iOS – Defender of the Crown
Als 1986 die frisch gegründete Softwareschmiede Cinemaware mit dem Grafikspektakel Defender of the Crown auf dem Amiga ihr Debüt feierte, fielen reihenweise die Kinnladen nach unten. Ein derart schönes Spiel hatte es bis dato nicht gegeben und Cinemawares Erstlingswerk wurde sogar noch Jahre später als grafische Referenz für Commodores 16bit-System gehandelt.
Die Geschichte spielt im England zur Zeit des Mittelalters und weist diverse Parallelen zu Invanhoe auf.
“Nach der Ermordung König Richards und dem Diebstahl der königlichen Krone ist England in Aufruhr. In dieser Situation kämpfen sechs Lords um die Vorherrschaft im Land, der Spieler sieht sich in die Rolle eines der vier sächsischen Lords versetzt und muss die unterschiedlichsten, meist actionlastig gehaltenen Aufgaben bewältigen.”
Der Pixelkunst stand jedoch ein eher mittelmäßiges Gameplay gegenüber. Die Strategie- und Actioneinlagen verloren recht schnell ihren Reiz, ja, langweilten sogar, also erlabte man sich in erster Linie an Atmosphäre und Kopfkino, bis die Motivationskurve schließlich steil nach unten fuhr. Irgendwo in der Mitte traf sie auf die eigene Kinnlade und trotz diverser Mankos schloss man das Spiel in sein Herz.
Inzwischen sind 25 Jahre vergangen. Die bisherigen Versuche, den Kult neu aufleben zu lassen, scheiterten mehr oder weniger. Cinemaware atmet zwar noch bzw. wieder, macht auf mich aber eher den Eindruck einer kopflosen Mumie, die durch eine Softwarepyramide irrt.
Basierend auf dem Amiga-Emulator “iAmiga” (ich berichtete), veröffentlichte Manomio nun Defender of the Crown (iTunes-Direktlink) fürs iOS. Halleluja!
Bevor ich näher auf das Spiel eingehe, möchte ich aus meinem Artikel vom letzten Jahr zitieren:
“Jaja, Vorfreude ist die schönste Freunde. So sehr ich mich zum guten alten Amiga auch hingezogen fühle — die C64-App auf dem iPhone hat mir gezeigt, wie wenig vom Charme des Originals transportiert werden kann. Leider.
Das ist ungefähr so, als würde man mit Fäustlingen onanieren.Kaum eine andere Applikation hat mich in der Theorie so fasziniert — und entpuppte sich in der Praxis als bittere Enttäuschung.”
Um eines vorweg zu nehmen: Die iOS-Fassung mag vielleicht keine bittere Enttäuschung sein, es wäre jedoch absurd, sich vorzumachen, man könne die magischen Momente aus der Vergangenheit emulieren. Schlagt euch das endgültig aus dem Kopf, werte Zielgruppe.
Defender of the Crown sieht in Relation zum Alter noch erstaunlich gut aus, aber das war ja bereits damals das primäre Highlight und sollte deswegen nicht überbewertet werden. Die Emulation läuft gut, stellenweise zu gut, da Ladezeiten und Soundaussetzer — wie schon damals auf dem Amiga — nerven. Apropos Sound: Der klingt ziemlich blechern und sollte mit reduzierter Lautstärke konsumiert werden, da sonst rasch die Ohren schmerzen. Das größte Manko, zumindest auf dem iPhone, ist meiner Meinung nach die Steuerung, die über einen emulierten Mauszeiger bewerkstelligt werden muss. Es mag sein, dass das auf dem iPad weniger ins Gewicht fällt, aber auf dem Display meines iPhone 4 macht das schlichtweg keinen Spaß und führt über kurz oder lang zur Frustration.
Der Käufer erhält für 2,39 EUR ein Stück Videospielgeschichte. So weit, so gut. Fans vom Klassiker dürfen das gern investieren, müssen aber eine etwaige Enttäuschung in Kauf nehmen. Die Wahrscheinlichkeit, das Spiel nach ein- oder zweimaligem Betrachten nie wieder anzurühren, ist relativ hoch. Ich persönlich rate zum Original in Kombination mit Vice (C64) bzw. WinUAE (Amiga) oder alternativ zur kostenlosen Onlineversion in Shockwave.
Es bleibt abzuwarten, welche Amiga-Titel ‘Manomio’ als nächstes ins Rennen schickt – meine Vorfreude hält sich nachwievor in Grenzen. Etwas spannender könnte es werden, wenn der Emulator irgendwann mittels Hack und Jailbreak geöffnet werden sollte. Alle Wege führen nach Rom.