Been There, Done Nothing: Für einen entspannteren Umgang mit der Zeit
Ein Spiel, das einen für Jahre beschäftigen werde, versprach Ubisoft im vergangenen Jahr vollmundig mit der Veröffentlichung seines Semi-MMO-Shooters The Division. Gerade genug für die Fraktion der empörten Kunden, die sich nach mehr als 100 Stunden Spielzeit noch darüber echauffierte, nicht genug Spiel für ihr Geld bekommen zu haben. Dass es im Umkehrschluss genauso viele Menschen geben dürfte, für die gerade dieser Umfang zum Problem wird, hört man dagegen selten. Aber es gibt sie. Und auch wenn sie nicht so laut und präsent wie ihre Opposition sind, findet man überall ihre Spuren. Sie schreiben Artikel darüber, wieso man ausufernde Spiele als Erwachsener meiden sollte oder warum Spiele prinzipiell dazu tendieren, viel zu lang zu sein. Herrgott, sie rufen sogar Fabu an, um ihm zu erzählen, dass sie nicht mehr in dem Maß zu ihrem Hobby kommen, wie sie es gerne würden. Doch warum wird die öffentliche Auseinandersetzung mit Videospielen überhaupt derart von diesem Faktor dominiert?
Hamburg, 2005: Gunter Gabriel und DJ Koze dissen die Community von The Division
Wer es sich besonders einfach machen möchte, schiebt den schwarzen Peter einfach der Branche zu. Deren mediale Mechanismen seien eben besonders aufdringlich und fordernd, so der übliche Konsens. Dass auch Netflix jedes Quartal aufs Neue alle erdenklichen Marketing-Kanäle aktiviert, um mir per Pre-Roll, Sponsored Post oder Plakatierung die jüngste Eigenproduktion nahe zu legen – geschenkt. Der Unterschied ist, dass wir Serien als vergleichbarem Phänomen weitaus gelassener begegnen. Hier wird das “On-Demand”-Versprechen beim Wort genommen. »Game Of Thrones« ist heute noch genauso sehenswert wie vor fünf Jahren. Spiele hingegen sind ein von Technologie getriebenes Medium, das gerne suggeriert, schlecht zu werden, wenn es nicht unmittelbar erfahren wird. Ein Irrsinn, der nicht nur den anhaltenden Retro- und Remastering-Wahn wie einen schlechten Treppenwitz aussehen lässt, sondern auch gleich den Status Quo der Technik an sich. Wer heute ein fünf Jahre altes Spiel hochfährt, muss sich nicht mehr im Polygon-Museum wähnen.
Moskau, 2033: Artjom wägt ab, ob 10 Stunden Spielzeit nicht ein bisschen wenig sind.
Warum spricht man aber dennoch schuldbewusst von seinem Stack Of Shame, wenn es um gekaufte, aber nie gespielte Titel in der eigenen Sammlung geht? Den vermeintlich schmachvollen Stapel baut man schließlich ab, indem man sich mit den liegengeblieben Spielen beschäftigt. Die Währung dafür ist freie Zeit. Demnach soll der überspitzt als Schande bezeichnete Druck nur durch Zeitaufwand gelöst werden können? Dass eine derartig krampfige Beziehung zu Kunst und Zerstreuung nicht gesund sein kann, erschließt sich wohl von selbst.
Dann doch lieber die eigene Sprunghaftigkeit respektive Genügsamkeit begrüßen. Drei Stunden in Skyrim können schließlich genauso gut sein wie dreihundert. Und wenn man No Man’s Sky schon nach zwei Wochen nichts mehr abgewinnen kann, hat man trotzdem zwei Wochen seinen Spaß damit gehabt. Man muss ja nicht gleich vom “Stack Of Opportunities” reden – das würde ehrlich gesagt auch ein bisschen sperrig klingen. Einzig der Routine, den Umfang eines Spieles als primäres Qualitätsmerkmal heranzuziehen, sollten man etwas gelassener begegnen. Der ewige Tanz um die Spielzeit wird erst dadurch zum Gruppensport, weil sich jeder gerne daran beteiligt. Ich plädiere dafür, den Turnbeutel hin und wieder einfach mal zu »vergessen«. Sollen doch die anderen schwitzen.