Blast from the Past: Shadow of Rome
Jedesmal wenn ich mit meiner Freundin in die Videothek ging, damals, als man noch in Videotheken ging, blieb ich am PS2-Spielerregal kurz stehen, damals, als es noch PS2-Spieleregale in der Videothek gab, zeigte auf Shadow of Rome und sagte “Ich hab gehört, das soll richtig gut sein”. Und dann lachten wir, weil ich das Spiel schon lange besaß und mehrfach durchgespielt hatte – einer dieser merkwürdigen, nicht wirklich erklärbaren Running Gags, die sich in langen Beziehungen gleich welcher Art zwangsläufig entwickeln. Aber daran sieht man gut, wie subjektiv Humor ist. Hoppla, falsche Einleitung.
Es ist kein Zufall, dass die Playstation 2 in meinem Kopf für immer die beste Konsole auf der ganzen Welt sein wird: Als sie erschien, war ich jung, Single und bebafögt, allesamt prima Voraussetzungen, um nächtelang Paletten von Coladosen zu leeren und den eigenen Hinternabdruck permanent ins Sofa des Kumpels einzustampfen. Ich hab ja schon vorher gut zehn Jahre gespielt, aber Couch-Coop und der Wille, in einem Spiel tatsächlich besser werden zu wollen, sind für mich intrinsisch mit dieser Konsole verbunden. Dass ein paar der besten jemals erschienenen Spiele auf ihr herauskamen, schadet natürlich auch nicht. Aber zurück zum eigentlichen Thema:
Shadow of Rome ist mit Abstand das beste Gladiatorenspiel, das es je gab, und ich hab sie alle gespielt*. Als Capcom, als sie noch cool waren[citation needed], es 2005 auf der besten Konsole der ganzen Welt herausbrachten, war es für mich Liebe auf den ersten Blick. Ich bin ja ein einfacher Junge aus der kleinen Großstadt, daher braucht es nicht viel, um mich rumzukriegen. Shadow of Rome hatte mich schon beim ersten Satz:
“This game contains scenes of violence and extreme gore”
Und das ist wahrlich nicht untertrieben. Bei all den Enthauptungen, Amputationen, Zermalmungen und aus enttorsten Unterkörpern spritzenden Blutfontänen blieb es mir bis heute schleierhaft, wie dieses Spiel an der BPjM vorbeikam, zumal die Opfer nicht nur normale Menschen sind (abgesehen von ein paar Tigern, Geiern und einem Elefanten), sondern weitestgehend nicht zur Selbstverteidigung, sondern zur Freude des Publikums getötet werden. Je dramatischer, desto besser. Dem Gegner beide Arme brechen und dann zu Boden treten? Höfliches Klatschen. Den um Gnade winselnden, sich einnässenden Kontrahenten mit einem gigantischen Hammer zermusen? Applaus. Den vorher angezündeten Kontrahenten mit dessen eigenen abgehackten Arm erschlagen (mein Lieblingsgewaltakt seit Bioforge), den man danach als Souvenir in die Menge wirft? Frenetik.
Pfui, bah, widerlich, und wäre es lediglich Gewalt als Selbstzweck, würde Shadow of Rome in einer Gehirnschublade gemeinsam mit Thrill Kill und Manhunt verstauben. Aber der Weg dahin führt über ein erstaunlich gutes und umfangreiches Kampfsystem, dass auf Combos und Ausdauerbalken verzichtet und stattdessen Timing, häufiges Waffenwechseln und clevere Positionierung abverlangt, und Zweck ist ein Punktesystem, dass sich so schon bei The Club, Madworld oder Bulletstorm zu meinem Leidwesen nicht durchsetzen konnte. Scheinbar mögen Spieler sowas nur in Sport- und Rennspielen.
Anstatt also mit Tony Hawk Ollies, Cavemen und Manuals aneinanderzureihen, belohnt Shadow of Rome stylisches Schnetzeln, abwechslungsreiche Tötungen, lustige Kollateralschäden sowie das Tragen klassischer Gladiatorenausrüstungen (auch wenn es meinen Favoriten, den Retiarius, leider nicht gibt). Letzteres passiert meist eher zufällig, gehen Helme und Waffen doch erstaunlich schnell kaputt, sodass man sich schnell nach Ersatz umschauen muss. Diesen entreißt man entweder dem Gegner durch waffenlose Parade, Umrempeln oder Armbrechen, fleddert einen der bereits Gefallenen oder hofft aufs Publikum, das hohe Punktzahlen gerne damit belohnt, dass es Waffen in die Arena wirft – eine Motivation, abwechslungsreich zu spielen, auch wenn man keinen Wert auf die Abschlussmedaille legt, denn stetes Wiederholen der gleichen Aktionen begeistert niemanden.
Damit das Ganze nicht zu eintönig wird, gibt es abgesehen vom klassischen Deathmatch Teamschlachten, Rettungsmissionen, Minidungeons, direkte Wettstreite, wer schneller mehr Gegner tötet, Streitwagenrennen, Endgegner und Capture-the-Holzschwert. Und weil dieses Spiel gen Ende der PS2-Zeit herauskam, als Spiele mit Bonusinhalten zugepflastert wurden, gibt es natürlich weitere Kostüme, Kampfmodi, Cheats oder bizarre Bonusaufgaben wie “Hau die Küken von der Plattform”, alles freischaltbar durch entsprechend gute Leistungen in den nach einmaligem Durchspielen frei wählbaren Kampfmissionen.
Aah, ich hab ja noch gar nicht über die Story geschrieben, die sich vielleicht ein klitzekleines Bisschen von Gladiator hat inspirieren lassen und vor dem Hintergrund Caesars Ermordung stattfindet. Während der Russel-Crowe-Ersatz Agrippa den Mord an seiner Mutter rächen und seinen Vater retten will, versucht Octavianus, der Neffe Caesars, dessen Mord aufzuklären. Dies geschieht in Stealthleveln, die in regelmäßigen Abständen die Gladiatorenschlachten unterbrechen und so eine angenehme Abwechslung im Spielgeschehen darstellen, auch, weil sie selbst für Stealthluschen wie mich durchaus schaffbar sind und für manche der bleibendsten Erinnerungen sorgen.
All dessen zum Trotz blieb Shadow of Rome großer Erfolg verwehrt. Vielleicht, weil nur einen Monat später das noch spektakuläre God of War alle Aufmerksamkeit auf sich zog, vielleicht, weil Schleichfans keine Action und Actionfans kein Schleichen wollten oder weil die Griechen schon immer den Römern die Show stahlen (Ares ist ‘ne Rakete, Mars ist ein Schokoriegel. Fall abgeschlossen und macht bitte meine Argumentation nicht mit den Planeten kaputt). Die Engine von Shadow of Rome wurde noch für den vierten Onimusha-Teil benutzt, ein ursprünglich geplanter Nachfolger wurde aufgrund schlechter Verkaufszahlen eingeäschert. Doch wenn man Wikipedia glauben kann, entsprang dieser Asche der Phönix Dead Rising, der Menschen mit Spaß an virtueller kreativer Gewalt auch in der nächsten Konsolengeneration erfreute.
*Ich hab sie nicht alle gespielt. Aber Gladius, Gladiator: Sword of Vengeance und das Spartacus-F2P.