Angry Video Game Nerd Adventures
“I’d rather have a fish spit on my face than be stuck here in this bloody turd of a game any longer!!”
Der Angry Video Game Nerd ist ein popkulturelles Phänomen. James Rolfe verkörpert den genervten, fluchenden und trinkenden Konsolenspieler zwar nicht unbedingt mit schauspielerischer Authentizität — dafür sind seine kurzen Video-Episoden aber prall gefüllt mit jeder Menge Kneipenwissen und vor allem mit nachvollziehbaren Reaktionen. Wer schon einmal bei vollem Bewusstsein ein Gamepad zertrümmert hat, weiß, wovon ich schreibe. Um jene Reaktionen noch stärker herauszufordern, schufen die Entwickler von FreakZone Games Angry Video Game Nerd Adventures: den ersten offiziellen 2D-Plattformer mit dem Nerd in der Hauptrolle.
Was das Spiel so reizvoll macht, ist aber weniger sein Protagonist und noch weniger der inzwischen gerade im Indie-Bereich arg überbemühte 16-bit-Look. Es ist der Schwierigkeitsgrad. Angry Video Game Nerd Adventures reiht eine unmögliche Szene an die andere, verlangt Sprungeinlagen jenseits der Vorstellungskraft und lässt den Spieler selbst im leichtesten Schwierigkeitsgrad derart viele Tode sterben, dass es dafür sogar zwei Steam-Errungenschaften gibt: Eine für 100 und eine für 1.000 verbrauchte Leben. Interessanterweise gelingt es den Entwicklern dabei aber, das Gameplay nicht unfair werden zu lassen. Die Steuerung funktioniert exakt, und wer stirbt, weiß trotz Tobsuchtsanfall doch, dass er selbst schuld ist.
Was Angry Video Game Nerd Adventures dagegen wirklich nervtötend macht, ist das nahezu zwanghafte Festhalten an James Rolfes Figur. Hardcore-Fans mögen es zu schätzen wissen, dass an jeder Ecke Figuren wie Shit Pickle und Super Mecha Death Christ auftauchen — für einen einigermaßen erwachsenen Spieler wirkt es aber doch ein wenig plump, wenn die (übrigens jederzeit frei wählbaren) Levels Namen wie „Assholevania“, „Future Fuckballs 2010“ und „Dungeons & Dickholes“ tragen. Der fragwürdige Höhepunkt dieser Fäkalhumor-Eskapaden ist ein Atari-Porno-Level, in dem der Nerd auf Pixelbrüsten durch die Gegend hüpft, um riesigen Erektionen auszuweichen. Der 14-Jährige in mir freut sich zwar, aber irgendwie macht sich trotzdem an meinem ganzen Körper ein unschöner Juckreiz breit.
Interessanter sind da schon die spielerischen Anleihen. In Angry Video Game Nerd Adventures verschmelzen Mega Man, Commander Keen und Castlevania zu einer unheiligen Melange aus Sidescroller-Hektik, Versuch, Irrtum, Frust und Verzweiflung. Alles sehr sauber programmiert, aber im Kontext wirkt es dann doch irgendwie schmutzig. Merke: Auch Mega Man wird durch Kackhaufen und Genitalien nicht unbedingt besser. Nach einer guten Weile, in der es mir nicht gelingt, auch nur ein einziges Level zu bezwingen, wünsche ich mir irgendein anderes, vernünftiges, harmloses, unschuldiges Spiel. Weil mir keines einfällt, spiele ich weiter. Der Waschzwang ist vorprogrammiert.