Tropes vs Women in Video Games: Ms. Male Character

Tropes vs Women in Video Games: Ms. Male Character

“In this episode we examine the Ms. Male Character trope and briefly discuss a related pattern called the Smurfette Principle.”

Nachdem sie in den vergangenen drei Ausgaben ihrer Reihe Tropes vs Women in Video Games versucht hat, die Jungfrau in Nöten aus ihrer stereotypen Opferrolle zu befreien, widmet sich Anita Sarkeesian in der aktuellen Folge einem weiteren, erschreckend gängigen Darstellungsklischee von Frauen in Videospielen: Dem Ms. Male Character.

Hierbei beschreibt sie die Stilisierung weiblicher Spielfiguren auf Basis eines zuvor kreierten männlichen Pendants, das oftmals schlichtweg ein Schleifchen auf den Kopf gesetzt und rosa Wängchen gepinselt bekommt, anstatt eine autarke, feminine Protagonistin zu erschaffen. Was im ersten Moment harmlos klingen mag, hat jedoch weitreichende Folgen für die Wahrnehmung, Charakterzeichnung und die Handlungsmöglichkeiten für die auf diese Art konzipierten Figuren. Während männliche Avatare mit einer breitgefächerte Individualisierung deskriptiver Eigenschaften aufwarten können, führt das Schema des Ms. Male Characters zu einer eindimensionalen und oberflächlichen Präsentation der Spielfigur, die so einzig und allein über ihr Geschlecht definiert wird, welches zudem strikt dem binären System von männlich und weiblich zugeordnet wird und keinen Platz für Zwischenräume lässt.

Eine zu erwartende Reaktion auf die Herausstellung dieses Problems ist sicher die Trivialisierung des Themas mit dem Argument, man müsse ja irgendwie auch grafisch das Geschlecht eines Spielcharakters unterscheiden können. Ob das Erkennen einer solchen Zuschreibung jedoch irgendeinen spielerischen Mehrwert bietet, sei einmal dahin gestellt, es führt aber unweigerlich zu einem weiteren, im Video herausgearbeiteten Missstand, der weit über das Medium Videospiel hinausgeht. Durch das Markieren der Weiblichkeit mit Hilfe bestimmter Symbole oder Kolorierungen, wie der aufgezählten Schleife im Haar oder die Zuordnung der Farbe Rosa, wird gleichzeitig das Männliche als Fundament des Menschen manifestiert und die Frau lediglich als eine verallgemeinerte Form der Ableitung davon. Selbst wenn man also die sehr eng gefasste Darstellung von Fraulichkeit in Spielen für unbedenklich hält, sollte man dennoch nicht außer Acht lassen, welch ein verzerrtes Gesellschaftsbild damit einhergeht und wie weit es die Selbstbestimmungsoptionen zu Gunsten des männlichen Geschlechts verschiebt.

Smurfette

“The message is clear. Boys are the norm, girls the variation; boys are central, girls peripheral; boys are individuals, girls types. Boys define the group, its story and its code of values. Girls exist only in relation to boys.” – Katha Pollitt

Um die Bedeutung der männlichen Grundeinstellung weiter zu unterstreichen, führt Sarkeesian die Zuschauer im weiteren Verlauf des Videos in das Konzept des Schlumpfine-Prinzips ein, welches das singuläre Vorkommen eines weiblichen Charakters in einer Ansammlung von ausschließlich männlichen Protagonisten beschreibt. Hierdurch verstärkt sich der Eindruck, dass Frauen lediglich eine Abwandlung der Norm seien und nicht etwa ein gleichgestellter und vielseitiger Teil unserer Gesellschaft. Es leugnet gar die signifikante und weitumfassende Rolle, die Frauen in ihr einnehmen und wertet sie als schmückendes und austauschbares Beiwerk innerhalb einer männlich-dominanten Charakteransammlung ab. Dieser Umstand wird nicht zuletzt deutlich, wenn der Schluss des Videos auf die Werbekampagnen zur Mass Effect-Reihe verweist, bei denen die Option einer weiblichen Heldin nahezu komplett zu Gunsten des männlichen ausgeblendet wird. Dass die Option, einen weiblichen Shepard zu spielen, wohl unter anderem auch in diesem Zusammenhang nur einen schwachen Anklang bei Spielerinnen und Spielern gefunden hat, ist also nicht weiter verwunderlich.

Die nach wie vor recht spröde Präsentation und die etwas ermüdenden Aneinanderreihungen von Beispielen sollten deshalb nicht darüber hinwegtäuschen, dass Anita Sarkeesian auch dieses Mal wieder einen wichtigen Teil zu der Aufarbeitung von sexistischen Stereotypen innerhalb dieses heißgeliebten, aber auch verdammt machohaften Mediums leistet. Denn nur, wenn man durch diese beispielhafte Art der Aufklärung von Zeit zu Zeit mit der Nase in die Scheiße gedrückt wird, kann auf lange Sicht verhindert werden, dass einem ein großer Teil der Spielentwickler auch zukünftig in Form solch degradierender Frauenbilder in die Wohnzimmer kacken.


Jagoda Ms. Male Character ist eine sehr analytische und unaufgeregte Folge. Das Thema ist bedeutend, da das Weibliche als Abweichung vom männlichen Standard betrachtet, eines der sehr tief gehenden Probleme der meisten westlichen und östlichen Kulturkreise ist. Dass sich das nicht nur in Videospielen, sondern in allen Kulturprodukten wiederfinden lässt, hat Anita bereits zu Beginn klar gestellt. Für mich bettet sich das somit schön in einen größeren Kontext ein, der deutlich macht, dass natürlich Videospiele nicht per se das “böse und diskriminierende” Medium sind, sondern eben auch Produkte ihres Umfelds und ihrer Kultur und genau wie Film, Comic und Literatur sich mit ihren Schwächen auseinandersetzen müssen. Aber ich hatte ja keine Ahnung, wie lächerlich oft diese bunten Schleifchen zur Brandmarkung eingesetzt werden! Get over it please.

BenDie erste Folge, in der mir das Youtube-Erklärbär-Format nicht negativ auffällt. Deutlich lockerer in Schnitt und Präsentation kann Sarkeesian mit anschaulichen Beispielen zeigen, wie EntwicklerInnen Weiblichkeit im Charakterdesign als Ausnahmezustand konstruieren. Allerdings gelingt es ihr erstmals nicht, die Dimension des dargestellten Topos zu verdeutlichen. Die Beispiele wiederholen sich und sind in der ersten Hälfte sehr japan- und comiclastig, ohne dass ersichtlich wird, ob sich der Topos auch nur auf diese Sphären beschränkt. Anders als bisher, fehlt es dieses mal auch an der akribischen Dokumentation bei Tumblr. Wenn sich ihre Argumentation vom eingangs postulierten Ms. Male Character-Topos löst und einen größeren Themenkomplex anspricht, gewinnt das ganze deutlich an Fahrt, vor allem wenn das prominente Gegenbeispiel “Mass Effect” hinsichtlich seiner Vermarktung dekonstruiert wird.

Micha Rein formal ist diese Ausgabe die fortgeschrittenste von allen bisherigen: Sarkeesians Monologe werden diesmal viel öfter mit gut recherchierten Bildern unterbrochen und generell wirkt die Informationsvermittlung deutlich flüssiger. Toll auch, dass ihr grimmiger Blick etwas gewichen ist. Früher hatte ich immer den Eindruck ihre Stirn würde gleich platzen, weil sie sich so sehr zusammenreißen muss. Problematisch ist eher die inhaltliche Struktur: Sarkeesian spricht ein wichtiges und potentiell spannendes Thema an, bleibt aber ganze 20 Minuten an immergleichen Beispielen hängen. Wir begreifen als Zuschauer schnell, das jene weit verbreitete Darstellung von weiblichen Charakteren ein blödes und dennoch stark strapaziertes Klischee ist, aber nach dem tollem Einstieg wäre das Paradebeispiel mit Angry Birds völlig ausreichend gewesen. Als es dann zum Schluss endlich mit Mass Effect zu augenschleinlich erwachseneren Spielen kommt, bleibt sie uns weitere Recherche zu diesen Werken schuldig. Was bleibt, ist eine wichtige Aufarbeitung eines Tropes, der seinen Ursprung vor allem in der frühen Medienvergangenheit und in Trickfilmen fand, in diesem Beitrag aber auch gefühlt dort bleibt. Dieses Problem auch auf andere Werke zu übertragen und die immer wieder angedeuteten “tiefgreifenden Folgen” optimal herauszuarbeiten, ist eine Aufgabe, die die aktuelle Episode von “Tropes vs. Women” leider nur im Ansatz erledigt.