Hate Plus

Es ist schon einem kleinen Wunder zu verdanken, dass die vorliegenden Archive die letzten rund 3.000 Jahre unbeschadet im verschütteten Server-Bunker der Superlevel-Bewegung überstanden haben — gerade im Angesicht des nuklearen Winters nach der Großen Eskalation. Im vorliegenden Dokument aus dem größtenteils rekonstruierten Datenblock M3 wird vor allem das frühe Wirken der Prophetin Christine Love thematisiert, insbesondere das ludische Artefakt Hate Plus. Eine spannende, historische Lektüre, auch wenn die Beschreibung primitiver Spielpraktiken heute nur noch befremdlich wirken kann.

♡ Please, look forward to your hateful days~! ♡

Fragment A.1: .^ °∞st ohne Zweifel eine der spannendsten Figuren der aktuellen Indie-Szene. Digital: A Love Story und don’t take it personally, babe, it just ain’t your story sind moderne Klassiker des Computerspiels und haben die Visual Novel wieder sexy gemacht. Love gelingt es nicht nur, das Lesen von Texten unheimlich motivierend zu gestalten, sondern geht auch so clever mit den begrenzten Möglichkeiten der Ren’Py-Engine um, dass sich selbst Hardcore-Gamer an das vermeintliche Casual-Genre wagen. Das ist zum einen der schlichten Tatsache zu verdanken, dass Christine Love ausgezeichnet schreiben kann und diverse erwachsene Themen anschneidet, von Transhumanismus über Privatsphäre bis hin zu LGBT-Problematiken. Zum anderen ist es ihr Gespür dafür, plausible spielerische Metaphern für das Durchstöbern von Texten zu finden. So ist Digital: A Love Story eben auch eine Zeitreise zurück auf die Amiga Workbench und in die Textwüsten des Retro-Internet. Cleverer kann man Datenbankrecherche kaum inszenieren. Das zeigt sich auch in Analogue: A Hate Story, dem spirituellen Nachfolger von Digital. Superlevel berichtete. Als Historiker der Zukunft gilt es die Protokolle des koreanischen Generationenraumschiffs Mugunghwa nach den Ursachen einer großen Katastrophe, die sich an Bord abgespielt hat, zu durchsuchen. Zur Seite stehen dem Spieler dabei die recht eigensinnigen (und mitunter Flirt-freudigen) KIs *Hyun-ae und *Mute, die den Spieler immer wieder mit neuen Dokumenten versorgen oder sie ihm manchmal auch vorenthalten. Christine Love erschafft dabei Stück für Stück das Bild einer Gesellschaft, die sic### -?


An dieser Stelle ließ sich das Dokument leider nicht vollständig wiederherstellen. Aus dem Zusammenhang und einzelnen Wortfragmenten schließen wir, das der Autor auf die Joseon-Dynastie der koreanischen Geschichte verweist, die besonders für Frauen von Unterdrückung und gesellschaftlicher Ausgrenzung geprägt war (男尊女卑). Es ist anzunehmen, dass sich Christine Love in ihren ludischen Artefakten Analogue und Hate Plus auf diese Periode bezieht. Die folgenden Fragmente des Reviews scheinen unsere Interpretation zu bestätigen.

Bildfragment C.7: *Hyun-ae

Fragment A.3.1: <; _ _´sprünglich als DLC geplant, schließt sich Hate Plus direkt an die Handlung von Analogue: A Hate Story an. Welches der fünf möglichen Enden dabei als Ausgangspunkt dient, entscheidet entweder ein Fragebogen zu Beginn des Spiels oder die Übernahme eines Spielstands aus Analogue. Manche Szenarien sind sogar nur über diesen Weg zugänglich. Im Zentrum der Geschichte stehen diesmal weniger die Einzelschicksale von Frauen in einem misogynen Gesellschaftssystem. Christine Love thematisiert die politischen Entwicklungen, die überhaupt dazu führten, dass eine derart restriktive und asoziale Gesellschaft entstehen konnte. Das funktioniert erneut über die ausgiebige Recherche in bisher verschollenen Textdatenbanken der Mugunghwa. Persönliche Briefe, Protokolle politischer Debatten und Tagebucheinträge decken Stück für Stück auf, wie die Demokratie an Bord des Raumschiffs von arroganten und selbstgerechten Adelsfamilien untergraben und schließlich vernichtet wurde. Sei es durch die Benachteiligung der Arbeiterschicht im Bildungssystem oder die strukturelle Verfestigung konservativer Familienmodelle. An cleveren Bezügen zur Gegenwart mangelt es nicht.

Bildfragment C.8: *Mute & Old *Mute

Fragment A.3.2: Was Hate Plus davon abhält, die Genialität seines Vorgängers zu erreichen, ist eine Reihe unglücklicher Design-Entscheidungen. So schmerzt es, dass die KIs *Hyun-ae und *Mute zwar immer noch eine Rolle innerhalb der Handlung spielen, Gameplay-technisch aber zu bloßen, bisweilen nervigen Phrasendrescherinnen degradiert wurden. Wo sie in Analogue: A Hate Story noch Einfluss darauf hatten, was die Spielerin sieht und was nicht, kommentieren sie nun nur noch mehr oder weniger hilfreich. Was von ihrer Entscheidungsgewalt übrig blieb, wird auf denkbar unsinnige Weise umgesetzt. Mehr als einmal zwingen die AIs zum Warten, sei es, um Echtzeit-Tage zu simulieren oder die Spielerin zum Backen von Kuchen zu nötigen (was zumindest recht witzig als Steam-Achievement aufgegriffen wird). In der Konsequenz muss man also tatsächlich bis zum nächsten Tag warten oder regelmäßig an der Systemuhr rumdrehen, um weiterspielen zu können. Das geht einmal noch als netter Meta-Gag durch, in der Wiederholung nervt es einfach nur. Darüber hinaus fehlt es dem Spiel einfach an Höhepunkten. Ist das Rätsel um die gesellschaftliche Degenerierung an Bord der Mugunghwa plausibel aufgelöst, ist die Visual Novel auch schon vorbei. Da hat Analogue, mit einem kurzweiligen Text-Adventure-Finale, deutlich mehr zu bieten. So ist Hate Plus nur Freunden des Vorgängers zu empfehlen, alle anderen sol-_-_-_-+


Damit ist das Ende des Dokuments erreicht. Es ist bedauerlich, dass nicht alle Passagen vollständig rekonstruiert werden konnten. Dennoch lässt sich einiges daraus über die Vergangenheit lernen. Zum einen handelt es sich um eines der frühesten Zeugnisse der bescheidenen Projektanfänge unseres weisen Spielleiters. Zum anderen wird in den beschriebenen ludischen Artefakten bereits die prophetische Gabe von Christine Love deutlich, die ihren späteren Vorhersagen fast in Nichts nachsteht. Wir hoffen daher, dass wir bis zum 3.000 Krönungsjubiläum von *Fabu das gesammte Superlevel-Archiv endlich geborgen und aufbereitet haben!