Legend of Grimrock
Die vier finnischen Entwickler von Almost Human sind gnadenlose Chirurgen. Mit erschreckender Präzision entfernen sie den Ballast der letzten 25 Jahre vom längst toten Dungeon Crawler und entdecken in Legend of Grimrock ein pulsierendes Herz voller Großartigkeit.
Legend of Grimrock ist die langerwartete Liebeserklärung an Dungeon Master, ein frühes Rollenspiel, in dem Helden schrecklichen Monstern, furchtbaren Fallen und leeren Bäuchen in unterirdischen Katakomben trotzten. Statt aber wie in den bekannteren Nachfolgern im Geiste wie Might & Magic oder Wizardry Monster in rundenbasierten Kämpfen in Stücke zu hacken, wurde in Dungeon Master in Echtzeit gekämpft. Legend of Grimrock entdeckt nun dieses Spielprinzip für sich wieder und beweist eindrucksvoll Jeff Vogels These, dass Indiegames Ideen am Leben halten, die von anderen Designern für tot erklärt wurden.
Vier Helden werden in die Verliese von Grimrock geworfen und müssen sich in die Freiheit kämpfen. Grimwas? Egal. Warum? Spielt keine Rolle. Wer die Helden sind? Helden halt! Aus vier Rassen (Menschen, Minotauren, Echsen- und Insektenmenschen) und drei rudimentären Klassen (Krieger, Schurke, Zauberer) lässt sich eine Heldentruppe zusammenstellen, die hoffentlich den kommenden Herausforderungen gewachsen ist. In einer Blockformation — zwei Helden vorne, zwei hinten — zieht die Gruppe durch Grimrock.
Das Verlies selbst ist dabei wie ein Spielbrett in ein Raster geteilt: Jeder einzelne Schritt bewegt die Heldengruppe ein Feld weiter. Stoßen die Helden auf bösartige Gargoyles, Skelettkrieger oder Riesenschnecken, hilft nur der Kampf. Per Klick auf die Waffensymbole der Helden werden Schläge ausgelöst. Folgeattacken müssen sich, ähnlich wie etwa bei Final Fantasy-Kämpfen, erst je nach Waffe eine Weile aufladen. Diebe kommen aus der Messerstecherei gar nicht heraus, behäbige Minotauren brauchen eine ganze Weile, bis sie die Riesenschnecke mit dem Knüppel niederstrecken.
Weil alles in Echtzeit abläuft, werden die Kämpfe weniger zu einer gemächlichen, taktischen Herausforderung wie in Frayed Knights, sondern zu Gefechten, in denen sich cleverer Positionswechsel bezahlt macht, um Attacken auszuweichen und die hinteren Reihen zum Angreifen zu bringen. Grimrocks Sounddesign sorgt dabei dafür, dass sich nie das Gefühl von Sicherheit einstellt. Immer scharren irgendwo Skelettkrieger mit den Knochen, krabbeln Spinnen durch leere Gänge und halten die Helden im Alarmzustand.
Die Feinde, die Grimrock dabei gegen die Helden wirft, bleiben aber das kleinste Problem. Viel eher ist es der mit teils ziemlich kniffligen Rätseln gefüllte Dungeon, der zum größten Widersacher wird. Versteckte Schalter wollen entdeckt, Teleporterrätsel gelöst, Geheimgänge erkundet werden und kryptische Wandinschriften richtig interpritiert. Es sind toll gestaltete Rätsel, mit denen Grimrock Helden gefangen hält. Momente, in denen die Lösung zu einem besonders gemeinen Rätsel offensichtlich wird, nachdem bereits die Hälfte der Wände nach geheimen Schaltern abgesucht wurde, haben mich genauso jubeln lassen wie die erste besiegte Skelett-Phalanx oder der erste ausgelöste Zauberspruch.
Ich hatte befürchtet, Legend of Grimrock würde durch die scheinbare Simplizität nicht packend genug werden, aber das Gegenteil ist der Fall.
Das labyrinthische Verlies wird in den Vordergrund gerrückt, die Heldengruppe zum Werkzeug und Grimrock zum Austragungsort des Wettkampfs zwischen Spieler und Designer. Diese Reduktion verwandelt Grimrock in ein fantastisches Spiel, das in kürzester Zeit schafft, einen Rhythmus aus Rätseln, Kämpfen und Entdeckungsreise zu entwickeln, den ich von einem längst vergessenen Genre nicht erwartet hätte und das uns schon im Podcast gruppenweise in Begeisterung ausbrechen ließ.