Animal Crossing: New Leaf
In einer besseren Welt wären alle Dinge, die ich mache, von Bedeutung.
Ich könnte jeden Tag Blumen gießen und meine Nachbarn würden es mit Freuden zur Kenntnis nehmen. Es wäre sehr wichtig: das Blumengießen. Schließlich würden mir die Nachbarn auf die Schulter klopfen, mich für mein Engagement loben und mir danken, dass ich die Nachbarschaft so wunderschön gestalte. Sie würden mit mir Smalltalk halten und ausrufen: “Mit Dir ist alles so viel besser, stupsi!” Das Übliche also.
In dieser Welt führte mein Einkaufsverhalten nach kurzer Zeit zu einer noch schöneren und noch aufregenderen Welt. Der Supermarkt von nebenan “Nepp & Schlepp” könnte allein durch meine Hilfe expandieren und ich bliebe mit dem guten Gefühl zurück, etwas für meine Freunde getan zu haben. Machst du mich glücklich, mache ich dich glücklich.
In einer besseren Welt kann ich mir alle Dinge, die ich möchte, erarbeiten.
In dieser Welt wäre –- anders als in der anderen, der grauen Welt — mein Arbeitsaufwand weder zeitlich noch räumlich entkoppelt von dem zu erwartendem Lohn. Hier kann ich bereits nach drei Tagen die Früchte meiner Arbeit ernten. Seien es Zitronen, Orangen oder leckere Bananen. Die Früchte meiner Arbeit schwämmen auch einfach mal im Meer, ich bräuchte nur meine Angel auszuwerfen und nach einem Leckerbissen zu schnappen. Aber nein! Natürlich wäre ich keine grausame Fischmörderin. Gedanken um Überfischung, Fangquoten und schwierig zu verstehende Beschlüsse aus Brüssel wären mir völlig fremd. Das wäre sehr einfach geregelt, schließlich müsste ich in dieser Welt nichts essen. Keinen Fisch. Keinen Apfel. Keinen Schmetterling.
Ich könnte all diese Kostbarkeiten liebevoll in meinem Album verzeichnen und dann das frisch gefangene oder aufgesammelte Exemplar in das Museum tragen, in dem es wohlbehalten bis zum Ende unser aller Tage -– oder dem des DS-Moduls -– leben könnte. Mit all den anderen Schmetterlingen und Käfern, mit all den anderen Anemonenfischen und Haien. Keine Gedanken, nur Glück.
In einer besseren Welt kann ich Kontakt zu anderen halten.
Das Besondere daran wäre, ich würde den Kontakt zu anderen haben wollen. Es wäre so einfach: Ich rede mit Nachbarn und sie würden mir immer antworten, sie hätten stets ein offenes Ohr und jedes Gespräch artete in eine Überraschung aus. Ich würde mich hangeln von einem lustigen Satz zum anderen, von einem mir überbrachten Geschenk zum anderen. Meine Meinung wäre gefragt und wichtig. Ich wäre wichtig.
Habe ich mal keine Zeit für ein erheiterndes Pläuschchen, würde mir niemand lange böse sein. Notfalls kann ich immer noch einen Brief schreiben und alles wäre wieder gut. Am nächsten Tag könnte ich mir sicher sein, auch einen Brief zu erhalten. Freunde bleiben.
In einer besseren Welt verstehe ich die großen Zusammenhänge.
Meinem reizüberfluteten Gehirn würden nur Fakten zugemutet, die ich ohne Weiteres in einen großen Gesamtzusammenhang einordnen kann. Finanzkrise Fehlanzeige. Prism? Wenn es kein Möbelstück ist, das einer aufregenden Möbelserie angehört, interessiert es mich nicht.
Es ist alles ganz einfach: Wenn ich immer wieder über dieselbe Stelle renne, mache ich den Rasen kaputt. Wenn ich einen Park anlegen möchte, lege ich einen Park an. Dort ist ein Schmetterling den ich haben möchte. Also fange ich ihn. Die Erweiterung meines Häuschens wird in kleinen niedlichen Häppchen abgestottert. Wenn ich es möchte, kann ich es tun. Wenn nicht? Auch gut.
Animal Crossing: New Leaf ist diese eine bessere Welt.
Man spielt und lebt in Animal Crossing.
Animal Crossing: New Leaf benötigt meine Überhöhung nicht. Dem Spiel muss nicht mehr Bedeutung zugemessen werden als nötig. Natürlich ist es nicht die perfekt inszenierte Realitätsflucht, deren Immersion dich in ihren Fängen hält und erst wieder ausspuckt, wenn der Pizzabote Sturm klingelt. Es ist und bleibt ein netter Freizeitspaß. Möglicherweise aber ein Freizeitspaß, der, wenn man das Wagnis eingeht sich darauf einzulassen, einen so schnell nicht wieder loslässt.
Animal Crossing ist eine soziale Sandbox, die dich die Beziehung zu deinen Nachbarn selbst bestimmen lässt, die dich zu nichts zwingt und dir dennoch viele Möglichkeiten in die Hand legt. Nicht zuletzt durch die Realtime-Konzeption spiegelt es unsere analoge Welt wieder, mitsamt der Ladenöffnungszeiten und Jahreszeiten. Eine buntere, lustigere und — an Bedeutung nicht zu unterschätzen –- entschleunigte Welt, in der Pferd und Ziege, Maus und Schaf friedlich zusammenleben und dich, ja dich, ganz schrecklich gern haben.