Commodore 64 — LOAD"30 JAHRE",8,1


Wer die vergangene Woche nicht mit verbundenen Augen durchs Netz surfte, dürfte womöglich mitbekommen haben, dass der Commodore 64 im Januar 1982 — also vor exakt 30 Jahren — erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Besagtes Ereignis fand im Zuge der CES (Consumer Electronics Show) in Las Vegas statt.

Bis zur Fertigstellung und Auslieferung des Computers vergingen noch ein paar Monate (August/September) und da auf der CES lediglich ein Prototyp gezeigt wurde, könnte man sich streiten, in welchem Monat denn nun der Geburtstag des Brotkastens aus dem Hause Commodore zu feiern sei. Ja, könnte man — oder man schnappt sich einfach ein Stück Kuchen und schwelgt in Erinnerungen. Folgende Haudegen waren so freundlich, mir (und somit auch euch) persönliche Rückblicke zukommen zu lassen:


Gregor Kartsios

Der C-64 wird also tatsächlich 30? Angesichts der Tatsache, dass es bei mir vor ein paar Jahren ebenfalls so weit war, sollte es mich nicht verwundern. Und doch weigert sich die Stimme in meinem Kopf, dieses kleine technische Wunderwerk als antike Hardware anzusehen… aber egal.

Dafür verbinde ich viele, schöne Erinnerungen mit der alten Kiste. Für mich sind Games nicht nur „kurze Fetzen der Unterhaltung“, die irgendwann mal durchgezockt werden und dann auf Nimmerwiedersehen verschwinden, sondern mehr wie ein virtuelles Fotoalbum. Eine Starthilfe fürs Hirn, um Gedankengänge und Emotionen vergangener Tage ans Licht zu fördern. Was war damals eigentlich los? Und wie habe ich mich dabei gefühlt?

Deshalb werde ich mich jetzt nicht in irgendwelche Technik-Specs vertiefen und mich ellenlang über die 64K Arbeitsspeicher auslassen. Klischee-Floskeln Marke „Brotkasten“ versuche ich auch zu vermeiden – ich hatte eh das viel coolere „C-64 II“-Modell! Meine Oma hatte es mir zusammen mit einer Datasette zum Geburtstag geschenkt, nachdem ich monatelang gequengelt habe. Hoch und heilig musste ich versprechen, dass ich auch meine Hausaufgaben damit mache… wie ich das anstellen soll, wusste ich nicht, und rausgefunden habe ich es auch nie.

Von da an hat mich der C-64 viel Zeit meiner Kindheit gekostet – im positiven Sinne. Ich weiß noch, wie ich „Giana Sisters“ durchgespielt habe, direkt am Abend nachdem Deutschland 1990 Fußball-Weltmeister in Italien geworden ist. Franz Beckenbauer ist noch gedankenverloren über den Platz geschlendert, und ich habe im Hintergrund schon das Spiel laden lassen.
Ein anderes Mal war ich mit meiner Mutter beim Karstadt und habe mir (zu einem späteren Geburtstag) ein originales „Zak McKracken“ gewünscht. „Maniac Mansion“ war mein absolutes Lieblings-Spiel – ich hatte zwar mächtig Schiss vor den Edisons und den Tentakeln, was mich aber nicht davon abgehalten hat, es monatelang zu Zocken. Jetzt hatte ich tatsächlich den sündteuren Nachfolger in der Hand, 70 gigantische D-Mark hat er gekostet! Da war es fast schon tragisch, dass ich erst zwei Jahre später dank dem PowerPlay-Guide den Abspann sah, weil ich das Rätsel mit dem Feuerzeug zu Beginn nie selbst knacken konnte. Zumindest habe ich die tolle Zeitung noch, die dem Spiel beilag.

Ich könnte noch ewig damit weitermachen. Erzählen wie ich in den Sommerferien tagelang Assembler-Code aus den Zeitschriften abgetippt habe. Oder knallhart eine niederländische Verkehrserziehungs-Software spielte, die mir meine Cousins aus Holland mitbrachten. Und da wäre natürlich das glorreiche Jahr, in dem ich kaum was anderes gemacht habe als nach der Schule stundenlang „Pirates“ zu spielen, bis um halb sechs endlich „Al Bundy“ im Fernsehen lief…

Wie dem auch sei, danke „C-64“ für diese Erinnerungen. Ohne dich wäre meine Kindheit halb so spaßig gewesen und es tut mir immer noch Leid, dich eingemottet zu haben als ich auf den Amiga umgestiegen bin. Um der guten, alten Zeiten willen habe ich noch ein kleines Beweismittel aus dem Jahr 1989 ausgegraben –- ich wette, kein 11-jähriger war damals cooler als wir beiden zusammen!

Stephan Schwingeler

Der C64 war meine erste Begegnung mit Computerspielen. Das muss um 1988 oder 1989 gewesen sein. Einen eigenen hatte ich allerdings nie: Bei Nachbarjunge Jan B. gab es einen Commodore mit Floppy, bei Jens F. stand ein C64 mit Datasette im Keller. Jens hatte bald keinen C64 mehr. Vielleicht waren ihm die Ladezeiten seiner Datasette zu langsam und er hat die Lust verloren. Vielleicht haben seine Eltern auch die verbotene Kopie des Rüttelspiels Sex Games bei ihm entdeckt, seinen Commodore einkassiert und ihn rotohrig und computerlos zurückgelassen.

So hatte es sich schnell eingebürgert, nachmittags nach der Schule bei Jans Eltern zu klingeln, um „eine Runde zu zocken“. Wir schlugen Salti in Impossible Mission und wehrten uns gegen die Laserstrahlen der Wachroboter. Wir verkloppten die Ninjas in Bruce Lee und erschreckten uns regelmäßig vor dem „Dicken Grünen“, einem besonders starken Gegner. Dirk hatte auch damit begonnen, kleine Hallo Welt-Programme zu schreiben und mir mit Stolz aber dennoch nonchalant vorzuführen, als wäre es das Einfachste von der Welt.

Mein Liebling war aber das Spiel The Great Giana Sisters. Fantastische Welten taten sich darin auf: Es gab hüpfende Gummibälle, fiese Riesenspinnen und gefährliche Stabmonster, die aussahen wie die sauren Pommes in den bunten Tüten, die wir zusammen mit Wassereis und Wunderkugeln bei Frau Eberle unten an der Bude kauften. Am Ende musste man sich sogar an einem Drachen vorbeischmuggeln, um einen riesigen Edelstein einzusammeln. Wahnsinn!

Einmal, um 1990 war ich bei einem anderen Freund zu Gast. Im Gegensatz zu Jan und Jens aus dem Oberdorf wohnte Thorsten K. im Unterdorf – da kam man nicht so oft hin. Fabian hatte keinen C64 sondern eine Konsole von Nintendo, auf der man verschiedene Kassetten abspielen konnte. Zu der Zeit hatte mir mein Vater schon einen Game Boy von einer Reise ins Post-Wende-Berlin mitgebracht. Ich kannte den Namen Nintendo daher schon und war neugierig und gespannt auf die fantastischen Erlebnisse, die der Besuch bei Thorsten versprach.

Thorsten installierte umständlich eines der Module in seinem Nintendo, schloss quietschend die Plastikklappe und betätigte den Hauptschalter. Was ich daraufhin sah, erfüllte mich mit zwiespältigen Gefühlen; denn schon damals waren „Nachmacher“ verpönt – Leute etwa, die Witze aus Otto – Der Ausserfriesische erzählten und sie für ihre eigenen ausgaben. Was es nämlich auf dem Röhrenfernseher zu sehen gab, war eine nachgemachte, geklaute Version meines Lieblingsspiels The Great Giana Sisters! Mit einem Männchen konnte man durch eine Welt hüpfen und springen. Das Männchen musste Gegnern ausweichen und konnte sie mit einem gezielten, mutigen Sprung ausschalten. Nachdem das Männchen eine Art Pilz eingesammelt hatte, konnte es Steinblöcke zerbröseln – so wie bei den Giana Sisters auch! Nur gab es hier Schildkröten statt Eulen, Pilze statt Wasserbälle – verkehrte, verdrehte, verrückte Welten! Eine Sache musste man sich besonders auf der Zunge zergehen lassen, denn sogar der Name des Spiels war von den Great Giana Sisters abgekupfert: Super Mario Bros.! Ha! Skandal! Da musste sich doch einer was bei gedacht haben! Das passiert doch nicht aus Zufall! Haltet den Dieb! Was für eine dreiste, schlecht verschleierte Kopie!

Ich versuchte Thorsten von dem Umstand zu überzeugen, dass er Betrügern aus Fernost aufgesessen war. Er glaubte mir nicht. Ins Unterdorf kam ich daraufhin noch seltener.

Gunnar Lott

Wer heutzutage einen neuen PC kauft, der packt ihn aus, schmeißt vier Kilo an Broschüren weg, darunter versehentlich die Garantie und die Bedienungsanleitung, aber wer liest schon Bedienungsanleitungen, wir sind ja Profis, also aus dem Fenster damit, wir checken das schon. Man schaltet an, wundert sich über die erstaunliche Hochstartgeschwindigkeit eines frischen, noch unvermüllten Windows und denkt vielleicht schon mit mildem Schauder daran, dass sich in etwa zwei Wochen in den schlecht durchbluteten tieferen Schichten des Betriebssystems so viel Datenschlamm gebildet haben wird, dass man nach dem Anschalten auch getrost erst einmal die Katzen füttern, die Freundin anrufen und »Die Gebrüder Karamasow« lesen kann. Dann schiebt man derlei defätistische Gedanken beseite, schaut nach der vorinstallierten Software, klickt ein bisschen rum, versucht vielleicht mutig eine Internet-Verbindung herzustellen und so weiter. Schon schön, das alles.

Als ich damals meinen ersten PC auspackte, es war ein C-64 und somit eigentlich gar kein offizieller PC, sondern nur ein Heimcomputer, obwohl das eigentlich eine blödsinnige Unterscheidung ist, aber egal, damals also war das alles ganz, ganz anders. Da gab es keine intuitive Oberfläche, nur diesen kryptischen blauen Eingabebildschirm. Nichts war zu sehen von all den tollen Sachen, die das Ding können sollte. Dabei hatte ich doch meinen Vater erzählt, dass die neumodische Maschine »mir toll bei den Hausaufgaben helfen kann«. Diese bestechende Argumentationslinie war mir von einem Schulfreund nahegelegt worden. Naja. Sinn bekam das alles erst, als ich (per »Datasette«, einem cremefarbenen Kassettenrekorder!) die ersten Spiele laufen lassen konnte. Anekdote am Rande: Tatsächlich habe ich meinen besten Freund Marco am Vorführ-C64 des örtlichen Quelle-Ladens kennen gelernt, wo die Holzmindener Dorfjugend ihre ersten Gehversuche mit Raubkopien unternahm und zu Hunderten Spiele getauscht hat. Die Chose mit den Spielen hat dann logisch und mit nur wenigen Umwegen zu meinem heutigen Beruf geführt. Ahem. Was mich daran erinnert, dass ich vor Jahren in einem Vorstellungsgespräch einem hoffnungsvollen Jungredakteur in spe mal gesagt habe, ich würde »Spielekenntnis bis zurück zum C-64« erwarten. Worauf er mich anschaute, als sei ich ein besonders lernschwaches Kind und mich in ruhigem, aber bestimmten Tonfall darauf hinwies, dass es ja wohl »N64« heißen müsse.

Warum erzähle ich das alles eigentlich? Ach, um der ungewaschenen Jugend von heute mitzuteilen, wie beschwerlich das Leben früher in der Pionierzeit war. Wir hatten ja nichts, damals. Absurd, wie stolz ich war, wenn ich ein Simpel-»Programm« hinbekommen habe, das nichts weiter tat, als den Screen farbig aufblinken zu lassen und ununterbrochen ALLE SIND DOOF AUSSER ICH hinzuschreiben. Und heute? Heute machen fünfjährige Gören Power-Point-Präsentationen für die Projektwoche im Kindergarten, stellen Kurzfilme auf Youtube und hacken sich in den Pentagon-Zentralcomputer ein und so was. Schlimm.

Johnny Haeusler

Wäre der C64 der einzige Massenmarkt-PC geblieben, dann würde ich heute mein Geld mit Kleinkunst in der Fußgängerzone verdienen. Jonglieren oder so.

Man konnte sich nämlich mit einem C64 zwar wunderbar wie ein Bankangestellter fühlen (hässliche Kiste mit Klotz-Tastatur vor einem, endlose Wartezeiten und Dauerprobleme beim Laden von Datassetten-Software), aber von kreativer Inspiration war nichts zu spüren, es sei denn, man hält das stundenlange Abtippen von Basic-Programmen, die durch winzige Fehler im Original nie funktionierten, für einen Akt des Schaffens statt des Irrsinns.

Nein, der C64 hat mich nie überzeugt und noch heute halte ich ihn für den Vorfahren des “PC” und damit für mitschuldig an den Jahren verlorener Lebenszeit vieler Menschen, die graue Kisten aufschraubten, um ihre “Grafikkarten”, “Soundkarten” und “Chipsätze” gegen neuere und teurere Modelle auszutauschen, die mit der vollendeten Installation der jeweiligen “Treiber” bereits wieder veraltet waren.

Sucht man nach den wahren Helden der “Personal Computer”-Geschichte, muss man sich dem Amiga in Sachen Video und Animation sowie dem Atari ST hinsichtlich der Revolution des Musikmachens zuwenden. Diese beiden Geräte haben mehrere Generationen und auch mich zu neuen Kreationen angestachelt, zu Kunst gar –- der C64 hingegen war der schlecht sitzende Konfirmationsanzug der Computerlandschaft.

Ich fand aber den SX-64 irgendwie cool.

Valentina Hirsch

Es gab Phasen meiner Schulzeit, da sorgten Dinge wie Weberlis vom Schulkiosk und die Zugehörigkeit zur richtigen Peer Group für ein gewisses seelisches Gleichgewicht. Normales Teenie-Leben halt. Leute, die irgend etwas Tolles haben, sind in Cliquen immer gerne gesehen. Unter Umständen berechtigt das auch erst dazu, dabei sein zu dürfen.

In der Grundschule hatte ich eine Freundin, die zu Hause einen Swimming Pool hatte. Wenn man aus Kalifornien stammt, nichts besonderes. Wenn man aus Mittelhessen kommt, schon.

In der Fünften, als ich gerade von einer schweren Tetris-Abhängigkeit halbwegs genesen war, gab es diesen Schulfreund mit C64 zu Hause. Da ich selbst in meiner Jugend unter ein hartes Medien-Embargo fiel – überhaupt nur pädagogisch Wertvolles war zulässig und nur in homöopathischen Dosen – war sowas schon ziemlich toll.

Zu Besuch mit einer Freundin dort, kam Summer Games II zum Einsatz. Abgesehen vom mäßigen Zugang zu Videospielen (Medien!Embargo!) hatten mich bis dato eher die simplen Vergnügungen wie das genannte Tetris (für die jüngeren: Heute heißt das Casual Games und ist für Hausfrauen) gefesselt. Aber hier: Pferde! Reiten! Ich war hin und weg.

Die Pixelgäule waren auch schnell hin und weg. Die Gäule gaben Gas, wenn man den Joystick-Hebel nach oben zog. Wenn der Zosse aber zu schnell wurde, gabs eine Bruchlandung: das Pferd warf einen bei der Landung ab. Und wenn man den richtigen Absprungpunkt verpasste, verweigerte das Pferd. Das ist, btw, total realistisch. Und sowas ist ja immer voll scheiße im Spiel. Man musste dann, wenn ich mich richtig erinnere, den Joystickhebel nach unten bewegen, um zu wenden und dann nach oben, um den Ritt fortzusetzen. Kurz: Gefragt war Timing und wildes Gerüttel am Joystick wenig hilfreich. Ich hatte ziemlich schnell die Nase voll, weil gewinnen so gar nicht drin schien. Ich weiß nicht, wie viele Spiele an diesem Nachmittag noch zum Einsatz kamen. Damals, als man Spiele nicht kaufte, war die Auswahl riesig. Jedenfalls in meiner Erinnerung. Ich habe dann den beiden Schulfreunden den C64 überlassen und mich dem für mich zweitinteressantesten Ding im Raum gewidmet. Dem wuscheligen Familienhund.

Unterdessen kam meine Mutter um uns beide abzuholen und rauschte mit der Mutter des Schulfreundes ins Zimmer: „Ich wusste, MEINE Tochter interessiert sich NUR für Tiere, nicht für Computer!

Nunja. Ich habe vornehm geschwiegen. Einen Hund habe ich heute selbst. Und Videospiele mag ich auch. Geblieben ist mir aber bis heute eine solide Abneigung gegen ultrarealistische Sportsimulationen.

Toni Schwaiger

Mein erster „Heimcomputer“ – ja, so hießen die Dinger damals – war eigentlich ein Commodore VC-20. Aber nach den ersten Basic-Gehversuchen war klar: 3,5 Kilobyte freies RAM beglücken keine angehenden Programmiererherzen. Also Muttern bejammert und den großen Bruder wenige Monate später erstanden. Mit 40 Zeichen pro Zeile und der über zehnfachen Speicherfreiheit!

Aber was tun mit diesen damals unendlichen Weiten? Schnell war das Projekt „ToyTexter“ in der Mache, denn: Die Facharbeit in Physik galt es zu schreiben, und keine Textverarbeitung vermochte damals meinem Nadeldrucker Umlaute zu entlocken. Tatsächlich wurden sowohl Programm als auch Facharbeit rechtzeitig fertig und irgendwie beide gar nicht so übel.

Angeregt durch mit Freiexemplaren versorgte Freunde bot ich sie (die Software, nicht die Facharbeit) also ganz frech einer Handvoll Verlage an und hatte spontan Erfolg: Sybex aus Düsseldorf schnappte sich die Rechte. Damals verstand ich die mit Nachdruck gewünschte Titeländerung in „StarTexter“ nicht so ganz, zurückblickend bin ich dem Verlag – hüstel – sehr dankbar.

Im Sommer 1985 war mein Programm schließlich in den Regalen und mein Abischnitt deshalb im Keller. Drei mir unerklärlich lobhudelnde Testberichte später stürmte das Ein-Mann-Projekt die Verkaufscharts, und ich wurde in die Mühlen des Marketings gezogen. Sprich: Eine passende Dateiverwaltung (StarDatei) musste nun ebenso flott her wie spezielle Versionen beider Programme für den noch größeren Bruder C128.

Die StarTexter-Version ließ sich schnell und schön adaptieren, endlich konnte ich alle 80 Zeichen in einer Zeile ohne Scrollen genießen. Bauchweh bereitete mir hingegen StarDatei 128. Das Ding war von mir als „elektronischer Karteikasten“ konzipiert, sowohl die Bildschirmmaske als auch das Disketten-Dateiformat der C64-Version waren streng auf 40 Zeichen Breite ausgelegt. Aber bekanntlich gibt’s ja auch für Programmierer nur Lösungen, keine Probleme.

Meine – recht individuelle – Lösung resultierte in einem interessanten Anruf des Sybex-Lektors. Er sei gerade am Testen der C128-StarDatei und habe das Problem, irgendwie nicht in den 80-Zeichen-Modus wechseln zu können. Das stimme schon so, entgegnete ich und versuchte meinen genialen „Workaround“ über viele hundert Kilometer Luftlinie hinweg zu erklären: Um Layout und Datenformat kompatibel zu halten, also äußerst kompatibel, hatte ich den C128-Zeichensatz in StarDatei so geändert, dass immer zwei nebeneinander liegende Buchstaben ein einziges neues Zeichen doppelter Breite bildeten. So reduzierte ich die Zeichen pro Zeile softwaremäßig von 80 auf 40 und meine Datenwelt war wieder in bester Ordnung!

Es ist mir nicht bekannt, wie der Lektor damals seine Atemnot und das Herzrasen in den Griff bekommen hat. Aber auch ich habe Narben davongetragen: Freunde huldigen meinen damaligen Programmierkniff auch heute noch gerne mit der Auszeichnung „40-Zeichen-Toni“.

Nils Ehring

Von wegen LOAD“BLABLUBLABLUB“,8,1. Nix da. Frottee und Filz: Das sind die ersten Dinge an die ich denke, wenn mir jemand die Abkürzung C64 ins Ohr flüstert. Aus kuscheligem Frottee waren meine Theme-Schlafanzüge (Masters of the Universe, Star Wars, et cetera), in denen ich vor dem braunen Kasten vor mich hinvegetierte. Filz war der Stoff, aus dem der große Teppich war, der unser halbes Kinderzimmer bedeckte und eine ganze Stadt abbildete.

Während andere Kinder ihre Matchbox-Autos auf dem Miniaturstädtchen Gassi führten, saß ich auf diesem wie Godzilla in der Mittagspause. Fahrradfahren, Fußball spielen, musizieren: Das brauchte ich alles nicht. Wozu auch? Ich konnte die Welt von meinem Kinderzimmer aus erobern. Von dort aus konnte ich Kriege führen, Prinzessinnen befreien, Autorennen gewinnen, Lehrer überfahren und an allen erdenklichen Olympiaden teilnehmen. Und so starrte ich im Schneidersitz geradeaus auf den Schwarz-Weiß-Fernseher (inklusive dieser klobigen Drehregler zum Umschalten), der meiner Milchbubivisage das Antlitz von Nosferatu verlieh und krächzende Klänge auf die Reise schickte, wie ein Radio, dem langsam der Saft ausgeht. Der Commodore 64 hatte einen ganz besonderen Platz in unserem Kinderzimmer: direkt neben der Tür. Damit auch ja jeder Besucher sehen konnte, mit was für High-Tech-Geräten unsere Familie ausgestattet war. So etwas wie Computertische gab es damals noch nicht. Mein C64 stand dort, wo zuvor der VC 20 und all die späteren Spaßmaschinen (Amiga 500, Amiga 2000, Vectrex, Super Nintendo, et cetera) stehen sollten: auf der Geräteverpackung.

Was die Spiele betrifft, erinnere ich mich hauptsächlich an den subversiven, für die damalige Zeit auch grenzüberschreitenden Kram. Virtuelle Sternstunden wie die matschigen Blutflecken aus „Teacher Buster“ sind mir genauso im Gedächtnis geblieben wie die nackten Schultern der befreiten Maid im wunderschönen „Defenders of the Crown“, die Spannungsmomente aus „Airborne Ranger“ und die unverwechselbare Titelmusik von „The Last Ninja“, die mir heute noch eine Gänsehaut bereitet. Dass ich meinen Schatz samt der sechs prall gefüllten, abschließbaren Diskettenboxen (die Schlüssel dazu trug ich natürlich am Schlüsselbund) aus kindlicher Naivität verkauft habe, bereue ich noch heute. Die vielen Stunden puren Spaßes, die Kopiersessions mit den Doppelkassettendecks, die dutzenden Joysticks, die aus Wut an der Zimmerwand landeten und die zahlreichen blauen Flecken, die ich von meinem älteren Bruder kassierte, weil ich ihn mal wieder bei „Skate or Die“ geschlagen hatte, hingegen kein Stück.

Ich vermisse deine schokofarbenen Tasten und deine Rundungen. Alles Gute zum Geburtstag, mein Dreh- und Angelpunkt vergangener Tage.

Michael Herzog

1982 war ein unspektakuläres Jahr für meine jungfräuliche Zockerseele. Die größten spielerischen Herausforderungen, denen ich begegnete, waren das eigenständige Zubinden meiner Schuhe, das Erstellen einer Tiefeneinschätzung meiner Umgebung, die auch mit stark unterschiedlichen Sehstärken funktioniere und das Erreichen einer gesellschaftlich annehmbaren Zeit in der Kategorie Wasserhalten nach exzessivem Konsum von Fencheltee. Sprich, als die Firma Commodore den legendären Heimcomputer enthüllte, den sie bis zum Wendejahr produzieren sollten, war ich noch im Kindergarten.

Für die Produkte dieser Firma war bis zu ihrem Untergang kein Platz im Haus meiner Eltern. Ohne auf meinen sozialen Status Rücksicht zu nehmen, schaffte meine Mutter einen rechteckigen Staubsauger, der auf dem Papier zwar achtmal so schnell war wie dieser „Brotkasten“ und zehnmal soviel Speicher hatte, für mich aber wenig mehr tat, als vier verschiedene Gelbtöne auf den Bildschirm zu malen und mitleidig herumzupiepsen.

Dieser C64 allerdings, das war eine magische Maschine. Die Tastatur war irgendwie nicht so toll und die Schrift irgendwie nicht so gut lesbar, aber was der alles konnte! Die richtigen Peeks und Pokes zauberten psychedelische Farbenspiele auf den Monitor und brachten das Gerät zum Singen. Seltsame Ansteckmodule brachten das Diskettenlaufwerk auf Trab, so dass man sich nicht erstmal ein Brot machen musste, während man auf das Laden eines Programms wartete. Und überhaupt — jeder C64 schien mit einer Diskettenbox voller Schätze zu kommen, die entdeckt werden wollten. Wer die Spiele auf die Diskette packte, darüber machte ich mir keine Gedanken.

Der C64 machte außerdem mobil! Denn der nächste Schulkollege mit so einer Maschine wohnte in Oer-Erkenschwick, was für den Nachwuchsnerd auch dem mit Fahrrad ganz schön weit weg war. Dort erlebte ich dann auch einen wichtigen Meilenstein in meiner Gamerkarriere – die erste durchzockte Nacht! Nachdem wir den Tag im nahegelegenen Freibad verbracht hatten, kam es uns beiden in den Sinn, eines unserer damaligen Lieblingsspiele auch wirklich durchzuzocken. Anders als heutzutage war es keinesfalls selbstverständlich, dass man seinen Spielfortschritt abspeichern konnte. Es galten noch die Gesetze der Arcade, wo nur der Highscore zählte und der Spielfortschritt durch raue Menge von Kleingeld gesichert werden wollte.

Auch Bubble Bobble wurde eigentlich für den Automatenpark neben der Schlittschuhbahn entworfen und so hieß es für uns Zwei – Joysticks geölt, Handgelenke massiert und los. Schon nach wenigen Stunden machte uns ein unverhoffter Gegner zu schaffen, vor dem man noch mehr auf der Hut sein musste, als vor dem Timeout-Zombie. Die Eltern meines Schulkollegens zeigten sich wenig begeistert von unserem Unterfangen und hatten die seltsame Idee, dass ausreichend Schlaf wichtiger sei, als die Komplettierung eines Computerspiels. Und das sollten die Erwachsenen sein – Wahnsinn, ich weiß! Dank Erweiterungsmodul konnten wir das Spiel anhalten und kurzzeitig Schlaf vortäuschen, während es mit gedämpftem Sound schon nach wenigen Minuten weiterging. Verraten haben uns am frühen Morgen dann die Jubelschreie, als der grässliche Riesenkobold von Level 100 endlich das Zeitliche segnete. Oder es war mein höhnisches Lachen, weil der Kollege die Hauptarbeit gemacht hatte und ich trotzdem mit dem glücklichen letzten Blitz die 1.000.000 Bonuspunkte einstreichen konnte. Wir werden es nie erfahren.

Wie das so ist mit den Computern von fremden Leuten, erfolgte das kreative Erwachen auf dem eigenen System daheim -– der Versuch, es sich auf der Ausstellungspalette im örtlichen Karstadt allzu gemütlich einzurichten, wurde von den dort ansässigen hauptberuflichen Nerds der Computerabteilung mit Hausverbot beantwortet. Diese Geschichte hebe ich mir aber für das goldene Jubiläum des C64 auf.

Bis dahin, herzlichen Glückwunsch zum 30. Geburtstag, du alter Sack. Feier schön und genieße es, wenn die jungen Leute immer noch neumodische Geräte in dich reinstecken wollen. Soviel Spaß haben deine digitalen Altersgenossen nicht mehr.

René Walter

Meine PLK-Nummer war 034331D. PLK steht für Postlagerkarte und die Dinger wurden von Swappern und Tradern der deutschen C64-Szene genutzt, um halbwegs anonym die neuen Cracks und Demos zu tauschen. Die Pros machten das natürlich bereits per BBS und Modem, ein Bekannter von mir, ehemaliges Mitglied der deutschen A.C.E. benutzte einen Akustikkoppler. Das waren die richtigen Swapper. Ich als C64-Scene-n00b latschte jeden Tag zur Post und holte mir ein paar Päckchen ab, ein paar Kontakte hatte ich mir über Kleinanzeigen in der 64er zusammengeschrieben und ich hatte, nachdem man mich vor einem gewissen Günter Freiherr von Gravenreuth gewarnt hatte, sorgfältig drauf geachtet, einer gewissen Tanja konsequent aus dem Weg zu gehen.

Meinen C64 hatte ich 1986 bekommen, 12 Jahre war ich da alt. Leider nicht mehr den Brotkasten, sondern den C64 II, aber immerhin: Mein erster Computer. Vorher hatte ich die ersten Konsolen, einen Pong-Clone von Philipps namens Telespiel ES 2203, danach das obligatorische Atari 2600. Und dann kam mein C64. 600 Mark hat mein Papa damals im 165 Jahre alten Spielwarengeschäft Faix in Darmstadt auf den Tisch gelegt, eine Datasette hatte ich gleich dazubekommen und zuhause schmiss ich das Teil an und schaute mir 5 Minuten lang den blinkenden Cursor an. Dann hab’ ich BASIC gelernt. Zusammen mit ein paar Schulfreunden haben wir im folgenden halben Jahr rudimentäre Rollenspiele „entwickelt“ (Parser aus einem C64-Special abgetippt und versucht, das in eigene Storys einzubinden… wir haben’s natürlich nie fertigbekommen). Ich habe angefangen, eigene Fonts zusammenzupixeln und Sprites zu animieren (heute sagt man „Animated GIF“ zu sowas) und überredete Papa, dass ich unbedingt eine 1541 brauchte. Ich besorgte mir ein paar Games von meinem Cousin (der hatte einen Brotkasten und bei ihm habe ich zum ersten mal Summer Games, Lode Runner, Frogger und Blue Max gezockt), aber ich wollte mehr.

Django hatte seinen C64 ungefähr ein Jahr vor mir bekommen und er war derjenige, der „jemandem aus der Scene“ in meinem Kaff am nächsten kam. Wir waren zusammen konfirmiert worden und kannten uns ein bisschen. Mit dem fing ich an, Games zu tauschen. Heißt: Ich kam mit meinen zehn 51/4“-Disks voller Games bei ihm rum und ging mit 20 wieder nach Hause. Mit dieser Grundausstattung begann ich, ein paar der Trader aus den Kleinanzeigen der 64er anzuschreiben. 95% antworteten nicht, aber auf einmal hatte ich zwei Kontakte und es wurden mehr. Ich legte mir eine Postlagerkarte zu und ein Adressbuch, gründete mit Schulfreunden eine ultralame Gruppe nahmens HQS (High Quality Service), wurschtelte ich mich langsam aber sicher in die Cracker-Scene und legte mir endlich einen richtigen Namen zu: Damien. Schließlich hatte ich einen Kontakt bei Opal, die auch noch aus einem Kaff in der Nähe stammt. Die kamen aus Weinheim, man verstand sich und ich wurde endlich Mitglied in einer einer richtigen Gruppe. Das muss so 1987 gewesen sein und als meine Kontaktliste ungefähr hundert Namen lang war, begann ich endlich, mit dem berühmten Antichrist von Genesis*Project zu tauschen. Ein berüchtigter Trader mit hunderten Kontakten, Genesis war damals in Deutschland die beste und schnellste aller Crackergruppen und mit deren Releases auf meinen Disks war ich schnell einer der bekannteren Swapper in Land.

Zu diesem Zeitpunkt tauschte ich schon lange nicht mehr auf einer „Disk-gegen-Disk“-Basis, sondern erstellte mit den Demos und Cracks, die mir geschickt wurde – das waren mittlerweile am Tag mindestens 3 Päckchen aus ganz Europa – eigene Disks und schickte circa jede Woche zwei Disketten raus, jeweils an circa 30 Kontakte. Die Disketten steckte man in selbstkopierte Disk-Cover mit Ausschnitten aus Comics, selbstgemalten Graffiti, dem Gruppenlogo und natürlich der Kontaktadresse (Damien/Opal, PLK034331D, 6086 Riedstadt 6). Da das nicht ganz billig ist, gerade für einen Schüler, bedienten sich Swapper folgender Tricks: Die Briefmarke mit Tesafilm überkleben, um den Stempel abwischen zu können oder meine Variante: 5-Pfennig-Marken benutzen, was in 99% aller Fälle von den Post-Mitarbeitern nicht bemerkt wurde. Jemand erzählte mir ein paar Monate später, dass ich (bzw. mein Alter-Ego) wegen Post-Betrugs (leider nicht wegen Urheberrechts-Schnickschnack) auf der Fahndungsliste der Polizei stand. Ich weiß nicht, ob das erfunden war, aber ich war ein bisschen stolz drauf und ab da schaute ich mich vorher zweimal um, bevor ich in die Post ging, um meine Päckchen abzuholen. Ich hatte schon ein paar Storys mitbekommen von Tradern, die beim Abholen ihrer Disks von der Polizei abgefangen wurden.

Schließlich wurde ich recht dicke mit Antichrist, er verschaffte mir den Kontakt zu OMG von Amok – beide waren dieselbe Person, nachdem die Polizei seinem ehemaligen Pseudonym TNT einen Hausbesuch abgestattet hatte und er öffentlich nur noch als OMG auftrat, während Antichrist als der mysteriöse Über-Trader von Genesis Project im Verborgenen blieb –, für den ich eine Ausgabe des damals größten deutschen Szene-Diskmags Sex’n’Crime machte (die Nummer 17, ich steh in der C64SceneDB als „Rene“ in den Credits) machte und nach einem Besuch bei ihm und Scrap (Grafiker von G*P) wurde ich Swapper bei Genesis. Mein Adressbuch wurde dicker und dicker, neue Kontakte waren ab hier kein Problem, ich bekam mittlerweile bis zu 20 Päckchen am Tag und besaß sieben Kisten, alle randvollgestopft mit Cracks, Demos, Diskmags und Blödsinn aus der Szene. Ich hatte es geschafft, ich war bei der größten Cracker-Crew aus Deutschland.

Danach verlor ich schnell die Lust am C64 und an der Scene, ging lieber auf Parties und hatte auf einmal ‘ne Freundin. Als Genesis mich Ende 1990 „because of Lameness“ rausschmissen, bekam ich das gar nicht mehr mit. Ich war damals 17, meine zwei besten Freunde hatten gerade ihre Führerscheine bekommen und einer besaß ein Auto. Wir waren schon eine Weile stoned auf dieser neuen Musik hängengeblieben, die sich Techno nannte und eines Freitag abends beschlossen wir, in dieses berühmte Omen nach Frankfurt zu fahren, wo ich zwei Jahre später auf Acid im Parkhaus auf einen schlechten Trip kam. Aber das ist eine andere Geschichte.

Greetings to: Amok, Genesis*Project, Blackmail, Fairlight, Legend, 711, Success, DCS, Crest, Illusion, Opal, Megastyle, Light, Science451, Derbyshire RAM, Hotline, Manowar, FBR, Ikari+Talent, Dominators, Crazy, Censor, Bones, Action, Paramount, XTC, Nato, Bonzai, Triad.