How Dare You! #15: Florian Fischer alias SiENcE
“do_gamejams( start_small( fail(start_again) ) )”
“Wir hatten damals eine Mailbox und es wurden nur sechs Buchstaben akzeptiert. Ich liebe Science-Fiction und habe es kürzen müssen. Dann war damals noch Groß-Klein-Schreibung in, und daher sieht der Name nun so aus wie er aussieht.”, so erklärt mir der 37-jährige Berliner Florian Fischer den Ursprung seines Ludum Dare-Namens SiENcE. Dieser passt einfach perfekt, schließlich wirkt auf mich kaum jemand aus der gesamten Portrait-Reihe so sehr im programmiertechnischen Bereich beheimatet wie er.
Florian entwickelt beruflich Kryptografie-Software für verschiedene Rechenzentren und ist ein loser Teil von schattenkind.net, einem kleinen Entwicklerkollektiv. Aktuell arbeitet er noch zusätzlich mit dem italienischen Künstler Marco Pedrana an einem größeren Rollenspiel-Projekt namens Aeon of Sands. Seit 2007 nimmt er jedes Jahr am OverNight-Contest der Devmania teil. Beim Ludum Dare war er bislang vier Mal vertreten.
Viele seiner Konzeptideen finden ihren Ursprung in der Faszination für technische Innovationen. So entstand sein “Ludum Dare 25”-Beitrag Fisticuffs aus dem Interesse für den Flocking-Algorithmus, einige seiner älteren Spiele hingegen aus einer plötzlichen Neugierde für Soundsynthese oder aber aus der Begeisterung für WebGL. Er ist einfach ein wissbegieriger Mensch: “Leute, von denen man noch was lernen kann, inspirieren mich. Beispielsweise viele Mitglieder der LÖVE-Community, Dan Kaminsky und Joseph Weizenbaum.” Weizenbaum, natürlich musste Weizenbaum auftauchen.
Kryptografie, Coding, Computer – diese drei Bereiche scheinen schon fast so etwas wie tragende Säulen von Florians Persönlichkeit zu sein. Dabei bestätigt er keinerlei Nerd-Klischees im zwischenmenschlichen Sinne. Man könnte ihm höchstens zur Last legen, dass er eine ziemlich präzise Form der Kommunikation pflegt und eine Vorliebe für Effizienz wie Eleganz sein Eigen nennt – aber ehrlich gesagt gefallen mir persönlich diese Eigenschaften an ihm sehr.
Meistens verwendet er für seine Projekte die LÖVE-Engine, weil diese elegant sei und zudem noch OpenSource. Aber ständig in derselben Komfortzone zu verweilen ist einfach nicht Florians Stil. Seinen Drang, neue Dinge auszuprobieren und zu erlernen, lebt er gerne im Ludum Dare aus: “Fisticuffs zum Beispiel habe ich im Webbrowser zum Laufen gebracht, Sophie’s World hingegen auf der PlayStation Vita – während des Gamejams habe ich einen Port geschrieben – und für TOWER of Evolution habe ich mich in die MelonJS-Engine eingearbeitet.”
Auf die Frage, warum er am Ludum Dare partizipiert, sagt er mir: “Weil es Spaß macht und wegen des Anspruchs alles alleine zu erstellen: Design, Code, Grafik, Sound – und das alles in nur zwei Tagen! Man lernt so viel über seine eigene Arbeitsweise und auch über sich selbst.” Florian selbst versucht für den Gamejam immer ordentlich vorzuschlafen, um dann vormittags beim Frühstück mit einem freien, gedanklich unbelasteten Kopf über Ideen nachzugrübeln. Bis auf einen funktionierenden Rechner samt Programmen und der einen oder anderen Kanne Kaffee braucht er nichts weiter um anzufangen.
Deine drei goldenen Regeln für die Spieleentwicklung?
“Iterate, iterate, iterate!”
Dieses Mal verband er seine Arbeit mit seiner Leidenschaft: In Decipher Quest geht es darum, mittels logischem Denkens die Kommunikation mit einem gefährlichen Ungetüm aufzunehmen. Die Struktur der dazugehörigen Sprache muss aber erst entziffert werden. Auch, wenn es zunächst nicht so scheint: Alles ist klar strukturiert und folgt einem altbekannten Muster.
Gut vorstellen könnte er sich, eine Kollaboration mit dem “Ludum Dare”-Teilnehmer rxi einzugehen. Seine Begründung dafür ist allerdings innerhalb dieser Reihe einmalig: “Weil er eleganten Code schreibt.” Erneut bestätigt sich damit, dass er ein Mensch ist, dem die technische Basis viel mehr interessiert als die reine Oberfläche.
Für das Ludum Dare wünscht er sich ein dauerhaftes Archiv: “Viele alte Spiele sind mittlerweile verloren gegangen, weil die Download-Hoster sie nicht mehr anbieten. Das ist sehr schade! Das Runterladen aller Titel eines einzelnen Ludum Dares in einer Datei wäre natürlich auch toll.” Ich freue mich über seine Äußerung, da es mir ähnlich ergeht. Im Sinne eines medienkulturgeschichtlichen Auftrags wäre es wundervoll, wenn sämtliche Erzeugnisse des Gamejams dauerhaft erreichbar wären. Wie sonst soll man in ein-zwei Dekaden die Entwicklung dieser Veranstaltungsreihe noch nachempfinden können? Es wäre doch schade um die vergeudete Kreativität. Vielleicht würde man sonst auch den orangenen Roboter und das blaue Monster aus dem All nie wiedersehen. Und das will doch niemand!