David: Kampf der Titanen
Hätte meine Religionslehrerin damals David und Goliath behandelt, wäre ich wohl zumindest für eine kurze Zeit aus meinem Stundenschlaf erwacht. Die Geschichte eines einfachen Schafhirten, der mit Grips und einer Schleuder den mächtigen Riesen niederstreckt, hört sich zumindest im Vergleich zu gewissen anderen Texten wie ein epochales Meisterwerk an. Vielleicht hat sich deshalb der Leitgedanke der Geschichte fest in den heutigen Zeit eingenistet, sei es in Form einer Redewendung, in Serien, Büchern oder Videospielen. Für letzteres dürfte das bekannteste Beispiel wohl Shadow of the Colossus sein, das meinen Unterkiefer durch die gigantische Präsentation mehrmals nach unten fallen ließ. David möchte nun diesen monströsen Fußstapfen folgen, verzichtet dabei aber gezielt auf die bombastische Darstellung.
Das kleine Quadrat David wird von einer übernatürlichen Macht ins Leben gerufen, die ihm sogleich den Sinn für die eigene Existenz aufträgt: Acht Biester – benannt nach Sünden, Emotionen und Tieren – gilt es zu erlegen. Bewaffnet ist David dafür nur mit einer Schleuder, die es vor jedem Schuss mühsam zu spannen gilt. Im Gegenzug verfügt man aber durch die kleine Statur über genügend Geschwindigkeit, um den Kreaturen immer einen Schritt voraus zu sein. So hüpft man nun in den gravitationsarmen Arenen geschickt über Plattformen und um Monster herum und versenkt seine Geschosse in diverse Ziele. Die Kämpfe gleichen einem Tanz um Leben und Tod, während die Monster von ihrer Umgebung bis hin zu ihrer Statur alles nutzen, um David frühzeitig zu seinem Schöpfer zu schicken. Sie drängen das Quadrat in Ecken und erdrücken es mit ihrem Gewicht, oder lauern in düsteren Gewässern, um ihm im fremden Element die Geschwindigkeit zu rauben. Ihre Bewegungen sind wohl das Eindrücklichste am ganzen Spiel und lassen sich nur schwer in Worte fassen. Wie genau ein Haufen Rauten und Dreiecke durch Animationen, Physik und Verhaltensmuster zum Leben erweckt werden kann, ist mir heute noch ein Rätsel.
Spätestens nach dem zweiten Kampf wird dann auch ersichtlich, wie diese Taktiken und Darstellungen mit ihren Namen verbunden sind. “Gier” beispielsweise prescht ohne Rücksicht auf Verluste nach vorne und regeneriert seine Lebenspunkte mit der Zeit. Jeden Boss erwartete ich dadurch mit Spannung und Ungewissheit. Bereits vor dem eigentlichen Kampf versuchte ich allein aus dem Namen mögliche Schwächen herauszulesen. Oft genug erwiesen sich diese Vermutungen als falsch und bedeuteten mein Ende. Hat man nach einigen Fehlversuchen dann doch alle Biester niedergestreckt, gilt es sich diesen nochmals zu stellen, um das letzte Tor namens “Sünde” zu öffnen. Neue Taktiken der Gegner und nur ein einzelner Lebenspunkt forderten hier erneut alle meine Geschicklichkeit heraus. Fehler wurden nicht verziehen und führen zum sofortigen Tod.
David ist ein schnelles, flüssiges und stilvolles Spiel. Mitreißende Bosskämpfe wurden selten so erfolgreich in einem minimalistischen Gewand dargestellt, komplett ohne dröhnende Bässe und Explosionen. Mit einer angenehmen Länge von etwa einer Stunde lässt sich David als ein erfolgreiches Demake von Shadow of the Colossus bezeichnen, das trotzdem auf eigenen Füßen steht. Es hat Herzblut und Charme. Eigentlich alles, was ich mir damals von meinem Religionsunterricht wünschte.