The Novelist

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The Novelist also. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ich nicht genau weiß, was ich über ein Spiel schreiben soll, in dem ein Buchautor in Tagebüchern, Briefen und herumliegenden Schmierzetteln Romane darüber schreibt, dass er an einer totalen Schreibblockade leidet. Dabei klang das alles richtig vielversprechend, was ich im Vorfeld mitbekommen habe. Moment – Zettel, okay – Stift ist da – wenigstens Notizen kann ich mir ja schon mal machen: Eine interaktive Geschichte über eine Kleinfamilie, die auseinander zu brechen droht und sich damit zu retten versucht, dass sie für drei Monate in ein entlegenes Haus am See zieht. Weit ab vom Rest der Welt. Um wieder zueinander zu finden. Oder jeder zu sich selbst. So ganz bin ich da nicht schlau draus geworden. Als Spieler bin ich dabei jedenfalls eine Art Geist, der sich ausschließlich innerhalb der karg eingerichteten Hütte durch die privaten Schriftstücke und sogar durch die Gedanken von Mutter, Vater und Sohn wühlt. Eine Art NSA-Simulation also, nur dass einem das Spionieren wirklich nicht allzu schwer gemacht wird, liegen doch Tagebücher, traurige Kinderzeichnungen und persönliche Briefe offen in der detailarmen Bude herum.

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Hm, mal überlegen, wie das in Gone Home war. Ähnlich auf jeden Fall. Nur war da nicht alles so schrecklich offensichtlich und man lernte tatsächlich etwas über die Figuren, obwohl sie dafür nicht einmal anwesend sein mussten. Hatte der Vater da nicht auch so eine Schreibblockade? Quatsch, ich glaube, ich verwechsele das gerade mit Alan Wake. Ist auf jeden Fall echt nicht gerade ein Thema, mit dem ich mich identifizieren kann. Gleiches gilt auch für die Eltern in The Novelist, die beide freischaffende Künstler sind. Er schreibt Bücher, sofern ihn denn doch mal die Muse küsst, sie musiziert und malt. Die totale Durchschnittsfamilie halt. Wie Künstler eben so sind, betreffen die schwierigen Entscheidungen, die man im Spiel fällt, dann natürlich auch weitestgehend deren Selbstverwirklichungsdrang. Er braucht seine Ruhe, um wieder in seinen Schreibrhythmus zu finden und endlich etwas Brauchbares zu Papier zu bringen. Sie entdeckt gerade nach langer Zeit die Malerei erneut für sich und gibt auch nach kurzer Zeit direkt eine überfüllte Vernissage, was total plausibel ist. Für den Entwickler zumindest.

Ich sollte aber Gone Home nicht unbedingt in der Rezension erwähnen, das macht eh jeder, obwohl der Vergleich hinkt. Schließlich hat man dort eine Geschichte Stück für Stück dechiffriert, während sie einem hier praktisch aufs Auge gedrückt wird. Und man musste ja auch keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen.

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Ja, die Entscheidungen, das ist auch ein Thema für sich. Der erste Review-Reflex ist ja immer, das total abzufeiern, wenn ein Spiel mit folgenreichen Wahlmöglichkeiten aufwartet. Vielleicht halte ich mich damit aber in dem Fall eher zurück. Allein schon die Art, wie man die Entscheidungen fällt, ist ziemlich albern. Man liest halt kurz die zwei bis drei Hinweise, die einem wenig subtil verraten, was der jeweiligen Person gerade wichtig ist. Ein wenig Gedankenlesen dabei nicht vergessen, und am Ende flüstert man dem schlafenden Ehemann ins Ohr, wie er sich bei den jeweiligen Interessenkonflikten verhalten soll. Es der Frau zu flüstern, würde wahrscheinlich nichts bringen, schließlich habe ich ja bei Mad Men gelernt, dass die in den 60ern nichts zu melden hatte.

Ach, irgendwie habe ich mir das echt anders vorgestellt. Das Spiel lässt einem überhaupt keinen Raum, Verhaltensweisen und Worte selbst zu deuten. Alles wird einem, nicht zuletzt auch durch die räumliche Enge und der fehlenden Liebe zum Detail, auf dem Silbertablett serviert. Die Figuren bleiben oberflächlich und identitätslos, weil sie sich für jemanden wie mich, der selbst unter suboptimalen familiären Bedingungen aufgewachsen ist, mit ihren typischen Ersteweltproblemen fast wie eine Verhöhnung realweltlicher familiärer Herausforderungen anfühlen. Ich meine, wenn schon Ein-Kind-Eltern, die finanziell solide aufgestellt sind und ihre Arbeitszeiten frei einteilen können, nicht in der Lage dazu sind, ihre kleine Glücksblase nicht zerplatzen zu lassen – tut mir leid, ich kann dafür einfach kein Mitgefühl entwickeln. Nicht einmal für den Sohn.

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Ach ja, das Kind. Das sollte ich vielleicht in der endgültigen Rezension dann nicht so vernachlässigen, wie ich es im Spiel getan habe. Da war es mir halt einfach zu plump, wie der Junge immer diese blöden Bilder gemalt hat, die in der Eindeutigkeit ihrer Aussage so penetrant waren, dass ich am Ende nicht einmal mehr draufklicken musste, um zu wissen, wie gerne der Bub mit seinem Papa spielen will. Ich bin mir nur nicht sicher, ob ihm bewusst als einziger der drei Figuren keine Stimme gegeben wurde. Vielleicht wollten sie ja so auf metaphorischer Ebene die Stimmlosigkeit von Kindern in familiären Krisensituationen darstellen. Oder es war schlichtweg Faulheit. Ich schreibe besser das mit der Metapher, das lässt mich tiefsinniger erscheinen.

Am Ende waren Frau und Kind dann tatsächlich weg, weil der Vater sich zu sehr um sein Buch gekümmert haben soll. Wenn man so will, ist das die finale Inkonsequenz des Spiels, weil ich eigentlich keine Entscheidung zu seinen Gunsten getroffen habe und er sich auf mein Zuflüstern hin stets den Wünschen seiner Frau beugte. Die war darum bemüht, die richtige Balance zwischen Karriere, Beziehung und Kind zu finden, ohne dabei auch nur die geringste Rücksicht auf die restlichen Beteiligten zu nehmen. Vielleicht schreibe ich einfach, dass die Frau wie das Spiel ist. Gutgemeinte Intentionen, aber ohne wirkliche Einsicht in die Komplexität der behandelten Themen und Problemstellungen. Und wenn das Spiel schon die Frau ist, bleibt mir als Rezensent am Ende wohl nur die Rolle des Mannes übrig. Enttäuscht zurückgelassen, weil wir einfach nicht kapieren können, was für eine großartige Sache wir da gerade verloren gegeben haben. Als Geist lege ich mich zu ihm auf die Couch, in vereintem Unverständnis und geteilter Leere. Es ist der glaubwürdigste Moment des Spiels.

Was bleibt, ist die notwendige Ruhe, um endlich diese verdammte Schreibblockade zu überwinden. Ich mache mich am besten gleich an die Arbeit.