LOWREZJAM 2016: 4.096 Gründe, Spiele zu entwickeln
Der Low Rez Jam 2016 ist bereits über zwei Monate her. In Internetzeit sind das schätzungsweise zwölf Monate. Eine halbe Ewigkeit also. Das soll uns aber nicht daran hindern, euch eine Auswahl der insgesamt 392 Einreichungen vorzustellen. Wer am Gamejam teilnehmen wollte, musste lediglich eine Regel beachten: eine Auflösung in Höhe von 64×64 Pixeln. Das ist nicht viel. Und dennoch schafften es zahlreiche Entwickler, auf dieser kleinen Fläche Beachtliches zu leisten. Hut ab.
Legend of Xenia (Win/Mac)
Wibke Weigl Ich wache orientierungslos an einem Strand auf. Wo oder wer ich bin und wohin ich soll, weiß ich nicht. Prompt finde ich jedoch ein Schwert – groß, teuer und schwer. Sherlock wäre stolz, denn ich kombiniere blitzschnell: gleich darf ich was verprügeln! Und so haue ich auf giftige Schleimklumoen und Ghostridergedächtnisschädel ein, bis der Finger taub wird. Nebenbei befreie ich das Schloss samt Königin und finde heraus wer ich bin. Da ich das alles so toll mache, gehe ich dabei in die Geschichte ein als Legend of Xenia. Kurzweilig und niedlich schafft es das Spiel dabei, dass ich den Cliffhanger am Ende auch mitnehme und mich frage: “Wo ist eigentlich der König geblieben?” (Hoffentlich wird die Frage noch beantwortet, denn ich bin gerade so schön im Schwung im Schleimklumpenverkloppen.)
Norman’s Sky (Win/Mac/Linux)
Pascal Simon Ich gebe es nicht gerne zu, aber ich muss: Ich bin ein furchtbar schlechter Raumschiffpilot. Es tut mir leid, was ich meinem Raumschiff angetan habe. Denn nach der beeindruckenden Startsequenz, die mittlerweile jeder drei Mal bei Twitter gesehen haben sollte, muss man das Ding dann auch wirklich steuern. Navigation im dreidimensionalen Raum ist schon schwer genug. Und Entwickler, die nicht einsehen, dass die Verwendung von Y und Z in einem nicht konfigurierbaren Steuerschema keine großartige Idee ist, machen es einem auch nicht einfacher. Ich kann mir nicht vorstellen, wie schlimm Norman’s Sky auf einer französischen AZERTY-Tastatur sein muss, auf der ich mal tippen musste. Merde! Aber genug von meinem persönlichen Unvermögen abgelenkt: Nachdem ich mit einer Sonne kollidierte und dann versehentlich komplett orientierungslos auf der dunklen Seite eines Planeten landete schaffte ich wirklich eine kontrollierte Umrundung eines farbenfrohen Himmelskörpers. Und auch mit nur 4.096 Pixeln löste Norman’s Sky große Erkundungsfaszination aus und machte mich ein bisschen glücklicher als vorher.
Tiny Dungeon
Pascal Simon Tiny Dungeon hat mich an die Grenze meiner eigenen, geistigen Leistungsfähigkeit geführt. Nicht, dass es als Twin-Stick-Shooter für mich als alten Twin-Stick-Shooter-Veteranen mit Bindestrichproblem eine übermäßige Herausforderung gewesen wäre, nein, ganz im Gegenteil: Ich war oft schockiert davon, wie wenig das Spiel eigentlich von mir verlangt. Denn das Spielziel ist sehr deutlich, ich sollte nur ein paar Knöpfe drücken und die Tür erreichen. Aber alleine dadurch, dass der ganze Minibildschirm voll war mit Feinden und Hindernissen, fühlte ich mich ständig unter Druck gesetzt, diese alle zu beseitigen, selbst wenn die Lösung weitaus einfacher gewesen wäre. Ich weiß nicht, ob ich mich jemals aus eigener Kraft aus meiner Welt voller völlig unbegründeter Videospielkonventionen befreien können werde. Senden sie bitte Hilfe und begeben sie sich dann ohne Umwege zum Ausgang.
Lost Ethernal (Win/HTML5)
Daniel Ziegener Ich weiß nicht, warum ich überhaupt losgegangen bin, den Pfad hinab, nur um von einem magischen Portal ausgesperrt zu werden. Nun erkunde ich auf der Suche nach einem Rückweg diese eigenartige Welt aus fliegenden Inseln und unsichtbaren Brücken. Auf meinem Weg begegne ich riesigen Gestalten. Als ich die erste treffe, suche ich noch hektisch nach der Taste, die mich angreifen lässt. Aber so eine Taste gibt es in Lost Ethernal nicht. Sie ist auch gar nicht nötig, denn trotz ihrer Größe sind die Wesen, die ich treffe, auf meine Hilfe angewiesen… die eines vier Pixel hohen Winzlings, der – wie sich nach Lesen der Beschreibung des Autors herausstellt – hier auf seine verstorbene Familie trifft.
Die Hilfe gewähre ich ihnen durch das Lösen verschiedener Puzzles. Mal muss ein geheimer Weg gefunden, dann ein simples Schalterrätsel gelöst werden. Dass die zugrundeliegende Mechanik der Puzzles trotz einiger Abwechslung nicht wirklich interessant ist und die Laufwege ein paar Mal unelegant in Kreise oder Sackgassen führen, ist angesichts der kurzen Dauer dieses Game-Jam-Beitrages nicht weiter schlimm. Entwickler Eric Howard überlegt, den zweitplatzierten Titel des LOWREZJAM zu einem vollständigen Spiel mit einem Umfang von drei bis fünf Stunden auszuweiten. Wenn dort in die Gestaltung der Rätsel ähnlich viel Fantasie wie in die Gestaltung der Welt fließt, freue ich mich auf eine Rückkehr. Lost Ethernal gibt schon jetzt den Einblick in eine Welt, in der noch viel zu entdecken ist.
CUBIX LowRez Edition (Win/Unity)
Hendrik Thiel
Ich spiele so CUBIX LowRez Edition und denke “Hä, was muss ich denn machen, ach so, Klötzchen zu Dreierhaufen anordnen, okay, und oben und unten gleichzeitig, aber Alter ist das lahm, und wo ist der Witz, es gibt doch nur eine sinnvolle Spielstrategie, weil man doch eh nicht genug Platz für Combos hat, macht man halt von jeder Farbe Zweiertürmchen, und das Oben und Unten ist ob der geringen Auflösung so nah aneinander, dass es keinen Unterschied macht, wieso hab ich mir ausgerechnet dieses Spiel ausgesucht, oje, sogar schneller wirds nur langsam, oh, man kann ja auch drei nebeneinander auflösen, das macht das Ganze ja noch einfacher, wieso spiel ich das überhaupt noch, ist das der Casual-Game-Effekt, werd ich jetzt Casual Gamer, einfach nur sinnlos die gleichen Aktionen machen, Hauptsache, bunte Farben, oh hoppla, das wird jetzt aber doch schnell, und ohje, wieso kann ich denn Gelb und Orange so schlecht auseinanderhalten, oh shit, Konzentration, nanu, das fühlt sich jetzt ja doch gut an, fast wie Twenty, nur halt leichter und kleiner, aber aaahhpuuh Konzentration!, ——— AHNEINDASCHEISSE Hm, oh, ich hab 10.910 Punkte! Das schafft bestimmt niemand sonst.”
Starlight (HTML5)
Carsten Sandtner Die Sterne leuchten nicht mehr! Ich, der Wanderer ohne Namen, bin herabgestiegen, um den Sternen wieder ihren Glanz zu bringen. Soviel zur Geschichte. Meine Aufgabe: Klicke dich von Stern zu Stern. Mein Aktionsradius ist beschränkt, die Übersicht gering. Zum Glück kann ich aus dem Bild herauszoomen und somit die Route meiner Sternreise besser planen. Ich reise zu den ergrauten Sternen und erleuchte sie wieder – 135 davon soll ich reaktiveren. Ich klicke und klicke, bin am vermeintlichen Ziel. Doch es passiert nichts. Mir fehlen satte 40 Sterne. Also wieder zurück und suchen. Der Sinn meiner Reise ist mir nicht ganz klar, aber das Ende interessiert mich sehr und lässt mich dennoch ratlos zurück. Starlight ist eine Art minimalistischer Walking Simulator mit schöner Grafik und man merkt dem Spiel die Limitierung der LoweRez Jam kaum an. Technisch sehr schön gemacht.
Ace Tennis 64 (Win)
Fabu Tennis ist voll mein Ding, oder, naja, es war mal voll mein Ding. Als Kind gehörte Tennis Manager zu meinen Lieblingsspielen und als Jugendlicher spielte ich einige Jahre im Verein. Bis heute üben Tennisspiele eine gewisse Faszination auf mich aus, deswegen führte an Ace Tennis 64 eigentlich kein Weg vorbei.
Aufschlag, Return, Fehler. Aufschlag, Return, Fehler. Aufschlag, Return, Fehler. Das zog sich bei mir über etwa 10 Minuten hin, bis ich die Steuerung verstand. Nachdem das geschah, begann der Spaß. Okay, nach einer halben Stunde hatte ich die Schnauze voll und wechselte zu Virtua Tennis auf der PS Vita. Das ist dann doch eeeeetwas besser. Die inzwischen verfügbare Version 2.x wurde merklich aufgebohrt und weicht im Gegensatz zum Original recht weit von den Regeln des Gamejams ab. Tja, eine klassische Verschlimmbesserung, wenn ihr mich fragt. Ich vergebe drei von fünf hinkenden Balljungen.
Helpdesk Florida (HTML5)
Fabu Hotline Miami. Helpdesk Florida. Versteht ihr? VERSTEHT IHR? Gut. Diese Hommage an Dennatons fetzigen Mordsimulator gehört zu meinen Favoriten beim diesjährigen Low Rez Jam. Man erkennt ganz klar den geistigen Vater und das bekannte Spielprinzip funktioniert auch in dieser geringen Auflösung sehr gut. Helpdesk Florida ist demnach ein recht klassisches Demake. Ich mag Demakes. Mehr noch: Ich empfinde sie als hervorragendes Stilmittel, um ein vorhandendes Spiel audiovisuell auf die Grundfunktionen und/oder -aussagen runterzubrechen. Das ist hier gelungen und verdient somit fünf von fünfs eingeschlagenen Schädeln.
Umbri (HTML5)
Carsten Sandtner Wow, das sind nur 64×64 Pixel? Umbri haut mich grafisch vom Hocker. So liebevoll und mit viel Herzblut animierte Charaktere. Aber first things first. Ich spiele den Prinzen Umbri, der die dunkle Illusion von der Erde… Ach, die Story ist irrelevant. Umbri bietet Arcade-Platform-Action mit Ninjasternen! Wer braucht da eine Story? Deine Aufgabe: Infizierte Elemente zu reinigen, sprich mindestens einmal drüber zu laufen. Klingt anfangs leicht. Prinz Umbri kann aber nicht ohne weiteres an Wänden oder Decken laufen. Dafür kann er scheinbar die Schwerkraft manipulieren und sich somit vertikal und horizontal bewegen. Dazu kommen wandernde Sägeblätter, Fleischfressende Pflanzen und andere Fieslinge. Dank eines Ninjasterns können sie neutralisiert werden. Die Level sind abwechslungsreich und bieten immer wieder etwas Neues. Vor allem auch Frust, denn das Spiel ist nicht wirklich leicht. Und das führt mich zu meinem einzigen Kritikpunkt: Die Steuerung. Mit gedrückter Z-Taste und einer Richtungstaste kann ich an die jeweilige Wand oder Decke gleiten. Das ist sperrig und schwer kontrollierbar. Das Spiel mit Gamepad-Unterstützung wäre ein Traum. Umbri ist eines der Game Jam Spiele, die das Potential haben etwas Größeres zu werden!