10 Second Ninja: Nazis raus!
10 Second Ninja ist ein Spiel, so originell wie die samstagabendlichen Stammtischparolen in einer Rostocker Eckkneipe. Das fast schon überdeutlich an Super Meat Boy erinnernde Jump ’n‘ Run, in dem man in die Rolle eines Ninjas schlüpft und innerhalb von 10 Sekunden eine bestimmte Anzahl an Weltraum-Robotern besiegen muss, wirkt zunächst ganz unscheinbar und niedlich. Das flüssige und präzise Gameplay mit seinem signifikanten Trial and Error-Prinzip kommt sogar verdächtig nahe an die motivierende Fehlschlagorgie des erwähnten roten Fleischklumpens heran, lässt aber dann doch zu spürbar dessen Charme und Individualität vermissen. Weil nichts in diesem Spiel ungesehen ist. Höchstens die Plumpheit, mit der es sich bei einem eher unentspannten Thema deutscher Geschichte bedient.
Bevor ich jedoch näher darauf eingehe und mich womöglich zu sehr auf diesem Nebenschauplatz verlaufe, zunächst ein paar Eindrücke zum Spielablauf abseits dieser Geschichte: Wie ein Flickenteppich aus bekannten Genrestandards und Spielmechaniken, wirkt 10 Second Ninja direkt seltsam vertraut. Unter Zeitdruck hüpft man durch Waldlevel, Eislevel, Berglevel und natürlich zum Schluss durch die Festung des Bösen, bohrt wahlweise die vom Videospielninjakodex vorgeschriebenen Katana oder Wurfsterne in die regungslos in der Gegend herumlangweilenden Blechopponenten, während man zudem so innovativen Fallen wie Bodenstacheln oder bröckelnden Steinen ausweicht. Am Ende jeder Welt darf natürlich der obligatorische Bossfight nicht fehlen, der sich jedoch spielerisch nur dahingehend von den anderen Leveln unterscheidet, dass man dreimal (ach!) den selben Gegner hauen soll. Je nach Schnelligkeit bekommt man für das Abschließen eines Levels bis zu drei Sterne, von denen man eine bestimmte Anzahl benötigt, um die nächste Welt freizuschalten. Wie bei Angry Birds also. Oder jedem zweiten Spiel im Itunes-Store. Nur dass der Schwierigkeitsgrad bei 10 Second Ninja bereits zu Beginn vergleichsweise hoch angesetzt ist. Und mag die Hintergrundgeschichte zwar ähnlich belanglos wie die der argwöhnischen Piepmätze erscheinen, bedient sie sich doch, wie eingangs erwähnt, eines äußerst einfallslosen und gänzlich unnötigen Schockeffekts: Nazis!
“Ninja’s are awesome, this is an established fact of the universe. Nazi Robots from space however are not. They are trying to take over the Earth and their leader Robot Hitler is out to get you, the world’s first ninja.”
Ein Ninja, der allein gegen eine Übermacht von Weltraumrobotern kämpft, böte für sich genommen schon ein hinreichend absurdes Setting, dennoch sah sich der Entwickler anscheinend dazu gezwungen, der in Deutschland nicht verfügbaren Originalfassung einen nationalsozialistischen Anstrich zu verpassen, indem er die fiesen Maschinen und Hintergründe mit Swastiken vollgepinselt und einen körperlosen Robot Hitler als (An-)Führer auserkoren hat. Warum? Diese Frage stellt sich offenbar im Ausland des Öfteren gar nicht, weil die Symboliken und Ausdrucksweisen des Nationalsozialismus eher für eine karikaturhafte Überzeichnung des Bösen herhalten müssen, so dass der Bezug zu den Gräueltaten, den man hierzulande aus gutem Grund immer wieder herstellt, dabei verloren geht. Nur wirkt das alles insbesondere bei diesem Titel komplett fehl am Platz, da selbst die technokratische Überzeichnung des Dritten Reiches sowohl von Filmen als auch von Spielen bereits hinreichend abgedeckt wurde und das simple Spielprinzip eine solche Abschweifung überhaupt nicht nötig hätte.
“Bitte beachte, dass die deutsche Version des Spiels sich von allen anderen Versionen unterscheidet. Wir haben alle Referenzen zu Nazi-Robotern und so weiter entfernt. Nicht nur, weil wir denken, dass es richtig ist, sondern weil es gemäß Artikel 86a des Strafgesetzbuches auch eine rechtliche Anforderung ist, wenn wir das Spiel in Deutschland verkaufen möchten. Im Gegensatz zu Ninjas müssen sich Spieleentwickler ans Gesetz halten.”
10 Second Ninja gibt sich dabei so unschuldig, dass man sich fragen muss, warum die Referenz auf einen solch dunklen Zeitabschnitt unserer Geschichte überhaupt herangezogen wurde. In den knappen Zwischensequenzen wird Hitlers Hang zur Malerei parodiert, oder auch seine mutmaßliche Herrschsucht und Rechthaberei gegenüber dem gutgläubigen Gefolge. Das alles wirkt dabei ziemlich aufgesetzt und wie ein völlig grotesker Personenkult, bei dem man sich über die Marotten und Äußerlichkeiten lustig macht, aber die Hintergründe des Individuums völlig ausblendet. Doch vor allem wird durch eine solch unnötige Implementierung des Themas ein Mangel an Kreativität und Selbstreflektion sichtbar, der es am Ende scheinbar nötig macht, das reale Böse als Abziehbild zu verwenden, anstatt sich eigene Gedanken darüber zu machen.
Kann man die Rahmenhandlung ausblenden, ist 10 Second Ninja ein herausforderndes kleines Spiel für geschickte Tastenvirtuosen. Auch darf man gespannt sein, wie viel Sinn die eh schon recht abstruse Begleitgeschichte noch ergibt, wenn hierzulande aus Robot Hitler der gesichtslose „Captain Evil Robot“ wird und sämtliche verfassungsfeindlichen Symbole aus dem Spiel gestrichen werden. Womöglich zieht der Entwickler nun auch seine Lehren aus der Konfrontation mit Artikel 86a des Strafgesetzbuches und verzichtet in Zukunft auf die plakative Wirkung faschistischer Historie. Dann kann Guido Knopp auch endlich seinen mahnenden Zeigefinger wieder aus meinem Auge entfernen und ich mich auf das durchaus gelungene Gameplay konzentrieren.