Mount & Blade

Mount & Blade

Warum habe ich bis jetzt noch nie etwas von diesem Kleinod gehört? Es war tatsächlich vollkommen an mir vorbeigegangen, dabei kam es schon im September 2008 heraus, und zuvor gab es darüberhinaus noch eine ausgedehnte Beta-Phase — tz. Darüber gestolpert bin ich nur zufällig, weil auf der Rückseite einer Zeitschrift eine Anzeige abgedruckt war…

“Einer der Überraschungshits des Herbstes 2008”, “Waschechter Geheimtipp! Ein intelligentes Rollenspiel, das ganz ohne Fantasy auskommt.”

Da wird man doch hellhörig! Auf zu Amazon, und auch hier überwiegend positives Feedback. Dann noch ein paar Ingame-Videos auf YouTube angesehen — der Heißhunger war geweckt.

Demo, nee, ich wollte es sofort! Keine Kompromisse! Freitag ein Anruf beim Mediamarkt — im Sortiment, aber nicht auf Lager. Klar, ich hätte es auch einfach online bestellen können, aber ich war heiß! Ich hab’s letztendlich über “Impulse” (ehemals Stardock) gekauft und runtergeladen, etwas billiger kommt man aber über den Shop-Link direkt auf der Gameseite weg. Bei dem Entwickler handelt es sich um eine kleine türkische Spieleschmiede namens “TaleWorlds Entertainment”.

Wer es erst einmal antesten möchte, kann das komplette Spiel auf der Gameseite runterladen (aktuelle Version: 1.011) — es spielt sich genauso wie die Vollversion, nur ist bei Charakterlevel 7 Schluss. Man kann dann beliebig oft neu anfangen oder sich eben überlegen, ob man sich einen Registrierungsschlüssel zulegt. Das ist die einzige Krux: ohne Internet geht mal wieder nichts, die Aktivierung des Spiels erfordert eine Online-Verbindung. Gespielt hingegen wird komplett offline. Wie ich allerdings lesen konnte, wird sich das mit einem noch in diesem Jahr erscheinenden Addon ändern, dann sollen auch Multiplayer-Schlachten möglich sein.

Das Grundspiel ist englisch, kann aber ganz einfach in eine deutsche Version verwandelt werden:

1. Diese Sprachdatei herunterladen.
2. Den Inhalt der Zip-Datei in den languages-Ordner des Spiels packen.
3. Die Datei language.txt öffnen und aus dem “en” ein “de” machen.
4. Fertig

Test-System

Macbook Pro 17”
2,5 GHz Intel Core 2 Duo
2 GB Ram
GeForce 8600M GT 512 MB
Bootcamp -> Windows XP

Gewählte Auflösung: 1680 x 1050
Qualität: alles auf Maximum
Ergebnis: keine Ruckler

Mount & Blade wird als Rollenspiel angepriesen, das ist es aber nicht ganz. Mich hat es vor allem an “Sid Meyer’s Pirates!” erinnert. Man startet als einfacher Ritter im Land Calradia und kann sich bis zum Vasallen einer der 5 Könige aufschwingen (muss man aber nicht). Gespielt wird hauptsächlich auf einer Weltkarte, auf welcher man seine Spielfigur in Form einer Reiterfigur von Ort zu Ort bewegt. Man reitet also nun allein oder mit einer angeheuerten Truppe durch die Lande, jagt unterwegs Plünderer oder überfällt Karawanen, oder verlegt sich selbst aufs Handeln und kauft in den Städten Waren, die woanders dringend benötigt werden. Eine Hintergrundgeschichte gibt es nicht. Genausowenig wie Orks, Elfen oder Magie, denn hier haben wir es mit einer Mittelalter-Simulation zu tun und die ist vollkommen fantasybefreit. Quests gibt es dennoch — mal soll man ein Dorf von Banditen befreien, mal spielt man den Postboten eines Fürsten und transportiert wichtige Nachrichten. Das bringt Erfahrung und beeinflusst die Beziehungen zu den jeweiligen Auftraggebern. Rollenspieltypisch ist das Skillen der eigenen Figur, aber auch angeheuerte Helden könnt ihr in ihrer Enwicklung steuern.

Das eigentlich interessante an Mount & Blade sind allerdings die Kämpfe. Wenn man auf seinem Ross im Galopp mit gezücktem Schwert auf die feindlichen Reihen zuprescht und die ersten Bodeneinheiten niederstreckt — yes, sowas habe ich schon lange erleben wollen! Die Kämpfe vom Pferderücken aus sind fantastisch umgesetzt, ich kann gar nicht genug davon kriegen! Aber auch der Bodenkampf ist äußerst gelungen, zudem kann man irgendwann auch an der Eroberung von Burgen oder Städten teilnehmen, die dadurch sehr abwechslungsreich sind, dass jede Burg und jede Stadt anders aussieht und die Strategie daher variiert. Und mit etwas Glück ist man selbst eines Tages Herr über Burgen und Städte. Was diesem Spiel noch weiteren Auftrieb gibt ist die Mod-Fähigkeit — und Mods gibt es schon wie Sand am Meer!

Grafik

Also, das Nonplusultra wird einem nicht geboten. Besonders die Weltkarte, die man doch so oft vor Augen hat, schrammt gerade so an einem “potthässlich” vorbei. In der 3D-Ansicht während eines Stadtbummels oder einer Schlacht hat man auch schon netteres gesehen, aber hier kann man das Attribut “hübsch” gelten lassen. Ich würde mal sagen es bewegt sich auf Gothic I bis II-Niveau. Die Kampfanimationen hingegen sind sehr gut gelungen. Man muss sich eben vor Augen führen, dass hier eine kleine Schmiede mit wenig Geld dahintersteckt — eine Oblivion-Pracht ist da nicht zu erwarten. Es gibt allerdings schon eine Mod, die sich des Aussehens des Spiels angenommen hat: Graphical Enhancement 2.5

Mount & Blade SpielerfigurMount & Blade Belagerung

Sound

Passt. Kein Wunderwerk, aber die Hintergrundmusik unterstützt das Mittelalter-Feeling und hält sich angenehm zurück. Reitet man auf der Weltkarte an einem Gefecht vorbei, ist bei höchster Zoomstufe Kampflärm zu hören. In den Dörfern gackern mal ein paar Hühner. Beim Reiten ertönt Hufgetrappel, die Truppen lassen laute Rufe vernehmen, Pfeile surren durch die Luft. Was es nicht gibt sind vertonte Dialoge. Braucht man aber auch nicht.

Steuerung

Mount & Blade WeltkarteAuf der Weltkarte bewegt man die eigene Figur per Linksklick dorthin, wo sie hin soll. Die Weltkarte selbst lässt sich mit den WASD-Tasten verschieben und durch Bewegen der Maus an den linken oder rechten Bildschirmrand rotieren. Außerdem kann man mit dem Scrollrad oder dem Bewegen der Maus an den oberen oder unteren Bildschirmrand noch hinein- oder herauszoomen. Dörfer, Burgen und Städte betritt man mit Linksklick.

Mount & Blade InnenstadtIn der 3D-Ansicht bewegt man sich mit WASD in die gewünschte Richtung, durch Drehen der Maus ändert man seinen Blickwinkel. Die Tasten bewegen also die Beine, die Maus den Kopf. Gleiches gilt für das Reiten, wobei hier die Tasten das Pferd steuern und die Maus den Kopf des Reiters. Durch wiederholtes oder andauerndes Drücken der W- oder S-Taste ändert das Pferd die Gangart. Von langsamen Schritt über gemächlichen Trab bis zum gestreckten Galopp ist alles dabei. Wobei sich das Pferd bei langsamerer Geschwindigkeit schneller wenden lässt.

Mit der linken Maustaste schlägt man zu (oder lässt einen Pfeil lossausen), mit der rechten Maustaste blockt man. Dreht man das Scrollrad nach oben, wechselt man die Waffe, dreht man es nach unten, zückt man sein Schild oder steckt es wieder weg. Alles in allem ist die Steuerung sehr einfach und intuitiv.

Gameplay

Mount & Blade CharakterbogenCharaktergenerierung: Beide Geschlechter stehen zur Verfügung und sie sind gleichwertig. Eine Klassenwahl gibt es nicht, stattdessen muss man ein paar Fragen zur eigenen Vergangenheit beantworten und das hat dann Einfluss darauf, mit welchen Anfangswerten und Gegenständen man startet. Ein paar Punkte darf man dann auch noch verteilen — Attributspunkte (Stärke, Wendigkeit, Intelligenz und Charisma), Fertigkeitspunkte (Eisenhaut, Schlagkraft, Reiten, Spurensuche, Erste Hilfe, usw. usf.) und Waffenpunkte (Einhandwaffen, Zweihandwaffen, Stangenwaffen, Bogenschießen, Armbrust, Werfen).

Das Aussehen lässt sich durch etliche Regler bestimmen — oder man klickt einfach so lang auf “Zufällig anordnen”, bis man zufrieden ist. Es lässt sich aber auch während des Spiels jederzeit ändern.

Bevor es losgeht, darf man noch entscheiden, ob man auch ohne Speichern das Spiel verlassen darf — so kann man eine katastrophale Schlacht einfach nochmal von vorne starten oder ob das Spiel immer vor dem Verlassen gespeichert wird, dann kann man sich schlechten Ergebnissen nicht mehr entziehen.

Wer Morrowind wegen des fehlenden roten Fadens zu Beginn gehasst hat, wird auch mit Mount & Blade seine Probleme haben. Es gibt keine Anhaltspunkte, was man nun als erstes tun könnte/sollte. Das ist für mich allerdings ein großer Pluspunkt — ich kann tun, was ich will. Und tun kann man einiges:

  • Durch die Welt reiten und sich mit Plünderern, Banditen und Seeräubern anlegen, wobei man allein schnell an seine Grenzen stösst. Es empfiehlt sich daher das Anheuern von Einheiten. Entweder rekrutiert man Freiwillige in Dörfern, oder man besucht die Schänke einer Stadt und heuert dort herumlungernde Helden oder bereits kampferbrobte Einheiten an. Wie viele Einheiten man in seinem Trupp vereinen kann, hängt von der Höhe des “Führerschafts”-Skills ab. Zu den Helden sei noch gesagt, dass sie sich nicht unbedingt grün sein müssen, was sich in Streitgesprächen äußern kann. Aber sie können auch Schwierigkeiten mit den Entscheidungen des eigenen Chars haben — entschliesst man sich, Vasall eines Königs zu werden, muss das nicht jedem Helden schmecken.

    Mount & Blade TaverneMount & Blade Inventar

    Helden können wie der eigene Char nach Sammeln von genug Erfahrung eine Stufe aufsteigen, was mit einer Skillpunkteverteilung einhergeht. Die anderen Truppeneinheiten können sich auch verbessern, da beschränkt sich das Leveln aber auf die Auswahl einer neuen Klasse. Da sollte man aber achtgeben — man sollte im Auge behalten, was für eine Armee man sich gern aufbauen möchte und ausserdem kosten bessere Einheiten auch gleich mehr Sold. Jede Woche will die eigene Truppe bezahlt werden. Und ausserdem haben die Leute auch Hunger, daher sollte man immer genug Essen im Inventar dabei haben. Und je vielfältiger die Auswahl ist, desto besser ist die Truppenmoral.

  • Handeln: jedes Dorf produziert bestimmte Waren, die direkt an der Quelle meist auch am billigsten sind. Allerdings haben die Dörfer meist kein Gold in der Kasse, verkaufen kann man also nichts, nur tauschen. In der Stadt sieht das schon anders aus, hier kann man seine Waren auch gegen Dinare (Calradias Währung) verschachern. Wer sich etwas Zeit nimmt, kann auch den Gesprächen der Händer lauschen und erfährt so, welche Waren hier gerade besonders günstig sind und in welcher Stadt sich dann der größte Profit herausschlagen lässt. Je höher der Handel-Skill, desto besser die Informationen. Es empfiehlt sich, beim Pferdehändler in billige Pferde zu investieren, seien es nun reine Lastpferde oder gesattelte — einerseits erhöht sich so die Traglast und andererseits kommt man so auf der Weltkarte schneller vom Fleck.
  • Die Quests sind ein Schwachpunkt des Spiels, sie sind zwar recht abwechslungsreich, wiederholen sich aber nach einer Weile. Dorfälteste bspw. beauftragen einen gerne damit, Getreide oder Rinder ranzuschaffen. Fürsten hingegen missbrauchen den Char gern als Briefboten oder Geldeintreiber, seien es nun Steuern eines Dorfes oder eine Schuld eines anderen Fürsten. In den Städten gibt es dann noch die Gildenmeister, die den Char gern als Karawaneneskorte anheuern. Da die Quests aber Erfahrung, Geld und Ansehen bringen, sollte man auf sie nicht verzichten. Und evtl. finden sich in der o.g. Modliste ja auch schon Mods, welche die Questvielfalt erhöhen, ich habe mich mit den Mods noch nicht wirklich beschäftigt.
    Mount & Blade FürstenMount & Blade Quest
  • In den Städten kann man zudem noch in der Arena kämpfen (und dabei auf sich selbst wetten) oder auch an Turnieren teilnehmen, wieder mit der Möglichkeit, Geld auf sich zu setzen und so etwas dazu zu verdienen.
    Mount & Blade ArenaMount & Blade Dialog
  • Man kann völlig neutral durch die Welt gehen oder sich für ein Königreich entscheiden. Letzteres bringt die Chance auf eigene Dörfer, Burgen und Städte mit sich. Hat man sich zu einem Königreich bekannt und kommt auf der Weltkarte an einem Gefecht vorbei, in das ein Fürst des eigenen Reiches verwickelt ist, kann man ihm zu Hilfe eilen, was die Beziehung zu ihm natürlich verbessert. Hat man es geschafft und wurde zum Vasall ernannt, bekommt man nicht nur sein erstes Dorf, das regelmäßig Steuern abwirft und ausgebaut werden kann, sondern man darf auch bald sein eigenes Banner tragen (oder hängt das auch von der Truppengröße ab? Weiß ich jetzt nicht genau.
  • Als Landsknecht/Vasall nimmt man dann auch an Burg- und Stadteroberungen teil. Es beginnt immer mit einer Belagerung, die (glaube ich) vier Tage dauert – in dieser Zeit werden die Belagerungswaffen aufgebaut (Rampen, Trebuchets) – und irgendwann stürmen alle Armeen los. Dann gilt es, einen Weg in die Festung zu finden und sie einzunehmen. In diesen Schlachten kämpft man zu Fuß, Pferde machen da keinen Sinn.
  • Finden Schlachten auf offenem Feld statt, laufen sie meist in mehreren Phasen ab und man kann sich jedesmal entscheiden, ob man selbst mitmacht oder ob man nur die eigenen Truppen ins Feld schickt. Das empfiehlt sich, falls man in den ersten Phasen schon viel Blut gelassen hat. Sterben kann man zwar nicht, aber müssen die eigenen Truppen ihren bewusstlosen Anführer vom Feld tragen, leidet ihre Moral darunter.
    Mount & Blade GefechtMount & Blade Sonnenuntergang
  • Nach jeder gewonnenen Schlacht bleiben auf jeder Seite Verletzte übrig. Die eigenen erholen sich mit der Zeit von selbst wieder (wobei es hilfreich ist, wenn man einen Char/Helden dabei hat, dessen Wundheilungsskill ein hohes Level hat – was mich dazu bringt zu erwähnen, dass es Skills gibt, die nur auf den Char Auswirkung haben, und welche, die die ganze Truppe betreffen). Und feindliche Verletzte kann man gefangen nehmen (und wieder: je höher der Gefangengenaufsicht-Skill, desto mehr Gefangene können gemacht werden). Diese kann man entweder an Sklavenhändler verkaufen oder aber fragen, ob sie für einen kämpfen wollen. Die Bereitschaft dazu ist allerdings verständlicherweise sehr gering und selbst wenn sie zusagen, oft hauen sie in der ersten Nacht noch ab. Nimmt man einen feindlichen Fürsten oder gar König gefangen, kann man ihn entweder bei einem der eigenen Fürsten abliefern (gegen Dinare, versteht sich) oder man wartet, bis dessen Familie ein Lösegeld anbietet. Zumindest sagte mir dies ein befreundeter Fürst, da ich mit dem feindlichen Fürsten aber schon gut zwei Wochen unterwegs war, ohne dass seine Familie sich gemeldet hat, hab ich ihn lieber verkauft – lieber wenig Geld als gar keins, denn flüchten können Gefangene auch.
  • Natürlich sammelt man nach einer gewonnenen Schlacht auch alles verwertbare auf, darunter können auch wertvolle Pferde sein.

Und und und … ich muss mal einen Schlussstrich ziehen…

Achja, erwähnen sollte ich noch, dass es auch einen Schnellgefechtsmodus gibt — wer also keine Lust auf Quests und diplomatische Ränkespiele hat, kann sich hier einfach mal kurz ins Kampfgetümmel stürzen-

Fazit

Ich bin begeistert! Das ist wirklich eine kleine Perle, die mir fast entgangen wäre.

Pro:

+ Mittelaltersetting ohne das übliche Fantasy-Gedöns
+ Gelungene Mischung aus RTS und RPG
+ Große Waffen-, Rüstungs- und Pferdevielfalt
+ Alles hat auf alles Einfluss, die Welt ist dynamisch
+ Das grandiose Kampfsystem!

Kontra:

– Die Quests sind ausbaufähig
– Der Handel ist auch noch recht eintönig
– Der Einstieg ist etwas schwierig, ich habe mehrere Anläufe gebraucht, bis ich “im Spiel” war

Ich kann’s nur empfehlen.

Hier noch ein nützlicher Link: Mount & Blade – StrategyWiki

Und zum Abschluss noch ein paar Ingame-Einblicke: