Gamecraft: Teleshopping mit Männerhumor

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“Das Grauen!” (Bernd das Brot)

Wer sich schon immer gefragt hat, was eigentlich aus der Bluebox wurde, mit deren Hilfe jeden Monat das legendäre Raumschiff Gamestar seinen Weg auf die Heft-CD fand, der kann ihren rastlosen Geist ab sofort jeden Montag nach Mitternacht auf dem Kerlekanal DMAX wiederentdecken. Hier moderiert fortan der in den vergangenen zwei Jahrzehnten eher glücklos agierende und mittlerweile vollbärtige Rapper Vanilla Ice zusammen mit der zum Leben erweckten Wachsfigur von Enie van de Meiklokjes das brandheiße Videospiel-Format Gamecraft, dessen Titel man sich ungefragt von knapp 1100 selten besuchten Let’s-Play-Kanälen auf YouTube geliehen hat. Beste Voraussetzungen also für eine klischeefreie und moderne Aufbereitung des flippigen Trends Gaming, deren nerdiges Wesen der Ludolf-Hofsender ein für alle Mal zu entzaubern versucht.

Denn Gamecraft soll möglichst wenig Vorwissen benötigen. Es ist eine Sendung für den couchverliebten Casual, der zu faul dazu ist, die Packungsrückseite einer Spielhülle selbst durchzulesen und der sich stattdessen deren Inhalt lieber von seinem TV-Gerät wiedergeben lässt. Die reine Featureaufzählung zu Großproduktionen wie The Crew, dem aktuellen Call of Duty oder The Evil Within unterstreicht den Eindruck, dass hier ein Produkt- und kein Kulturmagazin entstehen soll, frei von jedweder Kritik und Diskurs. In Szene gesetzt wird dieses mit den Stilmitteln des 90er-Jahre-Spielejournalismus. So werden die Moderierenden in Ausbildung beispielsweise in die jeweilige Szenerie eines Spiels hineinkopiert, jede Texteinblendung mit einem Clipart-Feuerchen unterlegt und am Ende sogar ein komplett kontextloser Kampf mit Lichtschwertern ausgefochten. Bezeichnenderweise noch mit den alten Einstrahlern, die ja seit dem letzten Star-Wars-Trailer nun wirklich total Mittelalter sind.

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“Das Exoskelett ist schon crazy. Man ist natürlich ordentlich superheldenmäßig unterwegs, aber es kommt realistisch rüber und deswegen ist es cool.” (Ben Schamma)

Moderatorin Maja-Felicitas Bergmann darf sich zudem anhören, wie schlecht sie Auto fährt und staunt darüber, dass es Exo-Skelette nicht nur in Videospielen gibt, denn sie hatte ja keine Ahnung, zu welchem Thema ihr zwischen Gitarrencontroller und Actionfiguren sitzender Gast geladen ist. Dass Kollege Ben ihr dann auch noch seinen angesprochenen Lichtsäbel als Penissurrogat präsentiert, kanzelt sie aber immerhin megaschlagfertig mit dem entlarvenden Einwand „Männerhumor“ ab, wohlwissend, welcher Sender ihr neuerdings die Lockenwickler reindreht. Das alles ist bereits arg peinlich und plump, wird aber tatsächlich noch getoppt, als RTL-Samstag-Nacht-Reliquie und Gamecraft-Produzent Tommy Krappweis die Kulissen betritt, um frei jeglicher Subtilität die Werbetrommel für ein Spiel zu rühren, dessen Hauptcharakter Bernd das Brot zufällig seiner unangespitzten Feder entstammt. Dass sich bei einem solchen Maß an Eigenvermarktung alle drei anwesenden Personen sichtlich unwohl in ihrer Haut fühlen, deutet zumindest an, dass irgendwo in diesem Raum ein Fünkchen Restanstand das Fenster nach draußen noch nicht gefunden hat.

„Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“, schrieb einst Hermann Hesse, doch nach der ersten Folge Gamecraft streiche ich diesen Vers wieder aus meinem Gedichtband. Natürlich muss sich mit der Zeit erst alles finden und einspielen, doch was hier als Grundkonzept vorliegt, ist ordinär und der Vermittlung des Mediums Videospiel mehr ab- als zuträglich. Eine Sendung für Menschen, denen GameOne zu lustig und locker und Reload zu hintergründig und tiefschürfend ist, vorgetragen mit einem Wortschatz, der dem Vorentscheid zum Jugendwort des Jahres entnommen sein könnte. Ein fernsehgewordenes Missverständnis. Oder wie es Maja-Felicitas Bergmann flüchtig entfährt: „Wir könnten hier auch Teleshopping machen.“