Random Encounters: Erotische Sekundärliteratur

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Kann, ja kann es denn etwas schöneres geben, als während der besinnlichen Tage analytische Texte über die Darstellung von Sexualität im digitalen Spiel zu lesen, während im Hintergrund das Kaminfeuer knistert und der Lebkuchenduft duch die Wohnung wabert? Ja, ganz sicher sogar, aber da es sich nunmal um den Themenschwerpunkt dieser vorzüglichen Kolumne handelt und die Rezension des Lesben-Sex-Simulators noch auf sich warten lässt, möchte ich heute einige Werke anderer Autor_innen empfehlen. Sodenn:

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S.EXE

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Cara EllisonThis column desires to devour the games that address the sexy parts with thought and consideration and perhaps a little experience. Are You Experienced? Well it’s okay if you’re not because I’m here. My name is Cara. You may remember me from such puns as Highway To The Bonerzone and booty hall.
rockpapershotgun.com


Cara Ellisons famose Sexspielkolumne bei Rock, Paper, Shotgun trug entscheidend zu meinem Entschluss bei, dieses Thema intensiver zu verfolgen und letztlich auch bei Superlevel zu etablieren. Mit einer ungeheuren Eloquenz und viel Humor hat das schottische Penissynonymlexikon innerhalb von anderthalb viel zu kurzen Jahren eine breite Palette von Themen abgedeckt, die über bloße Rezensionen von Sexspielen weit hinausging. So erklärt sie Gone Home zu einer feministischen Utopie und anhand des Spiels eine in der Gesellschaft verwurzelte Frauenfeindlichkeit, die von Frauen und Männern gleichermaßen erhalten wird und sich bisweilen nur subtil äußert.

Cara verbleibt dabei nie an der analytischen Oberfläche, sondern schmückt ihre Texte mit zahlreichen persönlichen Anekdoten und intimen Gedanken, welche die Zugänglichkeit deutlich erhöhen – und bewirken, dass selbst kritische Abhandlungen hochgradig unterhaltsam geraten. Und dann wären da natürlich noch die Penes, die Schlongs, dongs, dicks, wangs, angry sea cucumbers… sowie geschätzte zwölfhundert weitere, faszinierende Alternativbezeichnungen für den männlichen Genitalbereich. Schon für diese Weiterbildungsmaßnahme lohnt sich die Lektüre. Doch ich mahne zur Vorsicht, denn sobald der letzte Text gelesen ist, dräut Trauer (bei gleichzeitiger Freude) ob Ellisons Professionswechsels und der bedrückenden Tatsache, dass S.EXE wohl nie mehr fortgesetzt wird.

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Having Lots of Sex With Men in Videogames

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Steve HogartyPlease note that this article contains references to the awful thing that is sex. And rimming.” — pcgamesn.com


A propos gute und ebenso sträflich vernachlässigte Sexspielkolumnen: Vor exakt 288 Tagen – ein schönes Jubiläum, ein fast ebenso feierlicher Anlass wie das nahende Fest der Besinnlichkeit – erschien der erste von bisher drei Texten über Sex mit Männern in Videospielen, verfasst von dem mir bis dahin unbekannten Journalisten Steve Hogarty. Jener selbsternannte “Sexperte” beschreibt eingehend seine Erfahrungen mit den gespielten Titeln, preist Funktionen wie frei wählbare Körperbehaarung oder Ejakulationslokalisierung, und tut das reichlich wortgewandt. Einem jeden Menschen, der von einem homosexuellen Mann mehr über Spiele mit eben dieser Fokus- oder Zielgruppe erfahren möchte, sei die vorläufige Trilogie wärmstens ans Herz gelegt.

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The Gloriously Stupid History of Sex in Video Games

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Cara EllisonIt’s 1997 and I’m searching for the fabled “Lara Croft naked patch” on the internet. It is sometime around the era of when it took about 60 years and the screech of a modem that made your ears bleed to download anything. After about 30 years of downloading, and with blood running down my neck, I finally see outside my own 12-year-old body and think, “What the fuck are you doing, in a few years you will have the body of a woman and your boobs won’t look like the pyramids at Giza, either. You can just look at your own real goddamn tits. This is a thing for those boys at school to guffaw at and be like, ‘gross’.” The internet is a wonderful place for self-discovery.” — vice.com


Wahrscheinlich oute ich mich spätestens hiermit als treudoofer Cara-Ellison-Groupie, aber in dieser Liste darf ihre Abhandlung über die Geschichte der Sexspiele keinesfalls fehlen – nicht zuletzt, weil darin Titel Erwähnung finden, die sonst selten aufgeführt werden. Und wegen der grandiosen Artikelbebilderung.

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The Odd History of the First Erotic Computer Game

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Laine NooneyIn some sense, Softporn is least interesting as a game, and most interesting as a piece of social theater. While Softporn seemingly affirms every long-suffering trope gaming has to offer—its latent misogyny, its middling cultural stakes, its limp internal humor—it was also developed under shifting social and spatial constraints within an emerging populist computer culture.” — theatlantic.com


Obwohl “Softporn Adventure” als Blaupause für die “Leisure Suit Larry”-Reihe diente und vor allem aufgrund seiner Pionierrolle als eines der ersten Sexspiele zu Berühmtheit gelangte, erfährt man selten mehr über diesen Titel als jene Anekdote, dass Sierra-Firmenmitgründerin und Adventure-Koriphäe Roberta Williams für das Covershooting selbst nackt im Pool platznahm. “The Odd History of the First Erotic Computer Game” bietet dagegen einen weit umfangreicheren Einblick in die Entstehungsgeschichte des Spiels und vor allem seinen historischen Kontext.

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Sex in Games: Rez+Vibrator

Game-controller-Rez-Vibrator
After many of my langorous gasps and moans, we stopped playing, and tried to analyze the gameplay experience. »I don’t know exactly what the game designers intended with that trance vibrator thing – but it had to be this, right?«
gamegirladvance.com


Längst ein Klassiker unter den Sexspieltexten, sollte die erste mir bekannte Rezension von Konsolenperipherie als Sexspielzeug hier keinesfalls fehlen. Die Rede ist natürlich vom Trance Vibrator, der in Japan zusammen mit der PS2-Version des fantastischen “REZ” erhältlich war und dem Entwickler zufolge eigentlich unter den Fuß des Spielenden gelegt werden sollte, aber wenig überraschend… zweckentfremdet wurde. Selbst teile ich die Eindrücke der Autorin zwar nicht, da die Vibrationen relativ dezent ausfallen und das Spiel zu sehr ablenkt, wenn man sich allein an der Mehrfachstimulierung versucht. Aber lesenswert ist der Text dennoch, da er die Erlebnisse sehr greifbar widergibt.

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Some people are gay in space. Get over it

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Charlie BrookerIt must be awful, being a homophobe. Having to spend all that time obsessing about what gay people might be doing with their genitals. Seeing it in your mind, over and over again, in high-definition close-up. Bravely you masturbate, to make the pictures go away, but to no avail. They’re seared onto your mental membranes. Every time you close your eyes, an imaginary gay man’s imaginary penis rises from the murk, bowing ominously in your direction, sensing your discomfort. Laughing. Mocking. Possibly even winking. How dare they, this man and his penis? How dare they do this to you?” — theguardian.com


Nicht direkt mit Sex verknüpft und dennoch unbedingt relevant ist Charlie Brookers sarkastische, punktgenaue Beschreibung des zögerlichen Umgangs mit Homosexualität im Spiel. Bereits 2012 erschienen, spiegelt der Text die immer noch bestehende Furcht vor allem wider, was nicht heterokonform und damit “normal” ist. Bis heute sieht sich eine nimmermüde Schar von Spielern dazu bemüßigt, insbesondere alles Schwule als Teil einer Agenda zu sehen, die ihnen aufgezwängt wird – nicht bedenkend, dass umgekehrt homo-, bi- und polysexuelle Menschen mit einer ständigen Zwangsheterosexualisierung konfrontiert werden.

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Notes on sex, consent, and intimacy in games and tech

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Robert Yang[…] sex must be more than a node, it should be simulated as a complex system in itself. Sex must not be some sort of reward or foregone conclusion. What if we represented sex in games as an on-going process? What if we actually did sex?” — radiator.debacle.us


Im Grunde könnte ich hier jeden von Robert Yangs stets sehr ausführlichen und reflektierten Blogeinträgen verlinken. Dieser allerdings ist besonders empfehlenswert, weil er Bezug auf gleich mehrere Spiele und die generelle Rolle von Konsens im Technikumfeld nimmt. Interessant sind dabei vor allem Yangs Gedanken zur vermeintlichen Wehrlosigkeit von Software und der Funktion von Lizenzverträgen, die sich nie verhandeln lassen, sondern unhinterfragt und gegebenenfalls widerwillig akzeptiert werden müssen.

Nun leset, leset, während ich weiter meinem künftigen Broterwerb nachgehe und digitale, barbusige Lesben mit Karotten befriedige.