Ludum Dare 27: Narcoleptic Chicken Kid
“You play as a narcoleptic chick stuck in a coop full of very angry and hungry wolves that have killed your family.”
Es gibt kaum etwas, das Schutzbedürfnisse so sehr weckt wie der Anblick eines süßen Tieres, eines Kükens beispielsweise. Schockierend die Bilder, in denen knallgelbe Babyhühner via Fließband für die Nahrungsmittelindustrie in den sicheren Tod transportiert werden, entpersonalisiert und zur Ware abgestempelt. In ihrem Ludum Dare-Beitrag Narcoleptic Chicken Kid nehmen sich die Illustratorin und Entwicklerin Lianne Booton zusammen mit ihrem Team Sadbrains das Schicksal eines einzelnen Kükens vor. Weniger traurig wird es deshalb aber auch nicht. Das Küken hat nämlich seine Eltern verloren — und nicht nur die.
Tatsächlich ist das Küken allein auf der Welt. Seine ganze Familie liegt gerissen im Hühnerstall, die Wölfe sitzen noch zufrieden in der Ecke und laben sich an den Resten. Es muss ein traumatisches Erlebnis gewesen sein, all das mitzuerleben, deswegen verfällt das Küken alle zehn Sekunden in einen tiefen Schlaf: Narkolepsie. Das einzige, was das hilflose Huhn am Leben erhält, sind Träume von einer besseren Welt — als Papa noch jeden morgen gekräht hat, als Mama noch damit beschäftigt war, Geschwister auszubrüten und als genug Futter für alle zur Verfügung stand. Lange bevor die Wölfe kamen.
Das merklich verstörte Küken schleppt sich also von Hühnerstall zu Hühnerstall, stets in schierer Todesangst vor den Peinigern und vor dem Einschlafen. Letzteres sollte tunlichst nur dann passieren, wenn sich das Babyhuhn gerade in einem sicheren Schatten befindet – ansonsten überrascht es der Wolf mitten in der Tiefschlafphase. Jede Bewegung über das Spielfeld verbraucht zwei Sekunden. Fünf Schritte bleiben, um von Schatten zu Schatten zu huschen, dann zu schlafen und schließlich weiterzuhuschen.
In seinem Gameplay-Kern mag Narcoleptic Chicken Kid tatsächlich nicht viel mehr sein als ein Puzzlespiel. Sein atmosphärisches Potenzial liegt allerdings jenseits jeder Genrezuweisung. Traurige Klaviermusik, zufriedene Wölfe, verstörte Küken — ich kam nicht umhin, mehrmals einen Kloß im Hals herunterzuschlucken. Das Spielprinzip hat sich mir erst beim zweiten oder dritten Neustart wirklich erschlossen, deshalb bin ich einige Tode gestorben. „Who loves baby chicken death?“, fragt das Spiel beim Eintragen in die Highscore-Liste. „It’s me“, schlägt es gleichzeitig vor. „It’s me again“, tippe ich beim zweiten Mal. And again and again and again…