A MAZE 2014: Impressionen

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Unsere Eindrücke vom A MAZE 2014 sind zu umfangreich, als dass man sie in einen Artikel pressen könnte. In den nächsten Tagen werden wir uns darum ausführlich all den tollen Dingen widmen, die uns auf der A MAZE begegnet sind.


Jagoda Wir Spieler und Spielerinnen sind schon eine merkwürdige Spezies. Meist hocken wir vor irgendwelchen Eingabegeräten und spielen vor uns hin, doch ködert man uns mit noch mehr Videospielen, verlassen wir vertrautes Territorium und begeben uns unter Menschen. Als ob das nicht schon abstrus genug klänge, machen wir das sogar mit viel Elan und Liebenswürdigkeit! So zumindest auf dem A Maze geschehen, auf dem sich neben Indie-Entwicklern, Spielern, Pressemenschen und dem ganzen Rest alle freiwillig und gerne zur Raupe machen ließen.

Auch wenn ich dem ganzen Treiben auf dem Urban Spree-Gelände nur kurz beiwohnen konnte, war das Zeit genug, um mich vom Charme dieser Veranstaltung überzeugen zu können. Überall wo ich hinblickte, wurde gelacht, gespielt, gequatscht und getrunken und selbst kleinere technische Aussetzer passten sich merkwürdig stimmig ins Gesamtkonzept ein. Der Versuch in das Innere des Gebäudes zu gelangen, gestaltete sich teilweise sehr schwierig, da draußen immer mehr tolle Menschen nachströmten, denen man auch noch Hallo sagen und mit ihnen ein paar Worte wechseln wollte. Nicht zuletzt, weil man sich sicher sein konnte, dass sich hinter jeder Ecke jemand von Superlevel tummelt. Schaffte man es irgendwann doch sich loszureißen, konnte man im Inneren neue Spiele wie Wojna Taniec, sowie schon gut bekannte Spiele wie Nidhogg in netter Gesellschaft spielen. Eine Veranstaltung, eine Wellenlänge. Vergebe 5 / 5 von herausgesprungenen Sicherungen.

Dennis Die A MAZE beschreibe ich am liebsten als gelungenes Familienfest: Alle liegen sich in den Armen, man sieht Menschen, von denen man gar nicht wusste, dass man sie sehr vermisst hat und dann knabbert ein kleiner Hund an den Kartoffelspalten, die dir aus dem Pappbecher gefallen sind, während du mit Entwickler- und Journalistenfreunden über den nächsten Local-Multiplayer-Hit Gang Beasts sprichst. Soweit meine Hoffnung für drei Tage Festival. Eine Woche nach Ende bleibt festzuhalten: Ich habe zu wenige Freunde umarmt, zu wenige Kartoffelecken gegessen und viel zu viel gearbeitet.

Das ist schade, aber nicht schlecht. Ganz im Gegenteil. Was angefangen hat als verspulte Veranstaltung irgendwo zwischen Kunst, Videospielen und einem diffusen Indie-Begriff, wurde dieses Jahr zu einem wirklich ernstzunehmenden Videospielfestival. Im unscheinbaren Wye, etwa 15 Minuten von der Urban Spree entfernt, gab es ein Vortragsprogramm, das mich überrascht und beeindruckt hat. Zu Gast waren unter anderem: Braid-Erfinder Jonathan Blow (mit dem ich auf der Bühne über Puzzle-Design gesprochen habe), Rockstar-Journalistin Cara Ellison und Indie-Entwickler wie Pippin Barr, Petri Purho, Major Bueno und viele mehr, deren Arbeit ich bewundere. Nachhören kann man die Talks hier. Das Ergebnis war: Zu wenig Schlaf, Unmengen an Material, und eine Quasi-Indie-Fresse-Folge fürs Deutschlandradio.

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Nina Berlin überfordert mich. An diesem viel zu lauten, viel zu komplizierten Ort komme ich mir jedes Mal schon verloren vor, wenn ich nur einen Fuß auf den asphaltierten Boden setze. Umso glücklicher war ich mit der A MAZE, dieser Rettungsinsel in einem riesigen, tosenden Meer von Möglichkeiten, die sich auf nur zwei Veranstaltungsorte verteilte und trotzdem so viele großartige Menschen in sich vereinte wie sonst nur eine mittlere deutsche Großstadt. Und die, trotz ihres begrenzten Umfangs, einfach nicht langweilig wurde.

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Vorträge über in pixelgewordene Aktionskunst und skandinavische Entwicklerkollektive wurden abgelöst von erbitterten Fechtduellen, die dringend am Morgen noch dringend benötigten Koffein-Notrationen von Bier und Cider. Manch ein Mensch ließ sich guillotinieren, während andere sich, in verkabelten pastellfarbenen Strickjacken steckend, zum Teil sichtlich beschämt die Rücken kraulten.

Was in Text gegossen chaotisch erscheint, ist auch in meinem Kopf selbst mit vielen Tagen Abstand immer noch ein verknotetes Impressionsknäuel, das ich vermutlich so schnell nicht werde entwirren können – falls überhaupt. Denn die A MAZE bringt eine solche, stete Flut von Begegnungen, Handlungen und Eindrücken mit sich, dass sie unmöglich in nur drei Absätzen zusammengefasst werden kann. Nur eines weiß ich sicher: Sie zeichnet ein optimistisches Bild von einer unglaublich vielfältigen Szene, deren Teil ich gerne bin.

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Sonja Zwei Veranstaltungsorte – einer für die Diskussionen, Talks und Workshops, einer für Ausstellung, Konzerte, Turniere und Partys. Diese Zweiteilung der A Maze, die schon aufgrund des großen Andrangs sinnvoll ist, hat einen charmanten Aspekt: Sie erlaubt es, sauber zwischen Kopf und Bauch oder zwischen Hirn und Herz zu trennen. Tagsüber dominiert der Verstand und verlangt konzentriertes Zuhören. Was Szenegrößen wie Jonathan Blow oder das Entwicklerduo von Tale of Tales, aber auch Spielejournalisten zu erzählen haben, ist spannend, klug und unterhaltsam.

Der Weg von einem Veranstaltungsort zum anderen ist gerade lang genug, um das Gehörte ansatzweise zu verarbeiten – und dann im Urban Spree den Kopf für den restlichen Abend abzuschalten. Denn die mit Menschen und Maschinen prall gefüllten Räume sind eine perfekte Spielwiese, auf der sich ständig neue Gesprächs- und Spielpaarungen ergeben, auf der man jederzeit den vierten Spieler für die nächste Runde findet. Und auf der sichtbar wird, dass Indie bei allem intellektuellen Überbau vor allem eins bedeutet: Unendlichen Spaß.

Am Ende einer langen Nacht raunt mir auf der Straße ein Dealer aus dem Schatten zu: „Brauchst du was?“ Ich sage „Nein danke“ und meine eigentlich: „Geh mir weg mit deinem schlechten Gras und deinen komischen Pillen.“ Was sich gerade in meinem Kopf abspielt, ist besser als jede Drogenerfahrung. Noch lange, nachdem ich mich ins Bett gelegt habe, prügeln sich vor meinem geistigen Auge grimmige Männchen auf fahrenden Lastern, suchen bunte Punkte ihren Weg ins Ziel, rattern Kassenzettelabenteuer zentimeterweise aus kleinen Kästen. Ein – so wehmütiges wie billiges – Wortspiel kann ich mir deshalb nicht verkneifen: What an amazing trip!

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Ben “It’s like a digital playground!” beschrieb ein Vater die A MAZE, während er sich und seinen Sohn aus den Raupenkostümen schälte. Ein großer Spielplatz, besser könnte man die Spieleausstellung im Urban Spree kaum beschreiben, die auch in diesem Jahr das Herz der A MAZE ausmachte. Denn viele Spiele entfalten nur dort ihre ganze Pracht, im Limonadenrausch auf einem Festival inmitten toller Menschen.

Während das Vortragsprogramm sicherlich interessant und vielseitig war, so ist es diese einzigartige Mischung aus Kunstausstellung, Entwicklertreffen, Techno-Party und Spieleabend, die einem im Gedächtnis bleibt und der sich selbst Menschen, die sonst wenig Kontakt zu Videospielen haben, nicht entziehen können. Denn auch wenn das Publikum von EntwicklerInnen, JournalistInnen und KünstlernInnen dominiert wurde, so wirkte die A MAZE in diesem Jahr offener, bunter und lebendiger – was vielleicht nicht nur das Festival, sondern auch den Status von Indie-Spielen reflektiert.

Nur eine winzig kleine Bitte hätte ich im Hinblick auf die nächste A MAZE: Fiele im nächsten Jahr wenigstens ein Veranstaltungstag auf ein Wochenende, so würde ich das sehr begrüßen.