Blast from the Past: Mischief Makers
Manche Projekte sind so offensichtlich zum Scheitern verurteilt, dass man sich entgeistert fragen muss, warum sie trotzdem realisiert werden. Das Nagelstudio mit integrierter Bubble-Tea-Bar zum Beispiel mag zwar eine reizvolle Ressourcenzweitverwertung in Aussicht stellen, lockt aber nicht gerade mit einer einladenden Geruchsmelange. Doch gelegentlich werden an sich gute Ideen auch nur zum falschen Zeitpunkt vorgestellt und deshalb zu finanziellen Fehlschlägen.
Letzteres passierte, als Treasure 1997 den 2,5D-Plattformer Mischief Makers für das damals noch junge Nintendo 64 veröffentlichte. Als erstes Kollaborationsprojekt zwischen dem japanischen Studio und Nintendo sollte der neue Titel dem extrem populären „Gunstar Heroes“ nachfolgen, das vier Jahre zuvor für Sega entwickelt worden war. Nachdem aber „Super Mario 64“ erfolgreich vorgemacht hatte, wie auch das Jump’n’Run-Genre in die dritte Dimension überführt werden konnte, wollte sich niemand mehr mit weniger Raumtiefe zufriedengeben. In der Folge kassierte Mischief Makers durchwachsene Kritiken und landete auf den Wunschlisten der allerwenigsten frischgebackenen Konsolenbesitzer_innen. Leider, denn aus meiner Sicht ist es bis heute einer der besten Titel für die Konsole.
Heldin des Spiels ist „Ultra InterGalactic-Cybot G“ Marina Liteyears, die als Haushaltsroboter mit ihrem Schöpfer Professor Theo ein friedliches Leben führt, bis dieser eines Tages vom bösen Imperium eines fremden Planeten entführt wird. Natürlich folgt die grünhaarige Roboterdame Theos verzweifeltem Hilferuf prompt und lernt so die eigentlich friedliebenden Clancer kennen, von denen sich nur einige in ihrer Naivität den imperialen Streitkräften angeschlossen haben. Als klare Antagonisten treten lediglich die drei selbstverliebten Schergen des Imperators – Lunar, Tarus und Merco – auf, die mit allen Mitteln versuchen, Theos Rettung zu verhindern.
Innovationspotenzial ist eindeutig nicht in dieser Geschichte, umso mehr aber in ihrer grafischen und spielmechanischen Umsetzung zu finden: Als Roboter kann sich Marina mit ihrem eingebauten Düsenabtrieb weit schneller und über größere Distanzen hinwegbewegen, als sonst in Jump’n’Runs üblich. Noch ungewöhnlicher ist, dass ihren Gegnern weder die Köpfe plattspringt noch anderweitige direkte Kampfhandlungen ausführt.
Stattdessen begnügt sie sich damit, zu greifen, zu werfen und zu schütteln, was nicht niet- und nagelfest ist. Diese Mechanik schöpfen Treasure auf alle nur erdenklichen Arten aus, lassen ihre Heldin die jammernden Clancer als Wurfgeschosse nutzen, durch kräftiges Schütteln neue Items aus gesammelten Komponenten gewinnen und sogar in einem Sportwettbewerb Völkerball spielen – gegen eine Katze.
Mischief Makers ist ein ebenso schratiges wie japanisches Spiel und versucht das an keiner Stelle zu verbergen. Minibosse machen sich in typischer Magical-Girl-Manier bereit für den Kampf, die drei Endgegner fusionieren am Ende ganz selbstverständlich zu einem Riesenroboter und wenn man dann zu allem Überfluss auf einem Vogelstrauß durch eine Militärbasis galoppiert, ist alles wesentliche über den Charakter des Spiels gesagt. Wer mit japanischer Popkultur nichts anzufangen weiß, dürfte sich dementsprechend schnell verloren fühlen.
Für mich, die damals alle noch so kleinen Anime-Bilderschnipsel aus Fernsehzeitungen heraustrennte, den scheußlichen „Sailor Moon“-Titelsong mit dem Kassettendeck ihres Vaters aus dem Fernseher herauszukopieren versuchte und in ihrer Verzweiflung sogar Georgie schaute, war Mischief Makers aber eine prallgefüllte Geschenkbox voller willkommener Referenzen.
Das alles war leider damals zu wenig, um der Polygongrafik-Euphorie etwas entgegenzusetzen. Diese Tatsache allerdings erkennen heute die meisten Kritiker_innen an und bezeichnen Mischief Makers als unterschätzten Klassiker, um den man seine Nintendo-64-Sammlung unbedingt bereichern sollte. Und auch ich garantiere, dass der Spaß an dem Spiel deutlich länger Bestand haben wird als jede mittelprächtige Geschäftsidee.