Fire Theft: Die künstliche Intelligenz von nebenan

Fire Theft

Als Angela Merkel kürzlich zu einem Staatsbesuch nach Japan flog, wurde sie dort, noch bevor sie Kaiser Akihito persönlich traf, von einem 1,40 Meter großen Roboter namens Asimo begrüßt. “Good Morning, Madam Chancellor“, sagte Asimo und eigentlich war wohl geplant, dass er der Kanzlerin die Hand geben sollte. Am Ende funktionierte das nicht besonders gut, weshalb sich Merkel selbst nach der Hand bücken musste – ein Ereignis, das Indizien dafür liefert, dass künstliche Intelligenzen inzwischen zwar in der Lage sind, vortrefflich Schach zu spielen. Echte soziale Interaktion mit Menschen beherrschen sie aber nicht. Für den Antholojam machten sich die Entwickler Micah Johnston und Matt Starsoneck an ein Gedankenexperiment: Was wäre, wenn KIs doch sozial interagieren könnten? Und welchen Einfluss hätte das auf uns Menschen, die wir ohnehin gerade dabei sind, unser Leben zu großen Teilen im Internet zu führen? Diesen Fragen widmet sich ein kurzes Point-and-Click-Adventure namens Fire Theft.

Wer nun Angst hat, es könnte sich bei Fire Theft um ein kulturpessimistisches Machwerk handeln, das die Machtübernahme der Maschinen als große Schreckensvision an den Horizont skizziert, kann sich beruhigen: Ebendas wollten die Entwickler gerade nicht zeigen. Sie versetzen den Spieler in die Rolle eines NSA-Agenten, der oder die ein verlassenes Fabrikgelände untersuchen muss, weil es dort in der Vergangenheit zu unerklärlichen Spitzen beim Energieverbrauch gekommen ist. Dort angekommen, lernt der Protagonist vier künstliche Intelligenzen kennen, die zwar nie sichtbar sind, mit denen der Spieler aber jederzeit ein Gespräch anfangen kann. Jede dieser Intelligenzen hat eine ganz eigene Persönlichkeit – Bee etwa wirkt flatterhaft, jung und wirft gerne mit Emoticons um sich.

Polarity

Die Gespräche mit den KIs gehen durchaus in die Tiefe und beschäftigen sich etwa mit der Frage der Geschlechtsidentität bei künstlichen Wesen. Die erste künstliche Intelligenz, die Kontakt zum Spieler aufnimmt und deren Name bei jedem Neustart des Spiels wechselt, erwähnt ihrerseits den US-Philosophen John Searle, der sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen man einem Computer Gedanken zuschreiben kann. Searle unterscheidet dabei zwischen einer schwachen und einer starken KI. Stark verkürzt formuliert: Während die schwache KI menschliches Verhalten nur simuliert, möchte die starke KI ihrerseits selbst denkende Computer bauen.

Ob die künstlichen Intelligenzen im Spiel nun stark oder schwach sind, beantworten die Entwickler nicht. Letztlich funktionieren sie eher als ein Abziehbild unseres menschlichen Verhaltens, insbesondere im Internet. Gegenüber uns Menschen haben künstliche Intelligenzen einen entscheidenden Vorteil: Sie können frei bestimmen, was sie sein wollen. Wenn ich mich im Internet als belesene 25-jährige Literatur-Studentin präsentierte, wäre das schlicht gelogen. Ich wäre das menschliche Gegenstück einer schwachen KI, ich würde nur simulieren. Eine starke KI kann dagegen jederzeit beschließen, was sie sein will – weiblich und belesen, männlich und dumm, ganz egal. Allein: Ihr fehlt der Körper. Mit Fire Theft versuchen die Entwickler eine Antwort darauf zu finden, ob es wirklich unser Körper ist, der uns davon abhält zu sein, was wir wollen.