Begegnung der dritten Dimension: FEZ
Dass ich die letzten Tage von unglaublicher Freude erfüllt, laut quietschend und breit grinsend verbrachte, hat zwei mögliche Ursachen. Erstens: Ich sah süßen Hamstern dabei zu, wie sie kleinere, süßere Hamster mithilfe noch kleinerer, noch süßerer Hamster streichelten. Zweitens (und tatsächlich so geschehen): Ich konnte nach jahrelanger Wartezeit endlich FEZ auf der Xbox 360 spielen.
Der von Polytron erschaffene Puzzle-Plattformer war fünf Jahre lang in Entwicklung, ist einer der drei in Indie Game: The Movie vorgestellten Titeln und hat schon weit vor seiner Veröffentlichung haufenweise Auszeichnungen erhalten. Ob der Hype berechtigt ist? Ich denke schon. Erlaubt mir, zu erörtern.
Würde jemand einen großen Knüppel mit den goldenen Lettern “Nostalgie” beschrifteten und damit auf mich einschlagen, beschriebe das meinen ersten Eindruck von FEZ ganz gut. Bunte Pixelgrafik mit qualitativ hochwertiger Ästhetik und süßen Charakteren (UND niedlichen Tieren!) trifft auf einen aufpolierten Chiptunes-Soundtrack und eine Steuerung, bei der bloßes Herumspringen tatsächlich Spaß macht.
Gomez ist ein 2D-Kerl in einer 2D-Welt und wird eines Tages von einem älteren Herrn namens Geezer auf die Spitze des liebevoll “Village” getauften Dorfs gerufen. Dieser erklärt, dass nun Abenteuerzeit sei, woraufhin ein riesiger Würfel über Gomez’ Kopf erscheint und ihm einen Hut auf den Kopf pflanzt, mit dem er im Folgenden in die dritte Dimension blicken kann. Die spielfüllende Aufgabe beginnt, als der Würfel explodiert und seine Einzelteile überall verstreut werden – und selbstverständlich wieder eingesammelt werden müssen.
Weil Geezer, der den gleichen Hut in verstaubterer Ausführung trägt, nur noch ein Auge hat und demnach wenig Feingefühl für räumliche Tiefe besitzt, liegt es an Gomez, die dritte Dimension zu erforschen, Artefakte zu sammeln, Rätsel zu lösen und damit das gesamte Universum zu retten. Mit den Schultertasten des Controllers kann die Betrachtungsperspektive der Welt schrittweise um 90 Grad gedreht werden.
Ähnlich wie beim PSN-Puzzler Echochrome eröffen sich je nach Perspektive neue Wege: Leitern, die vorher zig Meter weit auseinander lagen, wachsen zusammen, Blöcke bilden Treppen, Schatztruhen werden erreichbar. Was relativ kompliziert klingt, ist in der Umsetzung eine sehr interessante und herrlich verspielte Mechanik, die immer unkompliziert genug bleibt, um nicht zu frustrieren.
Einen riesigen Pluspunkt gewinnt FEZ für mich durch seine mit Vielfalt gepaarte Spielerfreundlichkeit. Das Spiel ist aufs Spiel reduziert, Rätsel können stets ohne jeglichen Druck gelöst werden: Kein Zeitlimit, keine Gegner, keine Cutscenes und keine Quicktime-Events hindern an maximaler Entspannung. Selbst nach Gomez’ Tod wird dieser prompt an der letzten sicheren Stelle wiederbelebt.
FEZ macht erwiesenermaßen glücklich. Um die letzte von vier geheimnisvollen Türen zu öffnen und das Ende des Spiels zu erreichen, müssen 32 Blöcke (oder deren Einzelteile) gesammelt werden. Für mich war dabei jeder Block ein kleines Erfolgserlebnis. Puzzles laden zum Ausprobieren neuer Spielweisen ein und fühlen sich nie wie Hindernisse oder Bestrafungen an. FEZ nimmt an die Hand wo es kann, wird aber nie langweilig.
Wer sich zu Höherem berufen fühlt, kann zusätzlich 32 “Anti-Blöcke” sammeln, die wesentlich schwerer zu erreichen sind und mit Sicherheit ein nettes alternatives Ende freischalten. Ich bin dafür leider zu doof sammle selbst noch fleißig weiter. Besonders rätselhafte Geheimnisse zwangen mich bislang übrigens dazu, einen QR-Reader zu installieren, Sternenbilder zu analysieren und mit Zettel und Stift ein mysteriöses Alphabet zu entschlüsseln.
Freunde hübscher Klangwelten dürfen sich freuen: Ein beachtlicher Teil der Magie von FEZ steckt nämlich in seinem hervorragenden Soundtrack. Die 8-Bit-Legende Disasterpeace hat sich offensichtlich Mühe gegeben, die visuell transportieren Eindrücke in die Akustik zu übertragen. 29 hervorragende Stücke untermalen das Geschehen von sonniger Strandkulisse bis zum gruseligen Friedhof hervorragend und drücken das Spiel auf der Awesomeness-Skala noch ein ganzes Stück höher. Zusammen mit den restlichen Soundeffekten und Ambient-Stellen ohne Melodie bewirkte die Tonspur bei mir Nostalgie, wie sie ich sie seit langem nicht erleben durfte.
Neben Ästhetik, Spielmechanik und Geräuschkulisse konnten mich der Meta-Humor und die semi-archäologischen Thematik von FEZ begeistern. Hier und da sind Wände mit seltsamen Schriftzeichen beschriftet, die erst mal nur verwirren, sich dann aber in späteren Leveln wiederfinden – und je nach Typ des Spielers bloße Dekoration oder der Schlüssel zum hundertprozentigen Durchspielen sind.
Bei besonders schwierigen Rätseln wusste ich leider nicht, ob ich gerade überhaupt fähig bin, diese zu lösen, oder ob es sich lohnen würde, sich noch ein paar Stunden den Kopf darüber zu zerbrechen. Wer mal nicht weiter weiß, kann glücklicherweise umkehren und einen anderen Weg ausprobieren. Der Nachteil wird hierbei deutlich, wenn man ein Level mit fünf Türen betritt, von denen die erste in ein Level mit fünf weiteren Türen führt und so weiter – die Zweige breiten sich sehr weit aus und man verliert leicht den Überblick.
Dass ungefähr 150 durch Türen oder Portale miteinander verbundene Areale entdeckt werden können, ist erfreulich, wird bei Betrachtung der Karte allerdings zum Kritikpunkt. Diese zeigt zwar an, ob sämtliche Dinge in einem Level entdecken wurden, ist ansonsten aber ein heilloses Chaos, dem ich stellenweise nur unter Anstrengung folgen konnte. Schön wäre es, könnte man direkt von der (idealerweise besser verständlichen) Karte in Level springen. Schön wäre es auch, würde das Spiel beim Übergang von Level zu Level nicht so sehr ruckeln, dass ein schneller Sprung fatal endet. Technische Mäkel dürften dank hoher Testerzahl Spielerzahl in der nächsten Zeit allerdings verschwinden.
FEZ ist sicher nicht perfekt, für mich aber verdammt nah dran. Die reguläre Storyline habe ich in 5-6 Stunden und am Stück bewältigt, danach ging es im New-Game-Plus-Modus von vorne los – eingesammelte Blöcke bleiben erhalten, zusätzlich gibt es eine spaßige neue Fähigkeit. Und es sind die verspielten Rätsel, der Hauch von Desorientierung und die Liebe zum Detail, die mich noch immer so fesseln. Hach, welch süßes Pixelglück.
Wer es so richtig durchspielen will, wird einiges an Zeit in FEZ investieren müssen. Gesagt sei jedenfalls, dass der Glanz einer perfekt abgerundeten Spielerfahrung hier und da ein wenig durch Ruckler und eine schreckliche Levelkarte abblättert, und dass unter keinen Umständen Walkthroughs zurate gezogen werden sollten. Denn nichts ersetzt das wunderbare Gefühl, nach Stunden endlich die Lösung eines unmenschlich kryptischen Rätsels gefunden zu haben.