Kickstarter Fundgrube: Massive Chalice, Unrest, Nelly Cootalot, Armikrog
Diese Woche habe ich wieder die übliche bunte Tüte, mit sowohl bekannten Namen als auch völligen Neueinsteigern in die Kickstarterwelt. Hier gibt es nicht nur Projekte, die vielleicht interessante Spiele ergeben werden, sondern auch die, die Fragen und Diskussionen über die Regeln und Praxis von Crowdfunding aufwerfen. In welchen Situationen ist Crowdfunding die angebrachte Methode, Investition in ein Projekt zu ergattern? Was ist davon zu halten, wenn ein Projekt eigentlich genug Geld hätte, dieses aber nicht selbst investieren will? Sollte es in Ordnung sein, selber finanziell nachzuhelfen, wenn ein Unterstützungsziel nicht erreicht werden kann? Und wie soll damit umgegangen werden, dass inmernoch ein Großteil der Teilnehmer das ganze Konzept als eine Art Markt für Vorbestellungen sieht, und nicht als eine Investition in grundsätzlich unsichere Projekte?
Double Fine’s Massive Chalice
Mit Massive Chalice kehrt Double Fine zu Kickstarter zurück — genauer gesagt mit einem rundenbasierten Taktikspiel, das die Jahrhunderte lange Geschichte einer feudalen Fantasywelt erzählen soll.
In diesem Singleplayertitel wird die übergreifende Strategiekampagnie viele Generationen der Einwohner eines Landes umfassen. Auf der Strategieebene des Spiels wird es darum gehen, das Königreich zu verwalten, neue Technologien zu erforschen und weitreichende strategische Entscheidungen über die Armeen und Helden zu treffen, während auf der Taktikebene mit kleinen Heldengruppen in Rundenkämpfen die Verteidigung des Reiches bestritten werden soll. Aufgrund der erzählten Zeitspanne können Helden alt werden und sterben, aber auch in den Ruhestand gehen, um eine neue Generation an Helden zu zeugen und ihre Ausrüstung und Fähigkeiten weiterzuvererben. Alter und Erfahrung sind aber auch in der Schlacht von Vorteil, so dass hier immer eine Balance gefunden werden muss.
Das letzte Kickstarterprojekt von Double Fine ist noch immer in Produktion, beschäftigt aber anscheinend nicht das ganze Studio, so dass jetzt ein Team für dieses neue Unterfangen abgestellt wurde. Brad Muir ist hier Projektleiter — der Schöpfer von Iron Brigade, Programmierer für Psychonauts und Designer von Brütal Legend. Das Unterstützungsziel ist bereits erreicht, aber konkrete Stretchgoals sind noch nicht angekündigt worden.
Unrest
Unrest wird ein Rollenspiel, das in vielen Punkten versuchen will, Dinge anders zu machen, vor allem durch ein ungewöhnliches Setting und eine neue Herangehensweise an narrative Konventionen.
Spielen wird Unrest im Indien der Antike, in einer Zeit massiver politischer Unzufriedenheit und gewaltsamer Aufstände. Statt der sonst üblichen großen Helden geht es hier um die Geschichten der Straße und der Bevölkerung; statt von epischen Reisen und Kämpfen handeln die zentralen Konflikte von Nahrung und Sicherheit, während die Legenden der Helden den Hintergrund bilden. Im Spiel wird es in erster Linie um die Erkundung der Stadt mit ihrem Umland gehen, ebenso wie um die Interaktion mit den diversesten Charakteren und das Verfolgen der eigenen Ziele durch Dialoge und Kämpfe. Gespräche drehen sich dabei meist um die Beziehungen zwischen den Figuren, die manipuliert und eingeschüchtert, aber auch überzeugt und bestochen werden können. Kämpfe dagegen sollen selten, vermeidbar und immer die letzte Option darstellen, die stehts Konsequenzen nach sich zieht. Betonung liegt auf der sozialen Interaktion, den politischen Hintergründen und dem Sozialgefüge im Spiel.
Das Projekt hat bereits sehr viel Unterstützung bekommen und eine Vielzahl an Stretchgoals erreicht, wie einen erweiterten Plot, neue Regionen, mehr Charaktere, Gegenstände und grafische Verbesserungen.
Rhythos RPG Builder
Rhythos RPG Builder wird ein neuer Spieleeditor, der leicht zu benutzen, ausbaubar und plattformübergreifend sein soll.
Inspiriert wurde dieses Projekt vom RPG Maker und basiert auf der Rhythos Arcade beta und wird ein Editor, mit dem man ganze Rollenspiele selbst erstellen und auf diverse Plattformen exportieren kann. Dabei soll das Ganze sehr einsteigerfreundlich sein, damit sowohl Anfänger als auch Fortgeschrittene damit realisieren können, was sie sich von ihrem jeweiligen Spiel erhoffen. Der Editor selber wird kostenlos und als Open-Source Projekt vertrieben, so dass es von der Community immer weiter modernisiert und angepasst werden kann. Ob das auch tatsächlich stattfindet, hängt natürlich von der Popularität des letztendlichen Produktes ab, ist aber in der Theorie ein guter Ansatz. Eine ganze Reihe der geplanter Features ist bereits fertig gestellt, aber für den größten Teil ist noch Geld erforderlich. Die Unterstützung ist bislang ein bisschen halbherzig und wirft die Frage auf, ob es eigentlich für so einen Editor wirklich nennenswerte Nachfrage gibt, die von bereits existierenden Programmen nicht gedeckt wird. Aber gerade solche Fragen bekommen Entwickler ja bei Kickstarter zweifelsfrei beantwortet.
Nelly Cootalot
Nelly Cootalot wird ein Retro-Piratenabenteuer in klassicher Point-and-Click-Manier und mit Fokus auf witzigen Charakteren und nautischem Humor.
Ein Bösewicht hat Vögel entführt und plant Schlimmes mit einem eingefrorenen Vulkan. Da muss natürlich die Titelheldin, ihres Zeichens Piratin und Verteidigerin aller niedlichen Tiere, ran, Vögel befreien und böse Menschen aufhalten. Im Kern geht es hier um die Erkundung einer wirklich netten, handgezeichneten Cartoonwelt, die Interaktion mit diversen seltsamen und lustigen Gestalten und natürlich das Lösen von Rätseln und das Entdecken von Geheimnissen, wie es sich für dieses Genre gehört. Nelly Cootalot ist der Nachfolger zu dem wenig bekannten, aber kostenlosen, Abenteuer Nelly Cootalot: Spoonbeaks Ahoy, das als Demo des Konzepts dienen kann. Das neue Spiel soll sowohl einige Geschichtsstänge des Vorgängers weiterführen als auch für Neueinsteiger verständlich und spielbar sein.
Trotz (oder vielleicht wegen) erheblicher Zahnschmerzgefahr und Niedlichkeitsüberladung läuft die Unterstützung bisher recht vielversprechend.
Endica VII — The Dream King
Endica VII The Dream King ist nach seinem Relaunch auf Kickstarter wieder mit von der Partie, mit einem kooperativen sidescoller Actionrollenspiel in der Tradition von Metroid, Castlevania und anderen Spielen ihrer Ära.
Das Spiel basiert auf der Engine und dem Konzept von Mega Man Perfect Harmonie des gleichen Entwicklers, dass als Spieldemo für den hier vorgestellten Titel dienen kann. The Dream King kombiniert Spielelemente von vielen verschiedenen alten und beliebten Spielen, wie es bei solchen Nostalgieprojekten oft der Fall ist. Im Kern geht es aber um das übliche Navigieren von Plattformen und den Test von schnellen Reflexen. Es wird außerdem ein Mehrspielertitel mit Betonung auf Kooperation. So kann man wahlweise zu viert gegen die Welt, die Gegner und die Minispiele losziehen, oder gegeneinander in Viererteams um verschiedene Ziele und in verschiedenen Modi antreten.
Besondere Aufmerksamkeit liegt in der Entwicklung aber auf den Charakteren und der Geschichte sowie den Rollenspielelementen wie Charakterfortschritt und der Ausbau von Fähigkeiten, aber auch auf der Interaktion mit verschiedenen NPCs, um mehr über die Geschichte und die Welt zu erfahren. Um der Welt Frieden zu bringen muss hier ein Held einen hohen Turm hinauf, um dort der König der Träume zu werden. Dabei braucht er wohl reichlich Unterstützung von seinen Freunden, aber warum ein kooperatives Spiel letztenendes doch wieder die Geschichte eines Helden erzählt, bleibt offen.
Armikrog
Armikrog wird ein Point’n’Click-Abenteuer von Pencil Test Studios, den Machern von Earthworm Jim, und der Nachfolger im Geiste eines ihrer anderen Titel, The Neverhood.
Viele Mitglieder des ursprünglichen Neverhood-Teams sind jetzt wieder zusammengekommen, um aus Knetanimation und Skulpturen ein Spiel zu machen. Ein Weltraumerkunder ist mit seinem blinden Hund auf einem seltsamen Planeten notgelandet und muss nun die Geheimnisse und einen Ausweg aus der Festung namens Armikrog finden. Für das Spiel werden eine Vielzahl an Puppen aus Knetgummi hergestellt und dann mit der Stop-Motion-Technik animiert, um einen einzigartigen und einprägsamen Stil in Grafik und Animation zu erzeugen. Die Gelder von Kickstarter gehen dabei in das physische Bauen der Puppen, in physische Sets mit Licht und Kameras sowie auch in die üblicheren Entwicklungsausgaben von Spielen.
Das Unterstützungsziel dieses Projektes ist ziemlich hoch, da es sich naturgemäß um eine teure und zeitaufwändige Produktion handelt. Es ist allerdings schon mehr als die Hälfte des Ziels erreicht, was dafür spricht, dass es nicht unerhebliche Nachfrage nach Spielen gibt, die mal etwas anders sind.
Gewinner, Verlierer, lobende Erwähnungen
Der Preis für die steilste Unterstützungskurve geht zweifellos an Raging Heroes. Es handelt sich hier um drei Armeen aus 28mm hohen, weiblichen Soldatenminiaturen mit hohem Detailgrad. Das Projekt erreichte sein Unterstützungsziel binnen 30 Sekunden und stieg in einer Stunde über 100.000 Dollar. Gerade die große Zahl an hochstufigen Unterstützern zeigt mal wieder, dass mehr Geld in das Sammeln von Miniaturen gesteckt wird als die Laien sich so denken würden. Ich jedenfalls werde das Projekt beobachten, sei es auch nur um zu sehen, wie hoch das Level noch steigen kann.
Ein weiterer interessanter Gewinner dieser Runde ist Video Games: The Movie, eine Langfilm-Dokumentation über die Welt der Videospiele. Das Projekt will gegen Vorurteile und falsche Vorstellungen vorgehen mit einer Darstellung der Entwickler und der Spieler, der Historie und der Kultur mit einem Fokus auf die Kunst- und Sozialaspekte des Mediums.
Das ebenfalls erfolgreiche A Hat in Time wird jetzt ein nostalgischer 3D-Plattformer um das Sammeln diverser Dinge. Die Zeit der bunten Spielwelt fällt auseinander und die Titelheldin muss alles wieder zusammensetzen, wobei natürlich in erster Linie gerannt und gehüpft wird, aber der Multitool-Regenschirm bietet auch andere Fortbewegungen wie das Pogo-Upgrade oder der Seilhaken.
Moon Rift wird ein Rollenspiel und Plattforming-Shooter mit zufällig generierten Leveln und ebenso zufällig zusammengestellen Waffen, die verschiedene Eigenschaften Kombinieren und so sehr viele verschiedene Optionen bieten sollen. Ansonsten gibt es die üblichen Feinde und Bosse, Beutestücke und Explosionen, die man in diesem Genre erwartet sowie eine Demo.
Tiny Keep hat auch auch sein Ziel erreicht und wird ein prozeduraler 3D-Dungeoncrawler in der Tradition von Rogue-likes und klassichen Rollenspielen. Neu hier soll die KI werden, die den Helden auf ungewöhnlich intelligente Weise durch Räume und Korridore jagen wird. Für diejenigen, die sich für die technische Seite prozeduraler Generierung interessieren, gibt es auch eine Dungeongenerationsdemo.
Adventure Maximus wird ein kartenbasiertes Einsteigerrollenspiel für Kinder, mit starkem Fokus auf Kreativität und Problemlösung sowie Interaktion und Teamwork. Es wird weitesgehend wie ein herkömmliches Pen&Paper Rollenspiel funktionieren, aber mit überschaubaren Regeln und kinderfreundlichem Setting.
Auch geschafft hat es es Battle Tails, ein strategisches Verteididungsspiel für iOS und Android. Es bringt Tower Defense in ein sidescrolling Format, in dem es gelten wird, mithilfe der defensiven und offensiven Gebäude und einem Helden ein Dorf zu verteidigen.
Das leider weniger erfolgreiche Shadow of the Eternals sollte ein Action-Adventure mit psychologischen Horrorelementen werden, in dem eine komplexe narrative Struktur über 12 Episoden, 2.500 Jahre der Menschheitsgeschichte und diverse Ebenen der Realität vollzogen werden sollte. Allerdings hätte das Ganze über eine Million Dollar gekostet und es wurde schnell klar, dass so eine Summe dafür nicht zusammenkommen würde. Der Entwickler kündigte an, dass dies keineswegs das Ende sei. Sie wollen die gewonnene Aufmerksamkeit nutzen, um das Projekt in ein paar Wochen wieder aufzustellen und vorher die Präsentation und den Entwicklungstand verbessern. Wenn sie das Ziel aber nicht erheblich senken, sehe ich da immernoch geringe Chancen, interessante Prämisse hin oder her.
The Kingsport Cases, ein prozedural generiertes Horrorspiel im Lovecraft-Setting, hat dagegen sein Ziel erreicht, nur um prompt von Kickstarter selbst geschlossen zu werden, weil der Produzent des Projektes die noch offenen 8.000 Dollar selbst beigesteuert hat. Das eigene Kickstarterprojekt zu unterstützen verstößt gegen die Regeln und ist darüber hinaus eine reichlich fragwürdige Praxis. Jetzt versuchen die Entwickler das Problem mit Kickstarter auszudiskutieren, aber das Projekt ist erstmal vorbei und alle Unterstützer erhalten ihr Geld zurück.
Von unseren Mitspielern der letzen Runde sind Darkwood, Stonehearth und The Stomping Land erfolgreich abgeschlossen worden.
Nicht geschafft hat es leider Target Earth. Und Ray’s the Dead hat das Projekt selbst beendet, weil es nach eigener Aussage bessere Möglichkeiten gefunden hat. Die sind zwar noch geheim, sollen es aber ermöglichen, das Spiel billiger und für mehr Plattformen zu realisieren.
Unsere Augen können natürlich nicht überall sein. Solltet ihr also bei Kickstarter oder anderen Crowdfunding-Plattformen auf spannende, gaming-relevante Projekte stoßen, schickt uns doch bitte eine oder informiert uns via Twitter.