The Lost Levels: 10/2013

Werte spießbürgerliche Zielgruppe, es gibt Monate wie den September, die schreien einfach danach, einen Schrebergartenverein zu gründen. Nina versuchte sich an der Kleintieraufzucht, Neuzugang Markus hingegen stellte sich an den heimischen Herd zur seriellen Gebäckproduktion. Doch dieser Traum von Glückseligkeit ging schief. Markus füllte in einen der Kekse Erdbeermilchknusperkugeln statt schokoladige Krümelflocken und alles explodierte. Plötzlich war der Inhalt eines Gebäcks wichtiger als der Kontext, in dem er gebacken wurde — der Schrebergarten als Symbol der Anti-Großstadtkultur war zerstört. Wir wurden allesamt an die Grenzen unserer Welt gebracht. Eine neue gab es nicht… So oder so ähnlich jedenfalls wird die Geschichte, warum wir auch im September mal wieder nicht über alle Perlen der Spielelandschaft schreiben konnten, heute noch erzählt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit, schließlich heißt es auch heute wieder: Willkommen bei der Oktober-Ausgabe von The Lost Levels.

Atomic Ninjas (PS3/PSVita)

Michael Atomic Ninjas ist einer von den unzähligen 2D-Multiplayer-Spielen, in denen vor allem die Beherrschung der Spielphysik und die Eigenheiten der eigenen Spielfigur eine entscheidende Rolle spielen. Auf den ersten Blick macht das Spiel auch alles richtig: Visuell schwankt es zwischen knallbunten, dreidimensionalen Elementen und Aspekten gut gepflegtem Minimalismus. Die Möglichkeiten der Steuerung sind mannigfaltig: Man kann mit einer Rakete durch den Raum fliegen, sich mit Enterhaken an vorgesehene Haken heften und mit Kisten um sich werfen. Tatsächlich macht Atomic Ninjas im Wettstreit gegen Freunde eine Zeitlang Spaß, aber es mangelt dem an den Feinheiten im Detail: Der Steuerung fehlt die Präzision, um aus dem anfänglichen, sehr lustigem Chaos eine motivierende Profession zu machen. Und Retro-3D-EsistsobuntmeineAugenbrennen-Look in allen Ehren, aber gegen die schöne Präsentation eines The Showdown Effect kommt Atomic Ninjas mit seiner schrecklich eintönigen Musik und eher sterilen Maps bei weitem nicht an.

868-HACK (iOS)

Dennis Wenn mich jemand nach meiner wichtigsten Leistung fragt, dann muss ich ganz klar antworten: die Twitter-Bio von Michael Brough beeinflusst zu haben. Brough ist nämlich einer der zurzeit spannendsten Indie-Entwickler. Seine Spiele beschäftigen sich mit Bugs, Glitches — Programmfehlern eben. Sie sind Experimente mit eigenartigem Stil, aber auch ziemlich unzugänglich. 868-HACK ist für alle da. Es ist eine Roguelike-Hacker-Highscore-Jagd über einen gelben Smiley, der sich gegen Anti-Virenroboter wehrt und ein Computersystem ausräumt. 868-HACK ist eine nahezu perfekte Mischung aus simplen Spielmechaniken, die zu einer ungemein spannenden, komplexen Taktikerfahrung verschmelzen. Wer mehr Schwärmereien über das iOS-Spiel will, dem sei die zugehörige Insert Moin-Folge empfohlen.

Sokobond (PC/Mac/Linux)

Sebastian Das dazugehörige Video mag zwar recht nichtssagend sein, jedoch soll das Chemie-Puzzle-Spiel Sokobond ein sehr klar und minimalistisch gestaltetes Spiel mitsamt ausgetüftelten, erkundbaren Spielemechaniken sein. So ganz nachvollziehbar wird auf der dazugehörigen Internetseite leider nicht erläutert, worum es eigentlich exakt geht. Allerdings darf der Kreis der Chemie-Freundinnen und Freunde unter euch dennoch frohen Mutes sein, schließlich war Sokobond einer der Finalistentitel beim IndieCade 2013, PAX10 2013 sowie Eurogamer Expo 2012 Indie Games Arcade. Auch die abermaligen Lobeskommentare bei der dazugehörigen Steam Greenlight-Seite sprechen für sich.

Cube World (PC)

Michael Cube World ist eigentlich ein Nebenprodukt des Entwickler-Ehepaares Sarah und Wolfram von Frunck: Sie haben beide an ihrem Grafik-Tool Plasma gearbeitet und währenddessen Lust auf ein eigenes Spiel bekommen. Da sie beide große Fans des Würfel-Designs von Minecraft und diversen Voxel-Spielen sind, war die Idee eines offenen RPGs mit zufallsgenerierten Welten in diesem Stil mehr als naheliegend. Es ist zwar spürbar, dass es Cube World im aktuellem Alpha-Stadium noch an konkreten Inhalten mangelt, aber bereits die vorliegende Version hat so viel Charme wie Potential. Das Spiel ist nicht nur visuell, sondern auch spielerisch auf das Nötigste reduziert und erinnert angenehm an andere nostalgisch angehauchte Rollenspiele, wie etwa 3D Dot Game Heroes. Wenn die Progression bzw. das Aufleveln nun noch etwas mehr Kontext erhalten würde, steht hier ein echter Geheimtipp vor der Tür!

Foul Play (PC/Xbox)

Dennis Auf den ersten Blick ist kaum etwas Besonderes an Foul Play auszumachen. Es ist ein 2D-Brawler für zwei Spieler, die gemeinsam Zombies und Monster verprügeln. Das Besondere an Foul Play ist seine Welt: Es ist ein Theaterstück, in dem ein dämonenjagender Baron auf der Bühne von seinen Abenteuern erzählt. Es ist ein Spiel im doppelten Sinne: Verprügelte Zombies sind Komparsen, die versuchen unbemerkt von der Bühne zu kriechen, Hintergründe werden von Bühnenhelfern ausgewechselt und die Bonusziele werden vom Publikum vergeben. Foul Play ist so charmant, so wunderbar eigen, dass es mich auch ein wenig über die ziemlich repetitiven, einfachen Kämpfe hinwegschauen lässt.

Grand Titons (PC)

Sebastian Ähnlich wie auch beispielsweise Anna Anthropy es bereits 2012 mit Dys4ia getan hat, so thematisiert nun auch Devi Ever mit Grand Titons die eigene Geschlechtsumwandlung. Getarnt als überaus schwerer Platformer kann hier ein symbolreiches, narratives Konstrukt wiedergefunden werden: Männer in Käfigen, Anti-Bart-Laserschranken, Wesen in Kutten und pinker Unterwäsche, blaue Pillen sowie eine genitalienentfernende Maschine sind dabei lediglich die Höhepunkte.


Die hier aufgeführten Spiele sollten ursprünglich in einzelnen Artikeln besprochen werden, doch leider kam es aus Zeitgründen nicht dazu. In der monatlichen Serie The Lost Levels präsentieren wir diesen ‘Überschuss’ in Kurzform, damit die geleistete Vorarbeit nicht umsonst war. Außerdem wäre es schade, euch die geplanten Themen gänzlich vorzuenthalten.