Daymare Town 1-4
Feine, schwarze Linien auf einfarbigem Grund und eine reduzierte Klangkulisse – mehr braucht es nicht, um eine ganze Welt zu erschaffen. Das stellt der selbsternannte Spielearchitekt Mateusz Skutnik mit seiner nunmehr vier Kapitel umfassenden Point’n’Click-Reihe Daymare Town unter Beweis. Aus Skizzen werden Szenen, und aus den Szenen erwächst eine Geschichte, so vage sie auch erscheinen mag. Wer der Protagonist ist, woher er stammt und wie er in die Stadt gelangt ist, all das bleibt ungewiss. Skutnik, der auch als Comicbuchautor arbeitet, sagte in einem Interview, dass interaktive Geschichten auf Basis nur spärlich eingeworfener Hinweise im Idealfall in den Köpfen der Spieler_innen entstehen und somit aus der für (Bilder-)Bücher typischen, narrativen Geradlinigkeit ausbrechen sollten.
Und diesem Prinzip folgt er konsequent, lässt mich im ersten Teil der Reihe plötzlich allein in einer fremden Stadt zurück, ohne mir helfende Informationen an die Hand zu geben. Warum bin ich hier? Die Antwort auf diese Frage bleibt aus, aber die bloße Neugierde reicht als Antrieb für die nun beginnenden Nachforschungen. Die wiederum erweisen sich, wie schnell deutlich wird, als recht kompliziert. Anders als etwa bei den Point’n’Click-Adventures des französischen Künstlers Jo 99 der Fall, wird hier nicht die visuelle Überfrachtung zum Problem, sondern das gegenteilige Extrem: Wenn ein Bildelement oftmals nicht viel mehr ist als eine geschwungene Linie, fällt die Differenzierung zwischen dringend Benötigtem und bloßem Geschnörkel denkbar schwer. Die Interaktionsbereiche verschmelzen mit dem Rest der Umgebung, und so auch die zu beschreitenden Pfade.
Oft stellt sich nach verzweifeltem, mehrmaligen Absuchen der gesamten Stadt heraus, dass sich an einer unscheinbaren Stelle doch noch eine kleine Gasse und in ihr dieser eine, fehlende Gegenstand verbirgt, den es zu finden und am richtigen Ort einzusetzen gilt. Gerade das kann zermürbend sein, aber zugleich sind die Rätsel und ihre Lösungen oft derart kreativ geraten, dass die sich einstellende Zufriedenheit für gewöhnlich alle vorherigen Strapazen ausgleicht. Auch die Einwohnerschaft trägt einen entscheidenden Teil dazu bei: Zwischen einigen Häuserzeilen steht ein nicht minder großer Zigarettenschmaucher, zottelige Winzlinge bieten ihre Waren feil, Gemälde entpuppen sich als Earl Grey-Trinker, und allerorten diskutieren wundersame Kreaturen über Nebel und Dunst. Obwohl nie explizit erklärt wird, was es mit all dem auf sich hat, geht Mateusz Skutniks Plan auf, das Unkonkrete wird erstaunlich greifbar, die ihm inhärente Logik schlüssig.
Die ersten drei Spiele der Reihe können kostenlos auf der Homepage des Entwicklers gespielt werden, Daymare Town 4 hingegen ist kürzlich als kostenpflichtige HD-Variante erschienen.