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Knapp 6 Milliarden Dollar. Das entspricht in etwa einer Zahl mit knapp 6 Millionen Nullen! Da mir solche Zahlen nicht einmal begegnen, wenn ich Hendrik bei Geometry Wars zuschaue, überlasse ich die Einschätzung und Rechtfertigung der Summe, die AAA-Moloch Activision Blizzard für den falschen Geldadel von King Entertainment geblecht hat, auch lieber den Autoren der Wirtschaftswoche. Viel interessanter als das liebe Geld sind eh dessen Implikationen. Wenn eine Firma, die sich in der Vergangenheit auf hochpreisige und aufwendige Spieleproduktionen konzentriert hat, wie aus dem Nichts ein gegenläufiges Geschäftsmodell einkauft und dafür sogar mehr bezahlt als beispielsweise Disney für die halben Anteile an Super RTL, dann muss das was bedeuten. Wenn auch weniger als man vermuten würde.
5,9 MILLION DOLLAR!
Sicher ist, dass Free-to-play aktuell das Must-have-Accessoire für die trendbewusste Spieleschmiede ist, die ihren kosmopoliten Immer-dabei-Lifestyle gern auf möglichst vielen Endgeräten dieser Saison sehen will. Es ist die David-Beckham-Kollektion von H&M, die zwar jeder gerne trägt, aber nur einer sieht damit auch wirklich aus wie David Beckham. Für Free-to-play war das in den letzten Jahren Kings Candy Crush Saga, eine zwar billig anmutende Match-3-Variante, die sich dabei aber so teuer verkauft hat, dass manch ein Katastrophenpoet befürchten musste, dieses Geschäftsmodell werde in absehbarer Zeit das einzig valide sein. Free-to-play gilt tatsächlich für einige immer noch als die Zukunft der Videospielfinanzierung, auch für Activision Blizzard, die mit Hearthstone und bald eventuell Overwatch diese neumodische Geldinsel erkunden. Doch ist es im Allgemeinen lediglich die Momentaufnahme des Ist-Zustandes einer abgelebten Branche, die lieber in Verhaltenspsychologen und Börsenanalysten investiert als in die Qualität ihrer Produkte.
Was Activision Blizzard gekauft hat, ist kein aufstrebender Jungprofi, sondern ein gestandener Star, der noch ein paar Jahre seine Leistung bringen wird, bevor ihn die nachfolgende Generation überholt. Das wissen auch diejenigen, die diesen Deal forciert haben und mehr erwartet vermutlich auch niemand. Die King-Sparte wird nahezu autonom weiter laufen und die berüchtigten Synergien zum bisherigen Kerngeschäft schaffen, ohne die Vollpreistitel zu arg zu tangieren. So hat man in jeder Tür einen Fuß, statt mit einem einzelnen Riesenquanten das ganze Haus einzutreten. Schließlich ist dessen Fundament äußerst instabil.
Karies für die Hosentasche.
Schaut man sich nämlich die wenigen Zahlen an, die man zum Thema Free-to-play erheischen kann, so wird deutlich, dass ohne eine äußerst mächtige Spieleranzahl recht schnell der Einsturz droht. King hatte im vergangenen Jahr mit mehr als 350 Millionen Spielern eine solche Nutzerbasis, von der jedoch nur etwas mehr als 2% tatsächlich etwas bezahlten. Sicher, der Rest zahlt immer noch mit seinen persönlichen Daten, aber von denen können sich mittlerweile auch rund 130 Rovio-Mitarbeiter weniger ernähren. Deren wütende Vögel befinden sich nun schon so lange auf einem absteigenden Ast, dass der bevorstehende Kinofilm genauso zeitgemäß und relevant erscheint wie der Soul Patch von Vanilla Ice. Die Vorteile von Free-to-play mögen derzeit noch auf der Hand liegen, doch auf selbiger liegt bei einem Blick auf die Entwicklung in anderen Medienbereichen auch deren zunehmender Zerfall.
Dass King mit Spielen wie Candy Crush solch eine Verbreitung erfahren hat, dürfte insbesondere der kaum vorhandenen Einstiegshürde geschuldet sein, die den Zugang zu vielen vollwertigen Titeln versperrt. Sicher meine ich damit nicht zuletzt das auf den kleinsten gemeinsamen Nenner runtergebrochene Spielprinzip, doch allen voran beziehe ich mich auf den Umstand, dass die breite Masse bereits ein passendes Endgerät in der Turnhosentasche hat und ohne vorausgehende Zusatzinvestition loslegen kann. Keine Testberichte studieren, keine Technikfragen klären, sondern einfach der eigenen Neugier folgen. Ein Prinzip, dem auch Streaming-Dienste wie Spotify und Netflix beipflichten und das abseits der Kostenlos-Kultur auf Mobilgeräten zunehmend auf stationären Geräten in Form eines Abo-Modells vorzufinden ist. Playstation Plus, Games with Gold, EA Access oder seit neustem auch Humble Monthly sind die Vorboten einer sich zunehmend verändernden Art, Videospiele zu konsumieren, bei der Free-to-play-Charakteristika außen vor bleiben.
Hader’s gonna hade.
Der strukturelle Nachteil, ein bestimmtes Abspielgerät für die Nutzung zu benötigen und die überschaubaren, meist aus älteren Titeln bestehenden Kataloge, werden spätestens mit dem Einzug eines stabil nutzbaren Streaming-Services kein großes Thema mehr sein. Die Frage, ob sich der Kauf eines Spiels lohnt, ebenfalls nicht. Der einfache Zugriff auf Millionen von Büchern, Liedern und Filmen hat deren Nutzungsverhalten bereits jetzt nachhaltig geprägt und wird auch in absehbarer Zukunft den derzeitigen Spielemarkt über den Haufen werfen. Die Schreie nach epischen Spielwelten und einem hohen Wiederspielwert werden leiser, wenn die Auswahl kaum noch Grenzen kennt. Bezahlschranken, wie sie in Free-to-play-Titeln üblich sind, werden unattraktiver, wenn einem für einen unwesentlich höheren Betrag eine schier unerschöpfliche Bibliothek an Alternativen offen steht. Doch auch eine solch verlockende Option wird einen gewissen Kern von Leuten nicht davon abhalten, Free-to-play die Existenzgrundlage zu sichern.
Die Vergangenheit der Zukunft: OnLive
Ein Spiel wie Candy Crush bietet schließlich kein besonders tiefes Spielerlebnis, sondern baut einzig und allein auf Mechaniken auf, die ein ständiges Weiterspielen erzwingen sollen. Mechaniken, die nicht nur dem Aufstieg des Finanzierungsmodells den Weg bereiteten, sondern denen auch die größte Gefahr für dessen raschen Fall innewohnt. Neben negativer Berichterstattung drohen nicht zuletzt rechtliche Klagen gegen Firmen, die es mit der manipulierenden Natur ihrer Titel zu sehr auf die Spitze treiben. Mit den möglichen Folgen zunehmender Regulierung sowie Kenntlichmachung jener Methoden und mit diesen einhergehend auch eine erhöhte Aufklärung. Free-to-play mag als Zusatzgeschäft für Activision Blizzard derzeit Sinn ergeben, ein neuer Fokus auf diesen Bereich eher nicht.
Letztlich ist es deshalb vielleicht auch gar nicht so unwahrscheinlich, dass die Meldung über den Kauf von King die einzige Nachricht bleibt, die dieser neuerliche Verbund nach sich ziehen wird. Für die Zukunft der Industrie als Ganzes stellen sich eh viel spannendere Fragen: Wird tatsächlich ein brauchbares Streaming-Angebot in absehbarer Zeit möglich sein? Werden kostspielige, spezielle Endgeräte, wie Konsolen oder Spiele-PCs, bald schon der Vergangenheit angehören? Wie würde ein solches Modell von Indie-Entwicklern angenommen werden, denen, ähnlich wie unbekannteren Künstlern bei Musikstreamingdiensten, Nachteile bei den Einnahmen drohen? Kommen Rafael Van der Vaart und seine Sylvie doch noch einmal zusammen? Ganz schön viel Spekulation, der ich nun doch erst einmal Einhalt gebieten möchte. Ich sehe mich nämlich schon in einigen Jahren weinend vor diesem Artikel sitzen, während im Hintergrund der Trailer zum neuen Candy-Crush-Film läuft.