Toren – Verzogener Quälgeist

Um dem vom brasilianischen Entwicklerstudio Swordtales entwickelten 3D-Adventure Toren wirklich gerecht zu werden, sind die nun folgenden Zeilen leider gänzlich ungeeignet. Zum ersten Mal empfinde ich die Besprechung eines Spiels als eine undankbare Aufgabe. Als eine Art Zwickmühle zwischen dem, was mein Kopf sagt und dem, was das offenkundig riesige Herz ausdrücken will, das den holprigen Takt dieses Titels vorgibt. Nach dem Abschluss des äußerst kurzen Abenteuers möchte ich deshalb am liebsten schweigen. Aber manchmal muss man eben auch in die funkelndsten Augen schauen und seiner Ernüchterung Luft verschaffen.

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Für einen kurzen Augenblick, ganz zu Beginn meiner vertikalen Reise immer weiter den titelgebenden Turm empor, kommt dabei unweigerlich die Erinnerung an den PS2-Klassiker Ico wieder hoch, der mit seiner mystischen, unheimlichen Stimmung und seinen festen Kamerafahrten stilistisch Pate stand. Ich leite die Protagonistin Moonchild bei ihren ersten Krabbelversuchen und sehe ihr dabei zu, wie sie innerhalb kürzester Zeit zu einer erwachsenen Mondfrau heranwächst. Begleitet wird dieser Prozess von geheimnisvollen Kreaturen, (Alb-)Träumen und einem Drachen, der sich ihr immer wieder beim Erklimmen des Turmes in den Weg stellt. Leider ist er dabei nicht das einzig zu überwindende Hindernis.

Denn Toren fordert viel mehr Geduld und Beharrlichkeit von mir ab, als es das Spielprinzip, dessen Fokus deutlich auf der Geschichte und nicht auf einer ausgebufften Spielmechanik liegt, vermuten ließe. Die Rätsel sind simpel und sollten niemandem Schwierigkeiten bereiten, der den einzelnen Spice Girls ihre jeweils passenden Kosenamen zuweisen kann, doch technische Unzulänglichkeiten lassen sie oftmals zu nervtötender Frickelei verkommen. Mal fällt Moonchild einfach durch den Boden, dann braucht sie etliche Versuche, nur um einen Schalter zu greifen und sogar den kompletten Ausfall der Sprungtaste musste ich hinnehmen, der nur nach einem Neustart wieder behoben werden konnte. Dazu gesellen sich zahlreiche Clipping-Fehler, eine miserable Kollisionsabfrage und eine Figurenphysik, deren fehlende Trägheit vielleicht auch die Namensgebung der Hauptfigur beeinflusst haben mag.

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Dennoch schaffen es die eindrucksvollen Bilder und der leicht esoterische Soundtrack, mich stets aufs Neue einzulullen und lassen mich so über die allzu traditionellen Metaphern dieser Lebensrad-Interpretation und die fehlende Sorgfalt hinwegsehen. Manch eine Traumwelt mag zwar wie ein interaktives Enya-Video wirken, aber hat auch stets ihren eigenen Charme. Nach zwei Stunden bin ich dennoch froh, die Turmspitze erreicht zu haben. Toren ist, im Gegensatz zu seiner Protagonistin, in den Kinderschuhen steckengeblieben und strahlt mich mit seinem bezaubernden Lächeln an, während es unbeholfen den Brei auf seiner Kleidung verteilt. Und auch wenn es mir bisweilen den letzten Nerv raubt, kann ich ihm einfach nicht böse sein.