Detective Case and Clown Bot in: Murder in the Hotel Lisbon

Detective Case and Clown Bot

Es ist kein schöner Anblick: Büschelweise reißt sich die Frau ihre Haare vom Kopf, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht zu einer hysterischen Maske verzerrt. In einem deutschen Fernsehkrimi würde das Verhör vermutlich spätestens jetzt abgebrochen. Ich aber frage erbarmungslos weiter. Denn ich weiß: Es fehlt nicht mehr viel und dieser Vogel wird singen. Stolz erkläre ich mich zur Koryphäe in Sachen Vernehmungspsychologie. Leider bröckelt mein neues Selbstbewusstsein binnen Sekunden. Schon eine Frage später muss ich erkennen, dass das mit dem Singen nichts wird: In einem meiner weniger hellen Momente habe ich die Zeugin mit dem falschen Beweisstück konfrontiert und ihr damit offenbart, dass meine Indizienkette nicht besonders belastbar ist. Mein mühsam aufgebautes Beweisgerüst ist eingestürzt wie ein Kartenhaus und der kurze Moment, in dem es so aussah, als würde die Zeugin auspacken, ist ungenutzt verstrichen. Von einer Aufklärung des Mordes an Sebastian Love bin ich immer noch weit entfernt.

Das systematische Verhör ist in Detective Case and Clown Bot in: Murder in the Hotel Lisbon ein wichtiges Spielelement. Das ansonsten recht klassische Point&Click-Adventure gewinnt durch die regelmäßigen Vernehmungen an Abwechslung. Jedes Verhör folgt dabei dem gleichen Prinzip: In mehreren Runden muss ich jeweils eine von drei Fragen mit einem Gegenstand aus dem Inventar so kombinieren, dass die vernommene Person in Bedrängnis gerät und schließlich unter dem Druck der Beweislage zusammenbricht. Wähle ich in einer Runde die falsche Kombination, ist das Verhör gescheitert und ich muss von vorne beginnen.

Bei jedem Verhör kann ich wählen, ob das Gespräch durch Detective Case geführt wird – eine klassische Gestalt mit gelbem Trenchcoat und einem absurd großen, blauen Hut – oder durch seinen Sidekick Clown Bot. Der kleine Roboter mit der roten Leuchtnase, der gerne Zirkusclown geworden wäre, bleibt bis zum Spielende eine mysteriöse Figur. Im Verhör beweist er jedoch oft mehr Gespür als der recht grob gestrickte Detektiv.

Detective Case and Clown Bot

Detective Case and Clown Bot ist ein Projekt des portugiesischen Indie-Studios Nerd Monkeys und vermutlich das erste portugiesische Spiel, das ich gespielt habe. Es ist außerdem ein Musterbeispiel dafür, dass Spielatmosphäre keine hochentwickelte Grafik braucht: Bei einer Auflösung von nur 256 mal 192 Pixeln hat das Spiel unheimlich viel Charme. Da recken Tauben auf den Dächern ihre Köpfe, in unregelmäßigen Abständen fährt eine Straßenbahn oder ein Auto vorbei und verdeckt für einen Moment die Sicht auf die beiden Protagonisten. Und in der Press-Play-Arcade sind entzückend animierte Klone von Spieleklassikern wie Donkey Kong oder Tetris zu sehen. Dabei wechselt die Spielmusik vom klassischen Noire-Jazz zum Chiptunesoundtrack.

Die Story um den Mord an Sebastian Love im Hotel Lisbon erlaubt sich eine Menge Humor und Meta-Referenzen, darunter die Geschichte um Hotelzimmer 404 oder die Begegnung mit den Spieleentwicklern in einer dunklen Gasse, die einen dazu bringen möchten, noch ein bisschen mehr Geld an sie weiterzureichen. Der clownige Roboter fungiert durch das ganze Spiel als personifiziertes Loch in der vierten Wand – indem er ein kleines Tutorial dirigiert oder die Handlung durch den Zugriff auf angebliche Autosave-Dateien beeinflusst. Die Dialoge zwischen den beiden Ermittlern gewinnen dadurch an Reiz. Gelegentlich wird außerdem ein Sitcom-Publikum eingeblendet, das über (mäßig) gute Witze lacht und schlechte Witze ausbuht oder lautstarkes Mitgefühl äußert. Ich hätte darauf verzichten können, es stört aber auch nicht und dient dem an vielen Stellen sehr offen artikulierten Zweck, eine selbstreferenzierende Ebene über die eigentliche Handlung zu legen. Detective Case and Clown Bot versucht eben auch, ein Spiel über Spiele und ein Spiel für Spieler zu sein, und an vielen Stellen gelingt ihm das auf sehr ulkige Art.

Detective Case and Clown Bot in: Murder in the Hotel Lisbon

Die Detektivgeschichte, die sich in mehreren Akten entfaltet, bietet die genretypischen Wendungen und Überraschungen und ist, wenn auch nicht gerade übermäßig komplex, doch abwechslungsreich genug, um bis zum Ende zu fesseln. Drei unterschiedlich umfangreiche Nebenquests sorgen zusätzlich dafür, dass das Spiel an Länge, aber auch an Tiefe gewinnt. Leider bedient das Adventure aber auch so manches genretypische Klischee. Die weibliche Hauptfigur Stephanie Love erinnert optisch an die rothaarige Jessica aus dem Roger-Rabbit-Film, und glänzt vor allem durch einen übertriebenen Akzent, das regelmäßige Zurechtrücken ihrer Brüste und ihre legendäre Promiskuität. Detective Case leistet sich zudem in schöner Regelmäßigkeit sexistische Sprüche und Beleidigungen. Natürlich wird hier mit dem Typus des misogynen Privatermittlers ein Genreklischee aufgegriffen, und die naiven Versuche des Roboters, die sexuellen Anspielungen seines Begleiters zu verstehen, entkräften die Wirkungsmacht dieser Sprüche ungemein. Dennoch hätte es dem Spiel gut getan, wenn die Entwickler in Sachen Handlung und Charakterzeichnung ein bisschen mehr Vielfalt zugelassen hätten. Eine der Nebenquests deutet an, was hier möglich gewesen wäre: Die bizarre Geschichte um Truckfahrer Bob thematisiert traditionelle Geschlechterrollen und entblößt deren Absurdität.

Detective Case and Clown Bot

Auch wenn ich mir aufgrund der recht aufdringlichen Geschlechterklischees und eines sexistischen Ermittlers manchen resignierten Seufzer nicht verkneifen konnte, halte ich Detective Case and Clown Bot für einen der spannenderen Genre-Vertreter. Erzählerischen Tiefgang hat das Spiel nicht, braucht es aber auch nicht. Es gewinnt durch hochgradig absurde Ideen, die sich durchziehenden Spielreferenzen, das Aufbrechen der Linearität durch die Nebenquests und durch eine kluge Erweiterung des Point&Click-Prinzips. Und nicht zuletzt durch eine Designleistung, die beweist, wie enge technische Grenzen die Kreativität beflügeln können.