Lords of the Fallen: Seelenverwandt

Heino Ferch ist kein schlechter Schauspieler. Er macht seine Sache sehr ordentlich, doch gehört er auch der Generation deutscher Schauspielerinnen und Schauspieler an, die sich Ende der 90er mit den Weltstars aus Hollywood messen sollten, aber nie einen vergleichbaren Glanz ausstrahlen konnten. Aufgrund der äußeren Ähnlichkeit watschte man Ferch deshalb gerne als den „deutschen Bruce Willis“ ab. Und selbst wenn es bisweilen durchaus anerkennend gemeint war, drückte dieser Vergleich leider eine mutmaßlich fehlende Eigenständigkeit aus, die man reflexhaft auch dem Action-Rollenspiel Lords of the Fallen unterstellen kann. Zu offensichtlich sind die Anleihen, die man der Souls-Reihe entnommen hat. Dass das Werk des Frankfurter Teams von Deck13 dennoch kein „deutsches Dark Souls“ geworden ist, ist gleichermaßen erfreulich wie bedauerlich.

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Um nicht zu sehr den Souls-Vergleich strecken zu müssen, lasse ich die Copycat einfach direkt aus dem Sack: Das Kampfsystem und Teile der Spielwelt von Lords of the Fallen sind stark inspiriert von der japanischen Spielreihe und mit „inspiriert“ meine ich praktisch Eins zu Eins übernommen. Auch hier tritt man gegen zumeist vereinzelt auftretende, doch stets hartnäckige Ritter, Spinnen oder ghulähnliche Kreaturen an, setzt sich gegen riesige Bossgegner und Umgebungsgefahren zur Wehr und versucht im richtigen Moment zuzuschlagen und zu kontern. Das Haushalten mit der begrenzten Ausdauer und den wenigen Heilungsmöglichkeiten, die taktischen, reaktionsbasierten Kämpfe und die richtige Wahl von Ausrüstung und Zaubern üben annähernd denselben Reiz aus wie bei der augenscheinlichen Vorlage. Man drückt zwar hier und da ein paar andere Knöpfe für die entsprechenden Aktionen, doch wer Lordran bereits bereist hat, wird vermutlich einen deutlich sanfteren Einstieg in das von Beginn an knallharte Abenteuer der von Dämonen heimgesuchten Welt Rhogars verleben. Unerfahrene Recken hingegen sehen die spielbare Muskelglatze, die sich unabhängig der gewählten Klasse optisch leider nicht anpassen lässt, tendenziell zunächst häufiger am Boden liegend als aufrecht kämpfend, doch durch das Erlernen der gegnerischen und eigenen Bewegungsabläufe, überwindet man mit genügend Geduld auch zunächst überwindbar geglaubte Hürden im Spiel. Abseits dieser gelungenen Kampfmechaniken gibt es jedoch kaum weitere spielerische oder erzählerische Tiefen zu ergründen.

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Schon das generische Intro ist so nichtssagend, es könnte genauso gut in unzähligen anderen Spielen das Geschehen einleiten. Dicke Monster, dicker Hammer, dicke Rüstung, dazu ein wenig unerklärte Magie und ein Meteorschauer. Wenn’s schnell gehen soll, rührt man eben einfach den ersten Eintrag für Fantasy-Rollenspielplots auf Chefkoch.de zusammen. Ebenso uninspiriert sind die Charaktere und Dialoge, die so hölzern und ausdruckslos daherkommen, dass Michel aus Lönneberga besser einmal überprüfen sollte, ob seine Schnitzfigurensammlung im Schuppen noch vollzählig ist. Immerhin wird man nicht im Dunkeln gelassen, was zu tun ist. Es gibt klar verständliche Quests und Nebenaufgaben, man weiß, wonach man sucht und findet trotz labyrinthischer Burggemäuer auch meist recht schnell den richtigen Weg dorthin. Wie gern man diesem folgt, hängt ein wenig von der eigenen Geduld ab, denn nicht nur das eigene Ableben und das damit verbundene Zurücksetzen zum letzten Speicherpunkt gehören zum spielerischen Alltag, auch der Kampf gegen Kameraprobleme, unverhältnismäßig langlebige Gegner und zermürbende Wiederholungen erschweren den Genuss und das Vorankommen in der ansonsten grafisch gelungenen und durchaus stimmungsvollen Spielwelt.

So wie sich einst Lou Bega bei „Wetten, dass..?“ gefühlt haben muss, als er seinen großen Hit Mambo No. 5 gleich mehrfach trällern sollte, muss man auch in Lords of the Fallen eine anfänglich spannende Aufgabe bisweilen so oft wiederholen, dass sie völlig an Reiz verliert. Nicht nur ziehen sich häufig insbesondere Bosskämpfe extrem in die Länge, ohne großartig Variation zu bieten, man findet zudem die meisten Opponenten auch nach erfolgreichem Durchschreiten eines Gebietes an ihren ursprünglichen Wirkungsstätten wieder, da man diese aufgrund verschiedener Nebenmissionen, oder auch aufgrund bedenklicher Orientierungslosigkeit, wiederholt aufsucht. Fehlt nur noch, dass die obligatorisch epische Orchesteruntermalung in diesen Momenten durch I got you Babe ersetzt wird.

Diese Abschnitte schwertschwingender Endlosschleifen werden glücklicherweise durch ein motivierendes Upgradesystem abgemildert, das den durch und durch unsympathischen Anti-Helden Harkyn, mit dem man sich durch die austauschbaren Widersacher kloppt, mit mehr Erfahrung belohnt, je mehr Gegner er ohne zwischendurch zu speichern erledigt. Umso ärgerlicher, wenn der Mut zum Risiko letztlich nicht durch die eigene Unachtsamkeit bestraft wird, sondern durch fehlerhafte Programmierarbeit.

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Die technischen Mängel sind jedenfalls trotz eines 5,4 Gigabyte großen Day One Patches auf der Xbox One nicht schönzureden, auch wenn sie nicht in einer Häufigkeit auftreten, die es unspielbar machen würden. Mal sehe ich während eines Kampfes nur noch die Wand hinter mir, weil die Kamera in den meist sehr engen Gängen sogar orientierungsloser wirkt als ich, mal sterbe ich bei einem Sturz aus Hüfthöhe oder ich bleibe einfach in einer Wand hängen und muss das Spiel neu starten. Da will ich gar nicht erst wissen, wie das Spiel vor dem Patch ausgesehen haben muss. Kombiniert mit den durchaus gewollten Frustmomenten, wird es mir für den Augenblick dann doch etwas zu viel und ich suche nicht mehr weiter nach der angestrebten Vergebung für den Schwerverbrecher Harkyn, der zu keinem Zeitpunkt so wirkt, als habe er sie wirklich verdient. Ein Resozialisierungsprogramm, das ausschließlich mittels Waffengewalt absolviert wird, weckt womöglich einfach nicht die notwendige Empathie, um das Ziel der erzählten Geschichte nachvollziehen zu können.

Ich muss zugeben, dass ich mir nicht genau vorstellen kann, wie sich dieser Titel für jemanden anfühlen muss, der nie mit Dark Souls in Berührung gekommen ist. Ein großer Teil meiner Kritik wäre ohne diesen Hintergrund vielleicht hinfällig und auch wenn ich ihn berücksichtige, halte ich Lords of the Fallen immer noch für ein durchaus gelungenes Spiel. Und wer weiß, wenn zumindest die gröbsten verbliebenen Bugs beseitigt werden, wird aus dem mäßigen Gesamteindruck vielleicht doch noch ein guter. So wie durch eine geschickte Rollenauswahl aus dem „deutschen Bruce Willis“ letztlich auch wieder Heino Ferch wurde. Dass man nächstes Jahr von Bloodborne sagen wird, es sei das „japanische Lords of the Fallen“, kann ich dann aber doch ausschließen.