Wenn du mitlachst, können sie dich nicht auslachen? Das war gelogen.
Renowned Explorers:
Lachen ist nicht immer gesund
Lachen ist nicht immer gesund
Wenn du mitlachst, können sie dich nicht auslachen? Das war gelogen.
Ihr kennt das sicher: Man sitzt bei einer Tasse Tee zu Hause, blättert im Schein einer Öllampe durch die Depeschen des Tages und wundert sich, ob es nicht noch mehr geben muss. Der plötzliche Drang nach draußen zu gehen, in die Natur. Um Abenteuer zu erleben und Schätze zu entdecken. Also kurzerhand ein Luftschiff gekauft, in der Zeitung ein Inserat aufgegeben, um eine Crew zu finden und auf ins Abenteuer! In Irland soll es noch einen unentdeckten Steinkreis voller Reichtümer und Artefakte geben. Der Kontakt mit den Einheimischen – überwiegend Schafe und kernige Schafhirten – verläuft reibungslos und meistens gewaltfrei. Schon steht man vor dem mysteriösen Steinkreis. Aber irgendwas ist ja immer. Matthieu Rivaleux und seine Schergen sind einem zuvorgekommen, die bekanntesten Entdecker der Entdeckerliga. Abgesehen von einem unwichtigen, fast wertlosen Artefakt sind keine Reichtümer mehr übrig. Aber damit steht es einem zu, auch Mitglied der Liga zu werden und der bekannteste Entdecker der Welt zu werden, um es Rivaleux heimzuzahlen. Das ist Renowned Explorers des niederländischen Entwicklerstudios Abbey Games.
Im 19. Jahrhundert führt man eine Gruppe von Abenteurern zu abgelegenen Orten um dort zu betreiben, was Indiana Jones unter Archäologie verstand: Kultisten vermöbeln, lokale Dorfschönheiten verführen und am Ende eine Grabstätte plündern. Zu Beginn des Spiels wählt man eine dreiköpfige Abenteurergruppe aus einer unfassbar vielseitigen Auswahl zusammen. Da gibt es alles, von der verrückten Wissenschaftlerin mit dem Elektroschocker bis hin zum tätowierten Seemann, vom schmächtigen Kundschafter mit den wuscheligen Haaren bis zur mexikanischen Wrestlerin. Erkundet werden tropische Inseln, Wüsten, gruselige Wälder. Renowned Explorers präsentiert sich in fröhlich-bunter Comicoptik mit satten Farben und bedient sich leicht bei Steampunk-Ästhetik, ohne es mit den Zahnrädern zu übertreiben. Es läuft fast über von der vielen Liebe und den vielen Details, welche die Künstlerinnen und Künstler in dieses Spiel gesteckt haben.
Zwischen ihren Abenteuern halten die Entdecker Vorträge an Universitäten, um sich etwas Geld dazu zu verdienen, mit dem sie sich hübsche neue Kleider kaufen und Leute für die Crew anheuern. Fühlt man sich als ihr Anführer dann endlich ausreichend vorbereitet und hat sich für ein Reiseziel entschieden, machen sich die Haudegen in ihrem Luftschiff auf zum Ort der Begierde. Einfach dort landen ist natürlich nicht möglich, die Umgebung ist unwirsch und der Landeplatz noch weit vom Ziel entfernt. Auf einer zufallsgenerierten Karte wird einem die nähere Umgebung und der Zielort präsentiert, alles dazwischen muss erst erkundet werden. Dafür ist nicht beliebig viel Zeit, ohne unterwegs seine knappen Vorräte aufzustocken kann man nur eine Hand voll Orte bereisen, bevor die Abenteurer mit jedem weiteren Schritt schwächer und schwächer werden.
Aber einfach in gerader Linie zum Schatz zu laufen ist natürlich nicht die Art von Entdeckern. An den meisten Orten lassen sich Marker einsammeln, die zu Hause gegen Geld, Forschungsergebnisse oder Ruhm eingetauscht werden können. Und nicht nur, dass dadurch die zukünftigen Expeditionen leichter werden – unser ursprüngliches Ziel war es die bekannteste Entdeckergruppe der Welt zu werden und dafür muss man Dinge entdecken. Jeder Marker trägt zur Endpunktzahl bei, die nach nur fünf Abenteuern berechnet wird. Und manchmal finden sich sogar unterwegs schon Artefakte. Diese bringen nicht nur viele Punkte, sie gewähren einem manchmal auch bis zum Ende der Kampagne einen Bonus.
Umsonst gibt es in Renowned Explorers aber nicht mal den Tod. Die größten Schätze wollen verdient werden. Manchmal passiert das in einfachen Gesprächen, in denen man sich nur in der richtigen Reihenfolge durchklicken muss, um an bestimmte Belohnungen zu gelangen. Dann gibt es noch Begegnungen, in denen die Attribute der Charaktere über die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs entscheiden. Und schließlich gibt es noch Begegnungen, in denen sich das Spiel einer taktischen Karte bedient. Da zieht man seine Figuren über Hexfelder und benutzt ihre Fähigkeiten, der Computer macht das gleiche mit seinen Figuren und die Abenteurer gewinnen, wenn entweder alle Feinde oder der Anführer vom Feld entfernt wurden.
Das Spiel zwingt einen dabei nie dazu, zu töten. Fähigkeiten sind in drei Kategorien eingeteilt: Aggressiv, Freundlich und Verschlagen. Aggressive Fähigkeiten sind simple Schläge, Schüsse und Elektroschocks. Mit freundlichen Fähigkeiten reden Charaktere ihrem Gegnern so lange gut zu, bis sie einfach von ihnen ablassen. Und mit verschlagenen Fähigkeiten beleidigen und bedrohen sie, bis die Feinde eingeschüchtert das Weite suchen. Außer nach und nach den Kampfeswillen abzubauen beeinflusst zudem jede Fähigkeit die Stimmung der Figuren – bei Spielercharakteren genauso wie bei Gegnern. Die Stimmung beeinflusst wiederum die Charakterattribute: Wütende Charaktere schlagen fester zu, ängstliche weniger fest, euphorische machen bessere Komplimente. Noch dazu liegt immer eine Stimmung in der Luft: Durch das Verwenden von Fähigkeiten ändert man, wie die Begegnung sich insgesamt anfühlt. Daraus resultieren dann wieder Boni oder Mali für die Spielergruppe. Das klingt alles furchtbar kompliziert und ja, das ist es. Noch dazu ist es auch noch furchtbar schlecht erklärt. Das Tutorial ist rudimentär und Erklärungen nachzuschlagen ist oft umständlich, manchmal leider sogar komplett unmöglich. Das Spiel verlangt einem ab viel zu experimentieren, um die komplette Tiefe des Systems zu erfassen. Dabei passieren oft Dinge, die offensichtlich blöd sind, wenn man denn die dazu passenden Regeln kennt. Aber diese Tiefe macht auch den Reiz aus. Nach einiger Eingewöhnung und vielen gescheiterten Versuchen fängt man an, nach Kombinationen von Fähigkeiten zu suchen, welche die Stimmung noch optimaler beeinflussen und fühlt sich ein wenig genial, wenn es funktioniert.
Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich mit dem Finger daraufzeigen konnte, was mich an Renowned Explorers eigentlich stört. Trotz allem hatte ich nämlich nie wirklich Lust, es zu starten, wusste immer etwas besseres mit meiner Zeit anzufangen. Und hinterher war ich meistens weniger gut gelaunt als vorher. In Renowned Explorers gibt es zu viele Zufälle. Ich erlebe kein Abenteuer, mir passieren Dinge, auf die ich keinen Einfluss habe. Wenn ich vor einer Begegnung diese nicht einschätzen kann, während der Begegnung keine Option zur Flucht habe und nach der Begegnung hart abgestraft werde, fühle ich mich als Spieler um meine Einflussnahme auf das Ergebnis betrogen. Zu oft hatte ich die sprichwörtliche Wahl zwischen Pest und Cholera, wenn ich mir nur noch aussuchen kann, welcher meiner Recken mit 80% Wahrscheinlichkeit scheitert und mich wertvolle Ressourcen kostet. Egal, wie gut ich vorbereitet bin, egal, wie vorsichtig ich agiere, häufig trifft mich das Pech einfach unvermeidlich.
Dabei legt Renowned Explorers seinen Fokus auf die Kampfhandlungen statt aufs Erzählerische. Ja, man könnte sie meistens komplett umgehen, aber nur durch sie erhält die Gruppe bitter benötigte Erfahrungspunkte. Und dort zeigt sich die Unberechenbarkeit des Spiels oft am stärksten. Manchmal standen die Gegner bereits zu Beginn des Kampfes in einer Linie und ich glaubte zu träumen, als ich sie mit einem einzigen, gezielten Schuss alle außer Gefecht setzte. Manchmal endete aber auch jede Fähigkeit in der ersten Runde in einem Fehlschlag und meine Charaktere mussten sich von allen Gegnern den vollen Schaden gefallen lassen – so ein günstiger Zufall aber auch, dass sie im Kreis um meine Abenteurer platziert wurden!
In Renowned Explorers geht es um Ressourcenmangement und das Abwägen von Risiken. Aber man bekommt nur wenige Mittel, die Risiken eindämmen und die Ressourcen selbst verwalten zu können. Oft reichen nicht mal die Informationen, um das Risiko überhaupt einzuschätzen. Ständig passieren einem Dinge, aber wegen des fehlenden Einflusses auf das Ergebnis fühlt man sich seltsam losgelöst vom Spielgeschehen. Das ist schade, denn wenn ich mich nicht gerade wieder veräppelt fühle, bereitet Renowned Explorers unheimliche Freude.