Alphalevel: Sir, You Are Being Hunted
Nach den Puzzlegames Fallen City und AVSEQ versucht sich Big Robot nun an größeren Fischen. Das Studio, bestehend aus einem vierköpfigen Kernteam und einer handvoll Künstler, werkelt derzeit an Sir, You Are Being Hunted, welches auf einer offenen Welt und einer (brauchbaren) KI aufbaut. Geleitet wird das Projekt von Jim Rossignol, dem Gründer von Big Robot und, wie es der Zufall so möchte, auch vom populären PC-Games-Blog Rock, Paper, Shotgun. Nach einem Prototypen und einer erfolgreichen Finanzierung via Kickstarter befindet sich Sir, You Are Being Hunted nun seit einiger Zeit in der Alphaphase und konnte alleine durch seine Beschreibung als “Tweedpunk” mein Interesse wecken.
Die ersten Sekunden vom Spiel lösten nun aber bereits die üble Vorahnung aus, dass es sich hier wohl um keinen Sonntagsspaziergang handeln würde. Die prozedural generierte Welt könnte kaum trostloser sein, dichter Nebel zieht sich durch den Hintergrund, kahle Bäume stehen in den verwilderten Feldern, Dornbüsche schneiden sich scharf durch die Hügel. Dass diese Szenerie leider zeitweise an den äußerst schwammigen Texturen leidet, kann zumindest in einer Alpha noch knapp verziehen werden. Alles in allem werden die essenziellen Merkmale der britischen Landschaft (inklusive der roten Telefonzelle) zu einem wunderbar bedrückenden Gesamtbild zusammengefügt, in welchem man ungern lange verweilen möchte.
Der namenlose Gentleman, welcher durch ein missglücktes Experiment in diesem Fleck gelandet ist, scheint diese Ansicht zu teilen und möchte schnellstmöglich zu seinem Abendessen zurückkehren. Dass es dabei nun aber eine kleine Komplikation in Form von mysteriösen Runen gibt, welche zuerst auf fünf verschiedenen Inseln eingesammelt werden müssen, versteht sich (nicht) von selbst. Dass diese zudem von Robotern mit mächtigen Schnurrbärten, Holzpfeifen und in Tweed-Anzügen bewacht werden, auch (nicht). Und natürlich lassen sich deren Schrotflinten schlecht mit meinem einzigen Gegenstand im Inventar, einem Feldstecher, bekämpfen.
So blieb mir zunächst nichts anderes übrig, als ängstlich im Dickicht umherzuschleichen, bei jedem elektronischen Biep zusammenzuzucken und schnellstmöglich in die andere Richtung zu kriechen. Irgendwann tauchte glücklicherweise ein kleines Dorf am Horizont auf, was mir endlich die Chance gab, an Nahrung und mit ein wenig Glück auch an Waffen aufzustocken. Dort angekommen wurde ich aber von dem gefürchteten Biep und einer verzerrten Stimme begrüsst: Zwei Roboter schlichen um ein Haus und ließen dabei alle anderen außer Acht. Die logische Schlussfolgerung war nun, dass ein wertvoller Gegenstand bewacht wird (oder die AI mal wieder mit einigen Problemen kämpft). Ich entschied mich für ersteres und heckte einen eleganten Plan aus, welcher sogleich ausgeführt wurde: So wurde ein Stein auf den ersten Roboter gepfeffert, panisch im Zickzack zum Haus gerannt, flink dessen gesamten Inhalt eingepackt und Fersengeld Richtung Wald gegeben, während die Kugeln vom zweiten Roboter um meine Ohren flogen. Die feine englische Art.
Im sicheren Waldstück wurde dann meine Beute ausgewertet: Ein dekoratives Ornament, ein Stiefel, eine Packung Minzbonbons und eine Axt. Frisch bewaffnet war es endlich Zeit, Rache an den Blechbüchsen zu üben und eine erste Rune einzusammeln! Diese lassen sich glücklicherweise dank dem weißen Rauch, welcher aus ihrem Karter strömt, leicht finden. So beobachtete ich kurze Zeit später zwei Roboter, wie sie in abgehackten Schritten um mein Ziel patrouillierten, mechanisch und präzise. Trotzdem bemerkten sie zu spät, wie ein Verrückter mit erhobener Axt auf sie zurannte. Zack! Der erste Silbermann zerfiel in Einzelteile, der zweite feuerte Schüsse auf mich, verfehlte aber und lag einen Moment später neben seinen Kumpanen. Die Rune war mein und musste sofort an den Startpunkt gebracht werden, da sie gut die Hälfte des wertvollen Platzes vom Inventar einnahm. Nach getaner Arbeit wagte ich einen Blick ins Menü: Noch 22 Runen wurden benötigt, um zu entkommen.
Hier wurde nun ein Problem für mich sichtbar: Was in einem ersten Durchgang noch nervenaufreibend war, wird leider schnell zur Routine. Das Spiel basiert auf einem einfachen Grundprinzip, welches dadurch rasch an Luft verliert, trotz verschiedener Gegner, Waffen und einem stetig steigernden Schwierigkeitsgrad. Das Verhalten der Roboter lässt sich einschätzen, die Möglichkeiten sind begrenzt. Im Gegensatz dazu stehen ähnliche Titel wie DayZ, in welchem die Mitspieler für interessante und unberechenbare Szenarien sorgen. Glücklicherweise befindet sich Sir, You Are Being Hunted immer noch in der Alphaphase und verspricht (nebst den nötigen Verbesserungen) diverse Updates wie neue Biome, Typen und einen Multiplayer-Modus, welcher den Wiederspielwert und die Tiefe des Spieles hoffentlich anheben wird. Im derzeitigen Zustand ist es ein atmosphärisches Survival-Horror-Spiel, welches zumindest anfangs meine Nerven stark auf die Probe stellte. Und erfolgreich Terminator mit Steampunk und Tweed verknüpft, worauf ich genüsslich einen Tee trinke.