Colossal Cave Adventure: Die Geburt des virtuellen Abenteuers
Gerade erst ist die letzte Episode von Telltales The Wolf Among Us erschienen. Rätsel gibt es dabei kaum noch, stattdessen Atmosphäre zum schneiden und eine dichte und spannende Geschichte, die sich selbst zu Recht ernst nimmt. Es scheint trotzdem, als habe das Adventure-Genre in den vergangenen zehn Jahren beträchtlich an Komplexität verloren. Nicht nur die jüngsten Telltale-Abenteuer zeugen davon, auch in Double Fines Broken Age steht weniger das Kombinieren verschiedener Gegenstände im Vordergrund, sondern vielmehr die fantasievolle Geschichte rund um die beiden Protagonisten.
Diese Entwicklung – weg vom Rätsel, hin zur Geschichte – ist nicht die erste grundsätzliche Trendwende im Adventure-Bereich. Als Guybrush Threepwood noch kein Name, als SCUMM noch falsch geschriebener Abschaum war und Grafik auf Computern eine träumerische Zukunftsvision zu sein schien, war auf den Röhrenmonitoren alles schwarz. „Let there be light“, sprach William Crowther und schuf mitten in einer persönlichen Krise ein Spiel namens Colossal Cave – ebenfalls bekannt unter den Namen Adventure oder ADVENT, schließlich konnten Computer aus dem Jahr 1976 häufig nicht mit Dateinamen umgehen, die länger als sechs Zeichen waren. Colossal Cave war das erste Computerspiel-Adventure der Menschheitsgeschichte. Heute wirkt es befremdlich, dass es einst erfunden werden musste – viel zu nahe liegt vor allem Gewohnheitsvideospielern der Gedanke, mit Rechenmaschinen virtuelle Abenteuer zu erleben. Gerade deshalb lohnt sich ein Ausflug in die Geburtsstunde des Genres. Gelegenheit dazu gibt nun Colossal Cave Advenure, eine behutsam aufbereitete Version des Originals, die im Browser spielbar ist.
Textbasiert ist Colossal Cave Adventure nach wie vor. Dafür hat der Fernsehsender AMC, auf dessen Webseite das Spiel läuft, für eine automatische Hinweisfunktion gesorgt, zudem gibts umfangreiche FAQ, Erklärungen zu möglichen Befehlen und als Bonus zehn freispielbare Artworks. All das, obwohl der Sender das Spiel eigentlich nur deshalb online gestellt hat, weil es eine untergeordnete Rolle in seiner Serie Halt and Catch Fire spielt. Gerne möchte ich dies als Verneigung vor Colossal-Cave-Entwickler Crowther verstehen. Von Beruf Informatiker, hobbymäßiger Höhlenforscher, ging er Ende der 70er Jahre durch eine schwere Zeit. Seine Frau und er hatten sich scheiden lassen, er konnte die gemeinsamen Kinder nicht mehr sehen, sein Hobby wollte ihm auch keinen so rechten Spaß mehr machen. Als eine Art Selbsttherapie programmierte er. In seiner Fantasie verschwammen seine realen Höhlenabenteuer mit Dungeons-&-Dragons-Tabletop-Geschichten, das Ergebnis war Colossal Cave.
Im Gegensatz zu Adventures aus der Jetztzeit geht es bei Colossal Cave nicht unbedingt ums schiere Durchspielen. Stattdessen gibt es Punkte: pro Item, pro Goldschatz, pro gelöstes Rätsel. Außerdem zählt das Spiel die eingegebenen Befehle, die stets nur aus zwei Wörtern bestehen. Dass das Durchspielen schon beinahe nicht vorgesehen war, macht das etwas ungeschliffene Ende von Colossal Cave deutlich, bei dem der Eindruck entstehen könnte, dass Crowther nicht gedacht hätte, dass je jemand soweit kommen würde. Colossal Cave ist ein exploratives Adventure, ein Abenteuer im besten Sinne des Wortes. Während ich Textbefehle eintippe, erstehen erstaunlich schnell Bilder der Spielszenerie in meinem Kopf, der wie von selbst die fehlende Grafik ersetzt. Meine Höhle sieht aus eine eine Tropfsteinhöhle in der fränkischen Schweiz. Andere Spieler, andere Höhlen.