Journey

“Look on my works, ye mighty, and despair.”

Ich habe gelesen, dass sich Journey erst dann entfaltet, wenn nach langem Wandern in der makellos gestalteten Einsamkeit der TGC-Wüste eine weitere Spielerfigur — ein echter Mensch, namenlos, irgendwo auf der Welt, durch puren Zufall mit mir verbunden — mit wehendem rotem Schal auf einer Düne auftaucht. Doch das ist nie passiert.

Journey ist Jenova Chens neuer Versuch, Emotionen durch das Medium Spiel zu vermitteln. Es ist eine Weiterentwicklung der Ideen aus dem flOw-Sammeltrieb und der schieren Freude daran, seine Spielfigur in Bewegung zu setzen, wie im fabelhaften Flower.

Der Spieler wird als stilisierte Figur in roter Burka in einer gewaltigen Wüstenlandschaft ausgesetzt und muss einen in der Ferne leuchtenden Berg erreichen. Ich drücke den linken Analogstick nach vorne, und der Pilger setzt sich in Bewegung. Schritt für Schritt. Wäre mir ein anderer Reisender begegnet, wir hätten einander per Tastendruck zusingen können. Alleine ist Journey eine Übung in Einsamkeit, die umso deutlicher spürbar ist, weil immer die Hoffnung bleibt: Hinter der nächsten Düne, da könnte ein neuer Gefährte auf mich warten.

Wie in allen anderen thatgamecompany-Spielen, wird das Warum hinter der Reise nie eindeutig beantwortet. Auch Alternativen gibt es nicht. Wer vom Weg abweicht, wird von Windstößen erfasst und wieder auf den richtigen Pfad gepustet. Journey ist keine Reise durch eine offene Welt, es ist die Reduzierung der Idee des Videospiels als lineare Pilgerreise auf eine tatsächliche Pilgerreise im Videospiel.

Es fügt sich nahtlos in eine Reihe aktueller Spiele wie Dear Esther und Proteus ein, die wenige traditionelle Spielmechaniken einsetzen und sich darauf konzentrieren, durch die Entdeckung von Landschaft und Klang zu wirken, bleibt aber immer eindeutig als Spiel zu erkennen. Bevor der Berg erreicht werden kann, müssen die Landschaften erkundet, Brücken aus schwebenden Teppichen durch das Betätigen von versteckten Schaltern gebaut und magische Stofffetzen freigesetzt werden, die den Pilger durch die Luft schweben lassen, um neue Abschnitte zu erreichen.

Nur bin ich mir genau so wie mit den völlig sinnlosen Schieberätseln im ansonsten beeindruckenden To The Moon nicht sicher, ob nicht umsonst versucht wurde, mehr Spiel zu integrieren. Uninspirierte Schalterrätsel bleiben uninspirierte Schalterrätsel, egal wie schön der Sand unter den staksigen Füßen der Spielfigur glimmert. Die Rätsel sollen dazu dienen, mehr über die Zivilisation zu erfahren, durch deren Ruinen man im Zuge der Pilgerreise streift, doch helfen sie nicht.

Wenn der Pilger mit wehendem Schal unter halb verfallenen Torbögen über die Dünen gleitet, während im Hintergrund eine riesige Sonne langsam untergeht und der Sand schöner glänzt als jede Leistung einer längst untergegangen Kultur, dann ist das eindeutiger, schöner, berührender als Shelleys Ozymandias. Und kein Schalterrätsel vermag dem noch etwas hinzuzufügen.

Journey hat mich abwechselnd vor Begeisterung jubeln lassen, mir Angst eingejagt und mich Mitleid und Einsamkeit spüren lassen. Es ist bei weitem kein perfektes Spiel, aber sehr wohl eine perfekt orchestrierte Erfahrung. Wenn mir Journey etwas gegeben hat, dann den Wunsch es zu teilen — und ich bemitleide jeden, der zu zynisch, zu voreingenommen oder desinteressiert ist, um sich darauf einzulassen.

Journey ist über PSN für €9,99 auf der PS3 erhältlich. Mehr Informationen gibt’s auf der offiziellen Webseite.