Bayonetta: Hexe.exe
Wie eine entnervte Mutter im Supermarkt hat Platinum Games am Ende dem Geschrei nach einem Dauerlutscher doch noch nachgegeben. Erziehungstechnisch mag das fragwürdig erscheinen, doch kommt mit Bayonetta sieben Jahre nach den Last-Gen-Konsolen-Varianten tatsächlich noch eine der am lautesten geforderten PC-Umsetzungender der jüngeren Vergangenheit auf den Markt, auch wenn so richtig wohl niemand mehr daran geglaubt haben mag. Entgegen einschlägiger Erfahrungen mit japanischen PC-Portierungen ist diese sogar äußerst gelungen und mit allen Marketingschlagworten gesegnet, die der Schreibtischspielerkaste den Geilheitsspeichel auf die regenbogenbeleuchtete Tastatur tropfen lässt. Zumindest auf halbwegs potenten Rechnern läuft die chaotische Hack-and-Slash-Action deshalb auch deutlich flüssiger und hochauflösender ab als jemals zuvor. Und konnte ich zu PS3-Zeiten noch während der Ladepausen an meinen Kampfkünsten feilen, so fallen diese nun praktisch komplett weg. Fortschritt bringt eben auch immer eine gewisse Obsoleszenz mit sich.
Ganze drei Mal habe ich damals der Umbra-Hexe mit dem gestrengen Blick einer Kleinstadtbibliothekarin zum Sieg gegen die korrumpierten Himmelsbewohner verholfen. Bayonetta war eines der eigenwilligsten Spiele, die mir bis dato untergekommen sind und die Faszination für das Chaos, die Absurdität und die mal mehr, mal weniger subtilen sexuellen Untertöne nutzte sich nur langsam ab. Auch heute geht von der auf den Kopf gestellten Hexenjagd ein unverwechselbarer Charme aus, wenn man denn eine Vorliebe für derlei ununterbrochen abfackelnde WTF?!-Feuerwerke hat. So viele Titel gibt es schließlich nach wie vor nicht, in denen die Protagonistin lasziv an einem Lolli schleckt, dabei pausenlos aus ihren Revolverstiefeln ballert und sich zu allem Überfluss auch noch ihr vollständiges Körperhaar bisweilen zu einem bildschirmfüllenden Drachenkopf bündelt, der einem Dämon die Rübe abbeißen kann. Schafft Mario so etwas? Oder der lange Lulatsch aus Tetris? Eben!
Bayonetta unterlegt dieses eigenwillige Spektakel mit einem äußerst abwechslungsreichen Kampfsystem, das Reaktionsschnelligkeit und viel Übersicht einfordert. Nach so vielen Jahren, in denen ich mich lieber den abwartenden und vorsichtigen Kämpfen der Souls-Reihe widmete, macht sich durchaus eine gewisse Überforderung bei mir bemerkbar. Die Kameraführung zwingt mir immer wieder ihren Willen auf, der nur selten mit meinem harmoniert, die unsichtbaren Levelbegrenzungen hatte ich als weniger störend und omnipräsent in Erinnerung und wie prägend die zahlreichen Überraschungsmomente für mein Spielempfinden waren, realisiere ich erst jetzt, wo sie fehlen.
Und so hat sich der Zahn der Zeit auch in Bayonettas Fleisch fest verhakt. Nach sieben Jahren ist das Spiel noch zu jung, um wirklich nostalgische Gefühle in mir auszulösen und gleichzeitig zu alt, um neben der modernen Konkurrenz aus eigenem Hause nicht doch ein wenig albern und überdreht zu wirken. Dennoch ist es für sich genommen ein ungebrochen fulminantes, kinnladerunterklappendes Durcheinander, das allein schon aus archivarischen Gründen eine solch gelungene Umsetzung verdient hat und das Menschen ohne vorherige Berührungspunkte mit der Reihe durch seine bizarren Wendungen den Kopf verdrehen kann. Die Frage, wie ein potenzieller dritter Teil die Wissenslücke schließen möchte, die durch die Wii-U-Exklusivität des zweiten Ablegers entstanden ist, finde ich derzeit jedoch deutlich spannender als die bereits ausgefochtenen Kämpfe ein weiteres Mal zu durchleben.