Frozen Synapse zum Anfassen

Schon vor vielen Monden erschien der rundenbasierte Taktik-Titel Frozen Synapse für alle verbreiteten Heimcomputersysteme. Es regnete Lob und Preise, die Entwickler von Mode 7 schoben noch ein Expansion Pack nach … und dann wurde es ruhig. Doch diese Ruhe ist jetzt vorbei. Frozen Synapse breitet sich unaufhörlich aus. Die iOS-Version ist gerade erschienen, die Android-Version steht für Juni in den Startlöchern und ein Ableger für PS Vita und Playstation 3 ist auch in Arbeit.

Ich bin Neuling im Frozen Synapse-Universum und habe mich mit dem iPad erstmals in den Kampf gewagt. Das Spielprinzip ist leicht erklärt: Zwei Teams stehen sich mit einer Handvoll von Einheiten in einer begrenzten Arena gegenüber. Jede Seite plant pro Runde alle Aktionen des eigenen Teams und speichert diese ab. Die Gegenseite geht ebenso vor und anschließend präsentiert der Computer die Ergebnisse. Aus dieser Konstellation ergibt sich ein großartiges Psychospiel der Erwartungen.

Die Einheiten sind mit einem klassischen Arsenal an Waffen ausgestattet, die jeweils ihre Vor- und Nachteile mit sich bringen. Der Raketenwerfer zerstört jede Deckung, ist jedoch auch sehr langsam. Die Schrotflinte ist effektiv auf kurze Distanz, aber nicht aus der Ferne. Beim Scharfschützengewehr verhält es sich umgekehrt. Neben dem effektiven Waffeneinsatz ist jedoch das Vorhersagen der gegnerischen Handlungen das zentrale Merkmal für den Erfolg.

Ein typischer Gedankengang bei der Planung der nächsten Aktionen läuft oft folgendermaßen ab: “Der Gegner geht bestimmt links an dem Raum vorbei, dann gehe ich in den Raum und erwische ihn mit der Schrotflinte durch das offene Fenster. Aber da steht noch sein Raketenwerfer und der schießt bestimmt die Wand kaputt und dann kann mich der Typ mit dem Maschinengewehr anvisieren … vielleicht sollte ich doch rechts vorbei gehen. Oder? Oder doch lieber nicht?”

Nach minutenlangem Grübeln hat man sich selbst von der eigenen, glorreichen Taktik überzeugt, legt die Wegpunkte mit ein paar flinken Fingerbewegungen fest, gibt den Startbefehl und beobachtet, wie doch wieder alles anders kommt als geplant. Der Gegner lief weder links noch rechts am Raum vorbei, sondern mitten hinein und meine Einheit findet ihren schnellen Tod. Selten war rundenbasierte Taktik so dynamisch und spannend. Jede Handlung im Spiel trägt Konsequenzen nach sich und die können eindeutiger kaum sein: Ein Fehler — und die eigenen wenigen Einheiten sind Geschichte.

Apropos Geschichte, die gibt es in Frozen Synapse auch, muss aber nicht weiter beachtet werden und versumpft in der langen Einzelspielerkampagne leider etwas zu sehr in wildem Technologie-Hokuspokus. Die einzelnen Missionen bieten jedoch hervorragende kleine Gefechte gegen eine gute KI. Das Herzstück von Frozen Synapse ist aber der asynchrone Multiplayermodus. In acht Spielmodi können iPad- und PC-Spieler plattformübergreifend gegeneinander antreten. Das psychologische Verwirrspiel nimmt bei einem menschlichen Gegenüber noch viel extremere Züge an und liefert damit auch einen erhöhten Spielspaß.

Über die neue iPad-Version lässt sich fast nur Positives berichten. Trotz des etwas überfrachteten Interface geht die Bedienung nach kurzer Eingewöhnung leicht von der Hand. Die Menüführung ist dagegen sehr altertümlich und das unbedingt nötige Tutorial wartet nur mit kurzen Videoclips auf, die zu Beginn mehr Fragen aufwerfen als sie zu beantworten. Davon sollte sich aber kein Neueinsteiger abschrecken lassen, da die Missionen der Kampagne auf natürliche Weise in die verschiedenen Mechaniken einführen.

Frozen Synapse bündelt grandiose und knallharte Rundenstrategie mit einer minimalistischen Optik, die den Blick auf das Wesentliche richtet: Wo stehe ich, wo steht der Gegner, wie sind die Sichtlinien, wer geht wohin? Für Touchscreen-Taktiker mit Geduld und Frustresistenz ist Frozen Synapse damit ein Fest. Fehler werden gnadenlos bestraft, doch der Erfolg schmeckt schließlich umso süßer.