Brigador ist ein gutes Spiel. Doch was ist das wert, wenn kaum jemand Notiz davon nimmt?
Brigador ist das erste Spiel von Hugh Monahan und es wird vermutlich auch sein letztes sein. Nicht etwa, weil ihm die Motivation und die Liebe für die Sache abhanden gekommen wäre und auch nicht, weil ihn das Ergebnis nicht zufrieden stellen würde. Das Spiel, dessen Entstehung ihn fünf Jahre seines Lebens und Unmengen an finanziellen und körperlichen Entbehrungen kostete, ist bei seiner Veröffentlichung im Juni 2016 praktisch unsichtbar. Verschlungen von der Welle an Indiespielen, die alle gleichermaßen um Aufmerksamkeit ringen, doch meist irgendwo im großen Steam-Meer untergehen. Brigador ist zur falschen Zeit am falschen Ort. Es bringt deshalb mit seinen isometrischen Mech-Gefechten nicht nur verschollen geglaubte Erinnerungen an die 90er-Jahre zurück, sondern mit ihnen die Erkenntnis, dass die gestiegene Relevanz des Indiesektors nicht ohne eigene Opfer vonstattengehen konnte.
Dass Brigador auch einen Monat nach seiner Veröffentlichung ein Schattendasein im Steam-Store und in der Spielepresse fristet, dafür kann das Spiel selbst nicht viel. Vielleicht mutet es oberflächlich ein wenig altbacken an, doch qualitativ erfüllt es mit seinen taktischen Kämpfen, seinen vollständig zerstörbaren Umgebungen und seiner abwechslungsreichen Missionsgestaltung sämtliche Ansprüche, die ein solcher Titel üblicherweise hervorruft. Die Steuerung ist zwar gewöhnungsbedürftig, jedoch nicht ohne erschließbare Logik aufgebaut und die akustische Kulisse passt sich unnachahmlich dem dystopischen Grundthema an. Brigador ist ein gutes Spiel, in seiner dünn besetzten Nische wahrscheinlich sogar ein sehr gutes. Aber wie groß ist diese Nische wirklich? Und wie soll man das herausfinden, wenn selbst ein solch gelungener Vertreter in der Öffentlichkeit nicht stattfindet?
“We know there’s a market for Brigador, but you can’t buy what you don’t know exists.” (Hugh Monahan)
Nun, so ganz richtig ist das nicht. Für einen kurzen Augenblick war Brigador durchaus eine Nachricht wert. Leider, wie so oft in den vergangenen Jahren, war nicht der Titel selbst Diskussionsgegenstand, sondern einzig und allein sein angehängtes Preisschild. Dass ein Indietitel, der mehr als den Geldwert eines Happy Meals einfordert, für eine solche Dreistigkeit in Foren und Kommentarspalten abgestraft wird, ist zu einer traurigen Selbstverständlichkeit verkommen. Ebenso die verspürte Notwendigkeit, sich dafür rechtfertigen zu müssen. 20$ für fünf entbehrungsreiche Jahre. 20$ für all die schlaflosen Nächte, die aufgezehrten Rücklagen und das vollkommen vernachlässigte Privatleben. 20$ (10$ nach Abzug von Steuern und Abgaben), die das Spiel nicht wert sind. 20$, die man gefühlt selbst nicht wert ist, weil die Arbeit daran für eine solch lange Zeit der alleinige Lebensinhalt war. Welch eine unerträgliche Ironie es sein muss, dass die Aufmerksamkeit um diese erbärmliche Diskussion letztlich zu einem massiven Verkaufsanstieg von Brigador geführt hat und damit andeutete, was mit mehr Öffentlichkeit möglich gewesen wäre.
Doch für diese ist ein Spiel bekanntermaßen nach zwei Wochen Schnee von gestern. Für Hugh Monahan und seine drei Mitstreiter von Stellar Jockeys bedeutet dies, dass nach fünf Jahren harter Arbeit nur Stille auf sie wartet. Eine Stille, die zusätzlich von unbeantworteten Fragen nach den eigenen Fehlern genährt wird. Vielleicht ist der Trailer nicht gut genug? Oder das Artwork nicht aussagekräftig? Vielleicht hätte man mehr investieren sollen, um mehr für sich werben und um auf mehr Messen aufzutreten zu können..?
Doch all das ist am Ende nichts weiter als müßige Hirnauswringerei. Währenddessen liegt Brigador eingefroren im Gefrierfach und wartet darauf, dass der Spiele-Kühlschrank eines Tages leergefuttert ist und es sich doch noch jemand aufwärmt. Und vielleicht will er dann für eine Weile gar nichts anderes mehr essen.
Wer bis dahin den unstillbaren Drang verspürt, kleinen Entwicklerstudios immer wieder diktieren zu wollen, was sie und ihr Produkt wert sind, der soll das um Himmels Willen bitte tun. Laut und deutlich, in jedem Forum dieser Welt, rund um die Uhr. Das mag dann zwar nicht die Aufmerksamkeit sein, die Menschen wie Hugh Monahan verdient haben, doch womöglich reicht sie aus, um ihnen zumindest eine finanzielle Rechtfertigung für die verlorenen Jahre zu verschaffen.