Größer, komplexer, ausladender – interaktive Unterhaltung muss immer umfangreicher werden. Flewn zeigt, dass es auch umgekehrt funktionieren kann.
Sagen wir zwanzig Minuten. Viel länger dauert es nicht, bis man das Wesentliche von Gabriel Smetzers interaktiver Graphic-Novel Flewn gesehen hat. Doch enttäuschend ist am Ende nicht die knapp bemessene Spielzeit, sondern viel mehr die Tatsache, dass man sich dieses kleine Kunstwerk nicht wie einen schweren Bildband in das Regal stellen kann. Denn was Flewn an Umfang fehlt, macht die liebenswerte Erzählung ästhetisch in jeder Hinsicht wieder wett – als hätte sich Wes Anderson ein neues Medium erschlossen und Paulo Coelho das Skript dazu entwerfen lassen.
Nur mit Mühe streift der alte Wal auf seinen Holzstelzen durch die Wüste, wenn die Geschichte beginnt. Das karge Panorama soll einst sein natürlicher Lebensraum gewesen sein. Nun befindet sich das Land im festen Griff der Dürre. Klar: Der müde Koloss möchte zurück in das Meer. So minimalistisch und anrührend diese Ausgangsprämisse gezeichnet ist, so sehr lässt Flewn den Betrachter runterfahren. Keine Quicktime-Events. Nicht eine einzige Dialog-Optionen. Nur die Swipe-Mechanik, mit der ich mich in meinem eigenen Tempo von Panel zu Panel bewege. Das geschmackvolle Design findet sein akustisches Äquivalent in melancholischen Folk- und Post-Rock-Miniaturen, die sanft über das Szenario getupft werden und das meditative Ambiente der tröstlichen Fabel verblüffend gut einfangen. Selbst hier hat Gabriel Smetzer noch selbst Hand angelegt und den stimmungsvollen Soundtrack des aus Chicago stammenden Musikers Enoch Kim alias The Muse Maker um einige Gitarren-Schnörkel ergänzt.
Wenn die Geschichte dann bereits nach den besagten zwanzig Minuten ein Ende findet, dann könnte das durchaus überraschen. Tut es aber gar nicht, braucht die Erzählung doch wirklich keine Minute mehr, um seinen sehr frei interpretierbaren Schlussakzent zu setzen. Ein Plädoyer für die Pointe? Leider nur fast, denn neben dem Kerninhalt probiert Flewn seine Halbwertszeit mit einem öden Extra-Modus zu strecken, der im Grunde nichts anderes macht als eine halbherzig umgesetzte Flappy-Bird-Mechanik um den Plot zu stricken. Mein Rat: Komplett ignorieren und im Zweifel lieber noch mal die tolle Geschichte von vorne beginnen lassen.