Blast from the Past: Battle Chess

Ob es letztlich über eine Shareware-Version auf irgendeiner selbstkopierten 3,5-Zoll-Diskette in meinen Besitz gelangt oder auf magische Art und Weise einfach schon auf dem Familien-PC installiert war, weiß mittlerweile vermutlich nicht mal mehr mein Vater, der Hüter des heiligen 386ers. Klar ist dafür, dass mir Battle Chess nicht etwa das Spiel der Könige nähergebracht, sondern mich schon als Grundschüler für popkulturelle Zusammenhänge sensibilisiert hat – bevor ich überhaupt wusste, was Popkultur eigentlich ist. Für ersteres ist der Titel auch einfach zu simpel aufgebaut.

Ein reduziert majestätischer Intro-Bildschirm mit zwei Bannern und darauf drapierten Rüstungen und Waffen suggeriert eine Fehde zwischen zwei Königreichen und mehr als bloß schnödes Gedankenspiel und muffige alte Männer vor einem Schachbrett. Hier will nicht viel gegrübelt werden, hier muss Blut fließen. Entsprechend ist auch das recht spartanische Spielmenü zunächst versteckt, Battle Chess wirft mich einfach direkt ins Geschehen. Vor mir ein leicht angeschrägtes Schachbrett, darauf detailreich gestaltete Pixelfiguren, die die verschiedenen Schachfiguren repräsentieren und diesen einen martialischeren Anstrich geben. Der Springer ist beispielsweise ein Ritter, der eigentlich eher schwächliche Bauer ein in Plattenrüstung eingekleideter Fußsoldat und der Turm macht Ben Grimm Konkurrenz. Das Ziel des Spiels ist es, den Gegner schachmatt zu setzen – ohne Gimmicks, ohne Tricks. Glänzen kann Battle Chess eigentlich nur durch die humorigen Todesanimationen, die abgespielt werden, wenn eine Figur eine andere schlägt.

Hier greift letztlich auch die schon in den 90er-Jahren beliebte Vernetzung verschiedenster popkultureller Elemente und eine Zitatkultur, die die Entwickler als Nerds und Fans outet. Schlägt der König den Läufer, schlüpft ersterer in die Rolle von Indiana Jones im ersten Teil der Trilogie, als er seinen säbelschwingenden Widersacher mit einem gezielten Revolverschuss umnietet. Die als Ritter verkleideten Springer hacken sich hingegen im Zweikampf die verschiedenen Körperteile in bester Ritter-der-Kokosnuss-Manier ab.

Sehr viel mehr steckt nicht hinter dem kurzweiligen Spiel. Und dank meines damaligen jungen Alters und der damit verbundenen Tendenz, trotz Verfügbarkeit eines PCs dann doch eher auf Bäume zu klettern oder sich selbst irgendwelche Spiele mit seinen Freunden auszudenken, konnte mich Battle Chess nie wirklich langfristig an den Bildschirm fesseln. Die Enhanced-Version mit weitaus hübscherer Grafik und neuen Animationen von 1991 nahm ich dann aber natürlich trotzdem noch mit, alles was danach kam war allerdings nur ein müder Abklatsch der ursprünglichen Idee.

Diese bleibt nach wie vor großartig. Denn Battle Chess ist klassisches Edutainment: Ich lernte die Grundzüge eines der wichtigsten und dienstältesten Spiele der Welt, während ich mich köstlich durch rollende Köpfe und irrwitzige Kämpfe unterhalten fühlte, und hatte nie das Gefühl, Erwachsenenwissen aufgezwungen zu bekommen. Warum man in Schachclubs nicht Battle Chess, das in der PC-Version dann doch tatsächlich verschiedenste Standard-Eröffnungen enthielt, als Rekrutierungsmittel für die Zockerjugend eingeführt hatte, werde ich nie verstehen.