Canabalt HD: Ich weiß, was du vor-vor-vor-vor-vorletzten Sommer gespielt hast

Über Canabalt – Mutter, Vater und Schwippschwager aller Endless Runner zugleich – wurde schon alles gesagt. Das dürfte auch der Grund sein, warum die Veröffentlichung bei Steam vor wenigen Tagen kaum Erwähnung fand. Dabei bin ich der Meinung, dass dieses Spiel durchaus in jede Steam-Bibliothek gehört.

“Escape the destruction of your city with just one button!”

Als Adam Saltsman 2009 binnen zweier Wochenenden die erste Version von Canabalt schuf und als Flashgame ins Netz stellte, hatte er keine Ahnung, was er damit auslösen würde. Der Indie-Entwickler setzte nicht nur den Grundstein für ein neues Genre, sondern präsentierte mit der darauf folgenden Portierung für iOS das nahezu perfekte Mobile Game seiner Zeit: audio-visuell ansprechend, prozedural, einfachste “One Touch”-Steuerung, kompetitiv, bushaltestellentauglich. Angestoßen vom viralen Erfolg des Browsergames gab es 2009 und im Folgejahr wohl nur wenige iPhone-Besitzer_innen, die keinerlei Berührungspunkte mit Canabalt hatten. Laufen, Sterben und Ärgern in Dauerschleife. Ich selbst war von dem Spiel auf Anhieb begeistert, allerdings fehlte es mir an Ehrgeiz und Geduld, um in Highscorelisten mitzumischen, weswegen ich Canabalt primär für andere Personen in meinem Umfeld auf dem Telefon ließ.

canabalt

Im Sommer 2014 reichte Saltsman schließlich ein umfassendes Update (2.0) nach, das Canabalt um acht neue Modi erweiterte und erstmals lokalen Multiplayer ermöglichte. Man musste sich nun also nicht mehr alleine in den Tod stürzen, sondern konnte mit einem Mitspieler um die Wette laufen. Die neuen Modi greifen einzelne Elemente des Hauptspiels auf. So muss man beispielsweise bei “Fractured” vorwiegend einstürzenden Bauten entkommen oder im “Defenetration”-Modus primär durch Fenster springen. Eine Portierung dieser Version ist nun bei Steam erschienen, angereichert mit Achievements, Trading Cards, Joypad-Unterstützung und einem (unnötigen) 3D-Modus.

Ja, im Grunde geschieht das ein paar Jahre zu spät. Nach Canabalt kräht kaum noch ein Hahn. Anders kann ich mir meinen raschen Einzug in die Top 100 jedenfalls nicht erklären. Doch allein der Zweispieler-Modus rechtfertigt den Kauf, selbst wenn man bereits im Besitz der iOS-Version ist. (An dieser Stelle sei übrigens erwähnt, dass Käufer des Android Humble Bundle #2 oder #4 (2012) einen Blick in ihr Profil werfen sollten. Dort warten nämlich Steamcodes auf euch.) Für mich stellt Canabalt nicht nur einen Ursprung dar, den es zu archivieren gilt, sondern der trotz des hohen Alters seinen Nachkommen davonläuft.

Adam Saltsman wirkt auf mich ein bisschen wie der Keanu Reeves unter den Spieleentwicklern. Canabalt ist seine Matrix, an der er stets gemessen wird. Das ist zwar schade, aber auch nicht weiter verwunderlich, wenn man sich die spielehistorische Bedeutung seines Endless Runners vor Augen führt. Bleibt nur zu hoffen, dass Saltsman das Kapitel Canabalt mit der Steam-Veröffentlichung endlich abschließt, also quasi den Absprung schafft, damit dämliche Wortspiele dieser Art in Bezug auf seine Person der Vergangenheit angehören.