Blast from the Past: Spyro the Dragon

Mein Curriculum Vitae in Spielangelegenheiten würde den sich allzu ernstnehmenden Twitterspielejournalisten die Tränen in die Augen treiben. Er ist geprägt von fehlenden Möglichkeiten, geschweige denn Fähigkeiten, Trödelei, Versäumnissen, Wissenslücken und Naivität. Das versuche ich gern mit einer ungebrochenen Euphorie wettzumachen. Der Alptraum eines jeden Personalers – keine Ahnung von nichts, aber mit Leidenschaft.

Ein entsprechendes Beispiel ist die PlayStation. Gekauft habe ich sie mit 12 – also erst 2002. Ich könnte jetzt versuchen, das als antizyklische Investition oder Sparsamkeit in Anbetracht nicht vorhandenen Taschengeldes schönzureden. Die traurige Wahrheit ist jedoch, dass sie schlicht im Sommer 2002 bei Otto im Angebot war. Ja, ich habe meine erste (eigene) Konsole bei einem Einzelhandelsversandhändler bestellt. Aus dem Katalog. Print! Es tut mir leid.

Wer bereits mit den Augen rollt, der sei jetzt ganz stark, denn der Grund für den Kauf der PSOne war noch banaler: ich wollte musste ein ganz bestimmtes Spiel einfach haben und das gab es nun einmal nur auf der PSone. Dachte ich zumindest, denn Abwärtskompatibilität war mir damals noch ein Fremdwort. So weit war meine Ausbildung in diesen Dingen, d.h. das nächtliche, heimliche* GIGA schauen, noch nicht gediegen. (*Fun Fact: meine Mutter, die diese Artikel hier brav liest, damit es irgendjemand tut, schickt mir heute noch Infos zu spielbezogenen Sendungen im Fernsehen und erkennt zumindest die „alte Garde“ von GIGA nahezu ohne Probleme. Ninja werde ich also keiner mehr. An dieser Stelle einmal alle bitte: hallo, Mama Weigl!)

Jetzt aber zurück zum Thema, sonst kann man diesen Artikel ja journalistisch gesehen gar nicht ernstnehmen: 2002 schlug meine Stunde. 111€ für zwei Spiele und eine PSone. Dabei ging es mir wirklich nur um ein einziges Spiel, das mir anscheinend 111 bunte Tüten wert war: Spyro the Dragon.

Über Jahre hatte ich eine meiner (Kindergarten-) Freundschaften hierfür aufs Spiel gesetzt, da jede, aber wirklich jede Verabredung unweigerlich mit dem Satz „Können wir Spyro spielen?“ einher ging. Das Schlimmste daran: ich spielte nicht selbst, sondern schaute zu. Ich kann nämlich nicht, wenn jemand guckt. Daher nötigte ich meine arme Freundin, mir stundenlang vorzuspielen. Hierdurch entwickelte ich sowohl unglaubliche Überredungskünste als auch ein dringendes Bedürfnis, selbst ein kleiner lila Drache zu sein. Ersteres endete im Jurastudium, letzteres in regelmäßig lila gefärbten Haaren und dem eingangs erwähnten Erwerb einer PSone.

Leider durfte ich damals noch nicht im Internet bestellen, sodass ich, gefangen in meinem 600-Seelen-Dorf, vom Spielehändler meines Vertrauens (immer noch Otto, keine Pointe) abhängig war. Daher war das erste Spyro, das ich tatsächlich selbst spielte, das dritte – Year of the Dragon. Rückwärts vorarbeitend spielte ich dann irgendwann Gateway to Glimmer, also das zweite. Mein heißgeliebtes Spyro the Dragon ergab sich jedoch einfach nie. Nicht einmal, als ich endlich den An- und Verkauf in der nächsten Stadt entdeckte. Niemand wollte sich von Spyro the dragon trennen. Eine Entscheidung, die ich vollkommen nachvollziehen, aber eben nicht gutheißen konnte.

Bis mein damaliger Freund mir zum Geburtstag das Geschenk des Jahres machte. Über Jahre hinweg hatte ich eine gewisse Skepsis gegenüber quadratischen, ca. 2cm dicken Geschenken entwickelt. Ich hatte immer die Hoffnung, dass jemand meine doch sehr häufig fallenden Hinweise aufgreifen und mir Spyro schenken würde, aber leider endete es immer ein wenig wie die Schokokekstragödie. Rosinen. Es waren immer Rosinen. Oder wirklich coole CDs/Spiele/anderweitige, quadratische Dinge mit 2cm Dicke. Jedenfalls jedoch nicht Spyro.
An diesem wunderschönen Tag jedoch gab es Schokoladenkekse. Die Belohnung für dieses wunderbare Geschenk war, dass ich meine PlayStation rauskramte und für mehrere Tage auf das Sofa zog. Sicherlich genau das, was ein Zwanzigjähriger als Reaktion auf die Geschenkidee des Jahres erwartete.

Aber wie sagt man so schön? Die erste große Liebe vergisst man nun einmal nie ganz. Meine erste große Liebe war eben klein, lila und konnte Feuer spucken. Ich spiele Spyro auch heute noch gern und mir wird umgehend wieder ganz warm ums Herz. Nahtlos knüpfe ich an meine kindliche Begeisterung von vor bald 20 Jahren an, sobald er ins Bild geglitten kommt (er gleitet nämlich, fliegen kann man als kleiner Drache halt noch nicht). Doch nicht nur rein zeitlich ist Spyro ein Inbegriff meiner Kindheit, auch sonst ist er die Spielfigur, mit der ich mich über meine gesamte Adoleszenz hinweg am besten identifizieren konnte: er ist klein, frech, will überall mitmischen und geht im Zweifel mit dem Kopf durch die Wand; ich habe die 1,60m erst mit 23 Jahren geknackt und habe Jura studiert.

Natürlich hatte das Spiel auch darüber hinaus einen gewissen, wertvollen Lehrcharakter, sonst hätten wir es wohl kaum im Grundschulalter spielen dürfen. An der Aufgabe, die erwachsenen Drachen zu befreien und Gnasty Gnorc zu besiegen, wächst und reift Spyro. Sein ständiger Begleiter, eine Libelle namens Sparx, ist der Nachweis, dass Freunde immer füreinander da sind und im Zweifel auch einmal für den anderen einstecken. Von Geldsack habe ich gelernt, dass jeder immer nur mein Geld will und – okay. Das ist Quatsch. Spyro ist sicherlich nicht das Spiel gewesen, das mir gesellschaftliche Konzepte näher brachte. Letztlich war meine Lösung schließlich immer „mit dem Kopf durch die Wand“ oder „Dinge anzünden“. Beides ist im wirklichen Leben keine Option. Sagte mir zumindest mein Strafrechtsprofessor. In Spyro the Dragon jedoch ramme ich meinen Kopf durch und gegen alles, dass es Link die Tränen in die Augen treiben würde. Zum Glück ist das Ganze aber emotional gesehen keine Zwickmühle, denn die dusseligen Gegner sind ohnehin nur verzauberte, von den Drachen gestohlene Juwelen, neutrale Geschöpfe werden posthum zu Schmetterlingen, die Sparx heilen, und alles, was im eigentlichen Sinne stirbt, verpufft blutlos und gehört ohnehin zu den Bösen. Also alles harmlos.

Dank meines intensiven Studiums der ersten zwei Spielwelten, die ich bei meiner Freundin mindestens wöchentlich passiv konsumierte (sie hat sicherlich noch heute Albträume davon), behaupte ich, diese nahezu auswendig zu kennen, während mich die zwei darauffolgenden noch immer überraschen können. In jeder Welt gibt es stilistisch passende Orte, die als in sich geschlossenes Level besucht werden können. Nur wenige davon machen mir dabei keinen Spaß (Flug- und Rutschbahn-/Schwimmlevel? Wieso? Warum?), während andere mir sogar heute noch manchmal im Alltag in den Sinn kommen – seien es die Torerofrösche in Spyro the dragon, seien es die Pandas in Spyro: Year of the Dragon. Letztere klingen wie ich mit Schluckauf und meines Erachtens nach ist das eine Ei-Henne-Frage, meine Mutter würde jedoch sagen, ich habe mir das antrainiert.

Damit sollte es spätestens jetzt klar geworden sein, dass Spyro mich für ein überschaubares Spiel fast zu weitreichend beeinflusst hat. Daher kann ich es auch nicht kritisch betrachten. Wo anderen Spielen, die ich wieder rauskramte, nicht einmal eine halbe Stunde neues Leben gewährt wurde, ist Spyro für mich noch immer ungeschlagen, was den Spaßfaktor angeht. Hier kann ich dann den Nostalgieeffekt, der bei anderen Spielen (DotT etwa) bei mir einfach ausblieb, nachvollziehen. Jede noch so kleine Referenz koste ich vollends aus. An dieser Stelle daher die Warnung: sollte ich jemals einem Leser mit Schluckauf begegnen – natürlich gänzlich nüchtern und seriös -, sollte zur eigenen Sicherheit nicht dieser Artikel erwähnt werden. Oder die Farbe Lila. Oder Drachen. Oder…