Evoland

Wäre ich vor knapp einem halben Jahr gefragt worden, ob eine Ausarbeitung des Ludum Dare #24-Gewinnertitels Evoland mein Interesse fände, so hätte ich dies bejaht. Die Erweiterung des virtuellen Streifzuges durch die Adventure-Genregeschichte klang nach einem verheißungsvollen, vielversprechenden Projekt. Das Designkonzept des Flash-Vorgängers war so simpel und originell zugleich, dass mir ein Scheitern unmöglich erschien — doch das Endprodukt enttäuschte mich bitter. Wieso eigentlich?

“Evoland is a game and a story […] of action adventure gaming as seen in the Zelda or Final Fantasy series, […] when a few pixels were enough to make us dream for hours.”
– Shiro Games

Dabei hat doch alles so gut angefangen zwischen uns. Beim ersten Zusammentreffen präsentierte sich Evoland als ein intelligentes Meta-Spiel, in dem die Entwicklungsgeschichte des Action-Adventure-Genres greifbar in Form einer Schatzsuche dargestellt wurde. Beginnend mit einer farblosen, entfernt an einen Pixel-Wald erinnernden Szenerie machten sich die Spielenden und der namen- sowie waffenlose Protagonist auf die Suche nach verstreuten Truhen. Diese beherbergten immer ein neues Element, welches entweder das Spielgefühl aufwerten oder aber den Spielprozess nachhaltig verändern sollte. Hier findet sich auch schon die Analogie zur Evolution der Adventures und damit die Grundidee von Evoland: Während sich das düstere 8-Bit-Gestrüpp des Beginns zu HD-Textur-Rosensträußen entwickelt, wird das manuelle Schwerterschwingen vom Auto-Feuer durch den anhaltenden Knopfdruck abgelöst. So wurde also nicht nur die audiovisuelle Ebene qualitativ aufgestockt, sondern schrittweise auch basale sowie konventionelle Spielelemente hineinintegriert. Gleich zu Beginn schleuderte Evoland den Spielenden augenzwinkernd eine Botschaft zu, da man die eigene Figur nur in eine bestimmte Richtung schlendern lassen konnte — bis diese eben auf eine Schatzkiste traf, die auch die anderen Bewegungsmöglichkeiten freilegte. Ein Moment des Schmunzelns folgte dem nächsten.

Die erste Version von Evoland wurde also mit viel Charme, einem präzise pointierten Witz und letztendlich mit Leben aufgefüllt. In der äußerst geringen Spieldauer entpuppte es sich als intelligenter Kommentar auf die Frage, inwieweit schon minimale Veränderungen das Spielgefühl massiv mitzusteuern vermögen. Evoland war für mich also ein unterhaltsames Meta-Spiel erster Güte, dessen Erweiterung ich doch theoretisch sehr lieben sollte, aber eben nur theoretisch. Praktisch jedoch stürzten mich drei Gründe in die Verzweiflung.

“New players will discover a bit of video game history and a very fun gameplay, and veterans will also enjoy a host of references to legendary titles scattered along the game.”
– Shiro Games

Da wäre zum einen das scheinbar am ADHS-Syndrom leidende Referenzenfeuerwerk benennen, das seinen Sprengstoff vorrangig aus dem sechsten und siebten Teil der Final Fantasy-Reihe bezieht. So bewacht der von einem bösen Geist heimgesuchte Wächter Kefka einen Energiekristall, der große Bösewicht heißt originellerweise Zephyros, der Protagonist Clink — eine kreative Namenssymbiose aus Cloud und Link — findet später ein Breitschwert namens Clauds Sword, seine Begleiterin trägt den Namen Kaeris (was nicht nur als ein Anagramm zu Karies lesbar ist) und natürlich sind auch gülden gefiederte Chobokos, ein geheimer Babamut-Schrein und ein alter, sich an der Luftfahrt erfreuender Onkel mit dem Namen Sid antreffbar. Aber keine Sorge: Das ist wirklich nur ein winziger Ausschnitt der gesamten Palette.

Ich persönlich empfinde das als unglaublich ermüdend und das Spiel unnötig in die Länge ziehend. Aus jeder bislang unbekannten Ecke winkt mir eine neue Anspielung zu, während die nächste schon Anlauf nimmt um mich von hinten niederdrückend und knuddelnd umzuspringen. Das mag gut gemeint sein und spricht sicher auch einige Spielende an — so beschreibt Jim Sterling von Destructoid diese Vorgehensweise gar als a shameless tribute –, aber ich halte dieses Aufmerksamkeitsgeheische einfach nicht aus. Um meinem Empfinden einen tieferen Ausdruck zu verleihen, möchte ich mich einer passenden Metapher bemühen: Vermochte der Vorgänger von Evoland noch als zum Schmunzeln bringender Weißclown zu agieren, wurde er nun von einer Dummer-August-Meuchelbande hinterrücks niedergemetzelt. Und ich muss auch noch zusehen, während sie mich erwartungsvoll anstarren und mir zurufen: Lach doch mal!

“So then, same song, new verses.
Not that I’m complaining, mind you. It’s quite a clever concept, and my nostalgia glands do enjoy a good glee juice secretion every once in a while.”
– Nathan Grayson

Ich lache nicht. Ich habe keinen Grund dazu. Schließlich lädt mich Evoland nicht dazu ein, noch weitere Stunden meiner Lebenszeit sinnlos zu verschenken. Dies liegt in der fehlenden Stringenz der konzeptionellen Durchführung begründet. Auch wenn es einem sehr linearen Aufbau folgt — ich kann Element B erst finden, wenn ich bereits Element A mein Eigen nennen kann –, so lässt sich keine durchdachte Ordnung feststellen. So unterscheidet sich das Kampfsystem innerhalb von Einzelgebieten und Dungeons (Feinde sind permanent als Objekte sichtbar, sie können direkt angreifen und auch angegriffen werden) grundsätzlich und parallel von dem der Weltkartenperspektive (das Auftauchen von Monstern richtet sich nach einem Zufallsgenerator, es herrscht ein rundenbasiertes Kampfsystem). Hier wurde an der notwendigen Konsequenz gespart. Ständig muss ich als Spieler mich neuen Gepflogenheiten unterordnen, obwohl diese bereits nach dem Prinzip der Evolution abgeschafft waren. GameSpot-Autorin Carolyn Petit sieht darin lediglich eine Schwäche, welche die Kreation einer einzigartigen Spieleidentität behindert. An diesem Punkt würde ich weitergehen un behaupten, dass Evoland sich hier selbst demontiert, da es das eigenständige kreative Kapital verspielt: Die grundsätzliche Spielidee — das Prinzip der Genre-Evolution — wird ausgelöscht.

Meine letzter Kritikpunkt gilt der überflüssigen Fokussierung auf vorrangig grafischen Entwicklungsstufen, die einfach dämlich horrende Ausmaße gefunden hat: Selbst geringfügigste HD-Textur-Verbesserungen werden beworben oder ein nur optisch ‘besseres’ Schwert angepriesen. Wie auch Björn Balg von Eurogamer finde ich es persönlich sehr schade, dass nur sporadisch auf spielemechanische Veränderungen eingegangen wurde. Warum wurde ein Kartenspiel — das Triple Triad oder Tetra Master nicht nur ähnelt — eingefügt, aber nicht etwa Beschwörungszauber? Warum werden die aus Super Mario bekannten Goombas und Piranha-Pflanzen parodiert, aber kaum ein Vorstoß in die Richtung eines anspruchsvollen Rätseldesigns oder einer eigenständigen Erzählung unternommen? Und warum stimmt mich das überhaupt so traurig?

Dennoch ein paar versöhnliche Worte zum Ende: Natürlich ist dieses Spiel kein totaler Reinfall — aber es hat einen Großteil seines Potenzials sinnlos verschenkt. Es hätte ein unterhaltsames Stück Videospielgeschichte werden können, das für den Anfang recht gut informiert und zugleich alles erfahrbar macht. Evoland wollte sowohl Geschichte als auch Spiel sein, scheiterte jedoch an diesem Anspruch. Manchmal ist die Idee von etwas besser als deren Umsetzung; so geschehen bei Evoland.