Receiver

Die Antithese zu Schießbuden-Spielen wie Call of Duty hatte ich mir immer als großes Drama vorgestellt. Ein episches Spiel, in dem man das Leben jedes einzelnen Menschen nachspielen muss, den man im Gefecht tötet. Eine krude Mischung aus Militärshooter, Adventure, Highschool-Dating-RPG und Gassi-geh-Simulator, in dem auf zwei Sekunden Granatfeuer zwei Stunden beschaulicher Lebenslauf folgen. Ein Gegenentwurf zu Call of Duty kann aber auch aus einer ganz anderen Richtung kommen. Aus einer Richtung, die sonst merkwürdige Hasenspiele macht: Receiver von Wolfire Games.

Entstanden bei der 7 Day FPS Challenge, wirkt Receiver auf den ersten Blick wie ein Spiel aus dem Indie-Zufallsgenerator.

First Person Shooter
Engine: GamemakerFlash – Unity
Genre: Roguelike/Survival – AdventureStrategiePuzzle
Style: Pixel Art – Low-Poly – Line Art
Setting: Fantasy – Roboterapokalypse – Steampunk
Mission: find the 9 pagesyou have to burn the rope – absorb 11 tapes

Laaaaangweilig.

Es bleibt ein einziges Element, das Receiver trotzdem spielenswert macht: Das Nachladen der Waffen. Denn statt dem üblichen „Press R to reload“, bei dem eine machomäßige Animation ein neues Magazin ins Gewehr stopft, versuchen Wolfire diesen Ablauf nicht nur naturgetreu abzubilden, sondern zum zentralen Spielelement zu machen.


E – Trommel öffnen
V – Patronen auswerfen
Mausrad – Trommel drehen/schütteln
Y – Kugel einsetzen (6x)
R – Trommel schließen
F – Hahn spannen
Q – anlegen

Man kann sich vorstellen, wie viel Tempo dieser Prozess aus dem Spiel nimmt. Dazu fehlt jegliches Interface, um über Ladestand von Waffen und Magazinen zu informieren. Vor jedem Durchgang öffnet man die Waffe, zählt die Kugeln und läd noch einmal durch. Anfängerfehler, denn nun wird die wertvolle Kugel, die bereits im Lauf war, in hohem Bogen auf den Fussboden geworfen. Es versteht sich von selbst, dass mich der unfaire Killerroboter genau dann erwischt hat, als ich die Kugel wieder einsammeln wollte.

Receiver ist kein pazifistisches Spiel. Wer neue Befriedigung für seinen Schusswaffenfetisch sucht, der wird Receiver als Beweis dafür sehen, wie man die Militärshooter dieser Welt noch besser und realistischer machen könnte. „Nachladen braucht jetzt echten Skill, du n00b!“ Ich lehne dankend ab.

Für jemanden, der all sein Wissen über Waffen aus Videospielen und Actionfilmen hat und der in seinem Leben nie etwas Bedrohlicheres als eine Super-Soaker und einen Flitzebogen mit Saugnapf-Pfeilen abgefeuert hat, eröffnet es dagegen einen interessante Perspektive: Waffen sind Maschinen, keine Zauberstäbe und das Kaputte an Medal of Call of Honor of Duty sind nicht nur Weltbild oder die Mär vom Supersoldaten — kaputt ist bereits das zentrale Spielelement auf einem ganz grundlegenden Level. Vielleicht eine triviale Erkenntnis, doch Receiver weiß sie, trotz seines eindeutig experimentellen Charakters, anschaulich umzusetzen.