Progress: Hilfe, mein Handy lacht über mich!
Wir seien die Sklaven der Technik, muss man sich manchmal von griesgrämigen Personen anhören, wenn man wieder mal lieber in das Smartphone starrt, statt den leeren Blicken der anderen Menschen zu begegnen, die auch nicht wissen, wo sie hinsehen sollen. Das ist natürlich Quatsch. Ich weine gar nicht mehr so viel, wenn der Akku plötzlich leer ist und immerhin bekommt man von Mobiltelefonen wahrscheinlich nicht mal Krebs. Aber hey, whatever floats your boat. Und wenn es zu euren tiefsten Gelüsten gehört, euch von einem elektronischen Gerät unterdrücken zu lassen, habe ich eine gute Nachricht für euch: Progress des schwedischen Studios Ludosity verlangt einem ab, all seinen Befehlen zu folgen.
Mal werden diese in Form von einfachen Sätzen gegeben, mal von einer Frauenstimme vorgetragen. Erklärt werden sie nie. Herauszufinden, was das Spiel von einem verlangt, ist immer meine oberste Aufgabe, die Erfüllung des Befehls meistens trivial. Ein paar der 100 Rätsel sind offensichtlich, einige Male steht man stundenlang auf dem Schlauch. Heute Nacht wurde ich wach, griff nach meinem iPhone und beendete den aktuellen Level, weil mir die Lösung gerade im Traum eingefallen war. Schon früh stellte das Spiel klar, dass es seinen Tellerrand genau unter meine Nase stellt und ich weit über das hinausdenken muss, was ich bisher für Interaktionen mit einem Spiel hielt. Ich habe mein Handy gestreichelt, ich habe es mir an die Nase gedrückt, ihm etwas vorgesungen und ich bin damit wie ein Vrrückter durch die Wohnung gerannt. Die Lösungen der Rätsel sind dadurch begrenzt, was die Sensoren meines Smartphones feststellen können. Aber jeder Level steckt so voller Fantasie und kombiniert Eingabemethoden so elegant, dass selbst ich, der ich schon Anwendungen für dieses Gerät entwickelt habe, manchmal überrascht war.
Von Zeit zu Zeit beschlich mich das Gefühl, das Spiel verhöhne mich dafür, dass ich es überhaupt spiele. Es droht es mir an, mich erst wieder aus einer unbequemen Pose zu entlassen, wenn es mir einen langen Wikipedia-Artikel vorgelesen hat. Oder mein iPhone pfeift demonstrativ gelassen, während es von mir verlangt, die Geduld zu bewahren. Ich mache mich zum Affen. Das wissen die Entwickler und ich weiß, dass sie das wissen. Dabei ist es so schrecklich charmant und fühlt sich an wie der Freund, der mein Bier hält, während ich unsere dummen Ideen in die Tat umsetze. Und gemeinsam darüber lachen, wie doof man gerade aussieht, ist doch der größte Spaß.