten gesprochen haben, hat also keiner gesagt: “Ach, okay, ihr seid ein kleines Studio, ist ja krass, dass ihr das auf die Beine stellt.” Und zum anderen, klar, wenn man versucht seine Projekte bekanntzumachen wird man immer so ein wenig belächelt. “Ah, okay, ihr seid also ein viel zu kleines Entwicklerstudio, das versucht ein Spiel zu machen.” So hatte ich jedenfalls das Gefühl auf vorherigen Messen. Die Studenten kommen schon alle her und sagen: “Oh, das ist ja cool, was ihr macht”, weil sie das ja selber machen, aber wenn jetzt andere Entwickler herkommen oder öffentliches Publikum, also wirklich Zocker, dann waren die bisherigen Reaktionen so: “Okay…das ist ja gar nicht superkrass 3D mit superkrass HD-Irgendwas.”
Aber so ganz ohne Hilfe ist The Inner World ja auch nicht enstanden. Ihr wurdet von der Medienförderung Baden-Württemberg unterstützt.
Alexander Genau, von der MFG. Das war eine extrem stressige Zeit. Die Förderungsunterlagen haben wir parallel zu unserer Abschlusszeit erstellt. Wir haben halt von diesem Fördertopf erfahren, uns hingesetzt, 4-5 Wochen lang alles zusammengetragen. Wir haben eine Mappe gemacht, 20-30 Seiten, wo wir die Welt beschreiben, wo wir das Projekt beschreiben, wo wir jeden Scheiß-Charakter beschreiben, haben den Prototypen gepolished bis zum gehtnichtmehr. Also ich glaube, ich habe fast so wenig geschlafen wie im Monat vor dem Release. Wir haben auch extra einen Trailer gemacht nur für die Bewerbung, das waren 40-50 Sekunden Animation. Dann war das rum und dann war lange Zeit Stille. Drei Monate später saßen wir im Büro, ich, Sebastian und Mareike. Da klingelte das Telefon. Wir sind alle durchgedreht in dem Moment, wo die gesagt haben “ja, ihr habt den Fördertopf bekommen von 100.000 Euro”, das war schon ziemlich geil. Meine Güte, haben wir da getrunken.
Wie kommt es eigentlich, dass ihr euch für das Adventure als Genre entschieden habt?
Alexander Als wir damals die Welt von Inner World entwickelt haben, haben wir dann rumüberlegt, was für ein Spiel könnte darin passieren, was könnte man da erzählen. Was uns drei vereint hat damals ist, dass wir als FizBin interaktive Geschichten erzählen wollen. Wir möchten, dass wenn der der Spieler unser Spiel konsumiert hat, eine Geschichte erfahren hat, so wie andere Leute ein Buch lesen oder Last of Us spielen oder whatever. Als wir festgestellt haben, dass wir eigentlich einen Riesenspaß daran haben, diese Geschichte zu schreiben und auf die Beine zu stellen, dann waren wir uns relativ schnell einig. Was machen wir da für ein Genre? Am besten Geschichten erzählen kann man in Adventures. Und weil wir alle Adventures lieben und uns alle drei Tage irgendwie über Monkey Island aufgegeilt haben, dachten wir uns: Machen wir halt ein Adventure.
Was für ein Adventure ist es denn jetzt eigentlich? Inzwischen gibt es ja sehr viele Strömungen im Genre.
Alexander Es ist auf jeden Fall ein sehr story-centric-Adventure, sehr klassisch, kein Quicktime-Shit, kein wasweißich, keine Minigames, um Hilfe zu bekommen wie es damals Machinarium gemacht hat. Du unterhältst dich einfach mit den Charakteren. Und die Rätsel sind nicht da, um Leuten nur Kniffel hinzulegen wie bei Professor Layton, sondern die sind alle direkt mit der Story verwoben. Es gibt jetzt nicht Abschnitte, wo man etwas macht, was nicht direkt mit der Story zu tun hat.
Jetzt habt ihr ja auch noch einen Publisher bekommen, Headup Games, wie kam das zustande?
AlexanderWir waren drei Mal auf der Quo Vadis. Beim ersten Mal ist Deadalic auf uns aufmerksam geworden. Deadalic hat uns einfach gesagt “Das und das sind die Konditionen.” Das wäre jetzt ein klassisches Publisher-Verhältnis geworden und das wollen wir nicht. Schlussendlich sind dann die Wege da auseinander gegangen. Auf der nächsten Quo Vadis kam dann Marcel von Headup auf uns zu, und sagte “hey, ich finde das ist ein supergeiles Spiel, das ihr da habt”. Und als sie gesagt haben, dass sie mit uns eine Box machen wollen, ist mir das Herz aufgegangen. Das war für uns aber sowieso die beste Wahl, weil wir in Gesprächen gemerkt haben, dass Headup anders aufgestellt sind, als der klassische Publisher. Die haben den Fokus, Spiele zu nehmen und in eine Box zu packen und sie zu vermarkten. Sie können uns als Indie unter die Arme greifen, was Marketing angeht. Sie lassen uns einfach mehr Freiheiten als ein klassischer Publisher, der jetzt sagen würde: “Das und das muss anders”. Auf der anderen Seite würde ein klassischer Publisher ein Spiel ganz anders finanzieren. Das ist jetzt gar nicht im Sinne von Headup sind die Guten und die anderen sind die Bösen, es ist einfach eine andere Aufstellung, die in unserem Fall mehr Sinn macht.
Was genau macht Headup eigentlich für euch? Was bringt euch die Kooperation?
Alexander Im Endeffekt hat Headup zum einen einen Teil die Desktopversion mitfinanziert. Wir hatten lange Zeit nur die iOS-Version in Arbeit. Zum anderen Teil übernimmt Headup das Marketing, die Box-Produktion und hilft uns, Kontakte zu knüpfen mit Steam und mit ausländischen Vertrieblern, damit wir The Inner World zum Beispiel auch nach Russland bringen können.
Seht ihr denn da kein Konfliktpotential? Indie und Publisher?
Alexander Ich habe mir gedacht, irgendwann regnets bestimmt. Sollten wir jemals einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreichen, dann wird es garantiert die Hater geben, die sagen “Ugh, ihr seid ja keine Indies, ihr Scheiß-Poser”. Ich glaube, dieses als-Indie-darfst-du-keinen-Publisher haben…das ist Blödsinn. Rein theoretisch ist ein Team Meat , die über XBLA das Spiel vertreiben damit an Microsoft als Publisher gebunden. Es ist immer die Frage: Wie definiert man den Publisher. Wir sind einfach Entwickler, die ihre eigenen Projekte machen möchten. Wir möchten nicht, dass uns der der Chef von EA sagt “nee, ihr müsst das anders machen, weil nur dann verkaufen wir das auch an 16-jährige”, sondern wir möchten es so machen, wie wir das wollen. Das ist in meinen Augen die Definition eines Indie-Daseins.
Geht’s euch also eher um die kreative Kontrolle?
Alexander Es ging mir nur darum. Ich kenne natürlich auch andere Beispiele, witzigerweise vergesse ich dann die Namen, weil das für mich dann eh uninteressant ist, von Leuten, die sagen, “ich bin der krasse Indie und ich mache krasse Spiele, die keinen Spaß machen, weil sie ein krasses Selbstportrait meiner krassen Gefühle sind zum Thema ‘Krasses Thema'”. Das ist so wie der französische Arthouse-Film, wo man eine Stunde ‘nem Typen auf einem Stuhl zuguckt, der raucht. Solche Spiele möchte ich nicht spielen. Und natürlich haben solche Leute kein Problem wenn sie ihr Spiel vertreiben, weil das wollen eh nicht so viele Leute spielen. Auf der anderen Seite gibt es wunderschöne Beispiele wie Vlambeer, die sagen “wir machen Arcade-Games” und tatsächlich könnte man sich da fragen, “hey, sind Vlambeer jetzt noch Indie, obwohl sie mit Sony Hand in Hand gehen?”. Und ich würde sagen: Ja! Ich finde schon! Die gehen mit Sony Hand in Hand, weil Sony gesagt hat: “Ey, Leute, was ihr macht, ist so geil, das möchten wir auf unserer Vita, auf unserer Playstation haben”. Und Vlambeer ist halt in dem Stadium, dass sie sagen “wir machen jetzt Luftrausers und Luftrausers sieht so aus”, Sony kann dann noch schon sagen “macht das nicht Sinn, das so und so zu machen?”, aber wenn die sagen “nee, machen wir nicht”, dann ist Sony nicht in der Position zu sagen: “Okay, dann nehmen wir das Spiel nicht”. Im Endeffekt bleibt die kreative Kontrolle bei denen. Und das ist für mich das Ziel. Viele Leute spielen das Spiel und viele Leute sollten das spielen, auch DU solltest das spielen und wenn ich dann auch noch die kreative Kontrolle behalten kann, dann bin ich sehr zufrieden. Ich sehe da eigentlich keinen Grund zu sagen: Mein Gott, bin ich dann nicht mehr indie?